Warum das Trinkgeld kein Entgelt iSd ASVG ist
Peter Maska *
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm unter dem Punkt „Trinkgeldregelungen“ die Evaluierung und praxistaugliche Ausgestaltung der Bestimmungen für die Trinkgeldpauschale inklusive Tronc-Systeme zum Ziel gesetzt.[1] Die Absicht zur Evaluierung lässt vermuten, dass der Bundesregierung die aktuelle Regelung nicht passend erscheint. Das Bestreben nach einer praxistauglichen Ausgestaltung der Regelungen lässt erkennen, dass über deren Inhalt Unklarheiten bestehen. Dieser Beitrag geht dem Inhalt der aktuellen Regelung nach.
1. Grundlegendes
Die nachvollziehbare Kalkulation von Kosten ist die Grundlage unternehmerischer Tätigkeit. Das zu regeln, ist Aufgabe der Rechtsordnung. Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer beschäftigt, vereinbart mit diesem das für die Arbeitsleistung zustehende Entgelt, für dessen Bemessung der in aller Regel anzuwendende Kollektivvertrag zugrunde zu legen ist und kalkuliert bei der Festlegung des Entgelts auch die Dienstgeberabgaben. Zu diesen gehören der Unfallversicherungsbeitrag[2] sowie die Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung[3] nach dem ASVG.

Es gilt der Grundsatz, dass jede Zahlung an den Dienstnehmer, die aufgrund eines Dienstverhältnisses aus welchen Gründen immer (auch ohne Rechtsanspruch) tatsächlich geleistet wird, im Sinne der Sozialversicherung beitragspflichtiges Entgelt darstellt, sofern nicht eine Ausnahme von der Beitragspflicht vorliegt.[4] Die Frage, ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer Zahlungen infolge von Arbeitsleistungen erhält, entscheidet der Arbeitgeber, zumal er mit dem Arbeitnehmer die Entgeltvereinbarung trifft. Dies gilt jedenfalls für den Monatslohn bzw das Monatsgehalt für die Normalarbeitszeit sowie für Prämien und Zulagen, die funktionsgebunden sind.[5]
Auch Umsatzprovisionen, deren Entstehen meist nicht allein von der Tätigung laufender Umsätze, sondern auch von der Erfüllung weiterer Bedingungen abhängig ist, sind Entgelt[6] und beruhen auf der zugrunde liegenden Provisionsvereinbarung. Ferner sind Prämien, die der Arbeitgeber wegen bestimmter Tätigkeiten und für deren Dauer dem Arbeitnehmer gewährt, wenn auch freiwillig und diese somit zum Entgelt zählen,[7] von dessen Entscheidung abhängig, diese gewähren zu wollen. Selbst über den Anspruch auf das Mehr- und Überstundenentgelt[8] entscheidet der Arbeitgeber, weil er allein es ist, der die dem Entgelt zugrunde liegende Überstunde anzuordnen hat, zumal erst die Anordnung bestimmter Überstunden den Arbeitnehmer zu deren Erbringung verpflichtet[9] und der Arbeitnehmer mangels besonderer Vereinbarung kein Recht auf Überstundenarbeit hat.[10]
2. Leistungen Dritter als Entgelt
Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber oder einem Dritten erhält.[11] Nach der Judikatur des VwGH[12] kommt es für die Qualifikation einer Leistung Dritter als Entgelt darauf an, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Bezügen und „im (im Rahmen des) unselbständigen Beschäftigungsverhältnis(ses)“ erbrachten Leistungen der Arbeitnehmer besteht, dass die Leistungen mit den Bezügen „entgolten“ werden sollten. Der erwähnte kausale Zusammenhang zwischen den Dienstleistungen und den Bezügen ist somit am – unter Zugrundelegung des Parteiwillens zu beurteilenden – „Leistungsinteresse“ im oben dargelegten Sinn zu messen. Daraus folgt, dass Zuwendungen Dritter (nur) dann zum Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG gehören, wenn sie nach dem Parteiwillen Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen, die nicht nur Interessen des Dritten, sondern auch Interessen des Dienstgebers – bezogen auf den Betrieb seines Unternehmens – fördert.
Mit diesem Argument hat der VwGH[13] im Fall, in dem der Arbeitnehmer sowohl während der Dienstzeit in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers als auch „privat“ Anträge für den Abschluss von Bauspar- und Versicherungsverträgen für einen Dritten bearbeitet hatte, und in dem für die Abschlüsse dieser Verträge sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber Provisionen erhielten, die direkt auf das Konto des jeweiligen Arbeitnehmers bzw an Arbeitgeber überwiesen wurden, entschieden, dass es sich bei diesen Provisionen um eine (beitragspflichtige) Leistung Dritter aufgrund des Dienstverhältnisses handelt.

In einem anderen Fall[14] war der Arbeitnehmer vorerst nur als Lagerarbeiter tätig und begann dann allmählich, für den Arbeitgeber auch Autos zu verkaufen. Bei Anwachsen der Verkaufstätigkeit und des daraus erzielten Entgelts wurde für die Verkaufstätigkeit ein eigener Vertrag erstellt. Aus Gründen, die hier nicht zu erörtern sind, waren die Provisionen nicht als Entgelt „aus dem Dienstverhältnis“ (nämlich einem einheitlichen Dienstverhältnis oder zweier gleichzeitig bestehender Dienstverhältnisse) mit der Konsequenz einer Zusammenrechnung des Entgelts aus dem Beschäftigungsverhältnis als Lagerhalter und der Provision aus der Tätigkeit als Autovertreter zu behandeln. Ist aber weder von einer inhaltlichen noch einer zeitlichen Verschränkung der beiden aufgrund unterschiedlicher Verträge ausgeübter Tätigkeiten auszugehen, genügt – so der VwGH – auch nicht das zweifelsfrei bestehende Leistungsinteresse des Arbeitgebers an der Tätigkeit seines Arbeitnehmers als Autovertreter, um die dem Arbeitnehmer aufgrund der Vereinbarung zustehenden Provisionen als Entgelt unter dem Gesichtspunkt von Geldbezügen „auf Grund des Dienstverhältnisses“ (nämlich des Beschäftigungsverhältnisses als Lagerhalter) zu werten. Denn hierzu wäre neben diesem Interesse auch erforderlich, dass die nach dem Parteiwillen nur für die Tätigkeit als Autovertreter zustehenden Provisionen dennoch wegen ihres sachlichen oder zeitlichen Zusammenhangs mit der Tätigkeit als Lagerhalter auch als Gegenwert für die vom Arbeitgeber im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Leistungen zu werten wären.
In einem weiteren Fall[15] war in einer Krankenanstalt eine Sonderklasse eingerichtet, für deren Inanspruchnahme die Patienten Ärztehonorare gemäß dem Landesgesetz über Heil- und Pflegeanstalten zu bezahlen hatten. Dem Rechtsträger der Krankenanstalt gebührte für die Bereitstellung der Einrichtungen der Anstalt ein Anteil von mindestens 25 % des Ärztehonorars. Vom verbleibenden Anteil flossen auch den nachgeordneten Ärzten Anteile zu, die durch den Abteilungsleiter mit Zustimmung des Rechtsträgers der Krankenanstalt festzulegen waren. Da eine direkte Rechtsbeziehung zwischen dem Arzt und dem in der Sonderklasse untergebrachten Patienten nicht zulässig ist, interpretiert der VwGH diese Regelung dahingehend, dass diese auch nicht bestehen, sondern ein vom Sonderklassepatienten für die ärztliche Behandlung dem Rechtsträger der Krankenanstalt geschuldetes Entgelt vorliegt. Gibt der Träger der Krankenanstalt von diesem Entgelt Teile an Ärzte, die mit der Pflege der Patienten betraut waren, weiter, handelt es sich bei den weitergegebenen Beträgen bei den Bediensteten um Bezüge, die ihnen für ihre im Rahmen ihres Dienstverhältnisses geleisteten Dienste gewährt werden. Ausschlaggebend für den Entgeltcharakter ist somit, dass es sich bei den Bezügen um Gegenleistungen (des Dienstgebers oder eines Dritten) für „im unselbständigen Beschäftigungsverhältnis“ bzw „im Rahmen des Dienstverhältnisses“ erbrachte Arbeitsleistungen des Dienstnehmers handelt. Entscheidend ist daher, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Zahlungen und „im (Rahmen des) unselbständigen Beschäftigungsverhältnis(ses)“ erbrachten Leistungen der Dienstnehmer besteht, dass die Leistungen mit den Bezügen „entgolten“ werden sollten, wozu es in diesem Fall noch ergänzender Sachverhaltsfeststellungen bedurfte.
Allen drei genannten Entscheidungen des VwGH und auch jener zu Table-Tänzerinnen,[16] in der die Tänzerinnen Anspruch auf Getränkeprovisionen hatten und ihnen darüber hinaus bei Nichterreichen von zehn Tänzen pro Woche die Differenz auf diesen garantierten Mindestumsatz bezahlt wurde, ist gemeinsam, dass die Beitragspflicht des (mittelbar) beteiligten Arbeitgebers nur besteht, wenn dieser den Parteiwillen zum Ausdruck gebracht hat, dass die Leistungen Dritter der Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen. Somit sind Leistungen Dritter nur deshalb Entgelt, weil der beitragspflichtige Arbeitgeber willentlichen Einfluss auf solche Vereinbarungen genommen hat, die festlegen, unter welchen Bedingungen sein Arbeitnehmer diese erhält und wie sie zu berechnen sind.
Die Ansicht des OGH, wonach § 49 Abs 1 ASVG auch Trinkgelder unterliegen, zumal das Sozialversicherungsrecht in den Begriff des Entgelts auch Einkommen einbeziehe, das nicht Gegenstand des Dienstvertrags sei,[17] lässt sich mE nicht mit der Position des VwGH vereinbaren, wonach Zuwendungen Dritter nur als Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG gelten, wenn sie nach dem Willen der Parteien als Gegenleistung für eine vom Arbeit nehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung gedacht sind. Das ausdrückliche Abstellen auf den Parteiwillen impliziert, dass Trinkgeld nicht zwangsläufig als Entgelt nach dem ASVG zu betrachten ist, sondern nur, wenn dies dem Willen der Vertragspartner des Arbeitsvertrags entspricht.
R. Müller und Blume[18] sind der Ansicht, dass in Fällen, in denen der Dienstnehmer gegen den Dienstgeber im Zusammenhang mit Trinkgeldern keine Rechtsansprüche hat, wie zB auf (teilweisen) Ersatz entfallender Trinkgelder oder auf garantierte Mindestbeträge an Trinkgeldern, und bei Fehlen einer Pauschalierungsvereinbarung nach § 44 Abs 3 ASVG in die allgemeine Beitragsgrundlage eines Beitragszeitraums grundsätzlich nur Trinkgelder einzubeziehen sind, die ein Dienstnehmer „auf Grund des Dienstverhältnisses“ in diesem Beitragszeitraum von Dritten tatsächlich erhalten hat. Sie beziehen sich dabei auf die bereits besprochene Entscheidung des VwGH vom 17. 9. 1991, 90/08/0004, zum Abschluss von Bauspar- und Versicherungsverträgen, sowie auf jene vom 17.11.1992, 92/08/0060, in der ebenfalls nicht Trinkgeld, sondern die Beschäftigung einer Arztgattin als Ordinationsgehilfin in der Ordination ihres Ehemanns zu beurteilen war. Eine detaillierte Diskussion darüber, was die Rechtsprechung des VwGH als Leistung ansieht, die ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses von einem Dritten erhält, und ob Trinkgeld die in der Rechtsprechung genannten Kriterien uneingeschränkt erfüllt oder differenziert werden muss, sodass Trinkgeld nicht grundsätzlich, sondern nur bei bestimmten Voraussetzungen Entgelt ist, wurde bislang nicht geführt.
3. Trinkgeld
Ausgehend davon, dass Entgelt etwas ist, bei dem aufgrund des zugrunde liegenden Parteiwillens der Arbeitgeber (mit)entscheidet, ob der Arbeitnehmer die Leistung erhalten soll bzw nach welchen Kriterien sich deren Höhe bestimmt, ist zu fragen, ob das Trinkgeld diesen Anforderungen entspricht.
Tomandl[19] weist schon im Jahr 1985 darauf hin, dass die damals hM lediglich aus dem Umstand, dass Trinkgelder freiwillig von den Gästen selbst gewährt werden und sofort ins Eigentum des Bedienungspersonals übergehen, somit nicht dem Arbeitgeber zustehen, zwar Einkommen des Arbeitnehmers, nicht aber Lohn oder Entgelt sind. Tomandl hebt hervor, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer lediglich gestattet, für die Erfüllung seiner Verpflichtungen auch von den Kunden Belohnungen anzunehmen, sofern diese solche aus freien Stücken geben. Der Arbeitgeber verpflichtet sich zu nichts, er trifft auch keinerlei Zusatzabreden gegenüber gleichartigen Arbeitsverträgen in anderen Bereichen, in denen keine Trinkgelder anfallen. Die Chance auf Trinkgeld mag zwar manche Arbeitnehmer bewegen, dieses Dienstverhältnis aufzunehmen, sie können aber mangels einer derartigen Verpflichtung vom Arbeitgeber weder verlangen, dass er enttäuschte Trinkgelderwartungen vergütet, noch dass er für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer an der Dienstleistung verhindert ist, ein Äquivalent für Trinkgelder erbringt. Tomandl schließt mit der Bemerkung, dass er weder Trinkgelder noch die Gelegenheit zum Trinkgeldbezug als Entgelt im engeren arbeitsrechtlichen Sinn ansieht, weil es an jeder vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers mangelt.
Jüngst hat Neumann darauf hingewiesen, dass für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge entsprechend dem Anspruchsprinzip nur maßgeblich ist, ob der Anspruch besteht. Das Zuflussprinzip hingegen, so Neumann, umfasse auch sämtliche zusätzlichen Zahlungen, die der Dienstnehmer über den arbeitsrechtlichen Anspruch hinaus erhält. Es kann sich hierbei sowohl um Leistungen des Dienstgebers als auch um solche von Dritten handeln; allerdings muss ein kausaler Zusammenhang zum Beschäftigungsverhältnis bestehen. Geldbezüge, die der Dienstnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses von Dritten erhält, sind nach Neumann zB Trinkgelder, und er ergänzt, dass es im Lohnsteuerrecht kein Anspruchsprinzip gibt, die Lohnsteuer also ausschließlich auf Basis von tatsächlich zugeflossenen Beträgen zu berechnen ist.[20]
Damit steht fest: Trinkgeld ist eine Zahlung Dritter an den Arbeitnehmer, auf die der Arbeitgeber keinen Einfluss nehmen kann, und deren Qualifikation als Entgelt und somit als Beitragsgrundlage für Sozialversicherungsbeiträge nach dem ASVG Pflichten des Arbeitgebers begründen würde, für die er einzustehen hätte, obwohl er sie nicht verantwortet hat. Dies ist mE der innere Grund dafür, Trinkgelder, die Arbeitnehmer von Gästen oder Kunden des Arbeitgebers erhalten, nicht als Leistung aus dem Dienstverhältnis anzusehen und auch nicht als Entgelt zu behandeln. Der Arbeitgeber ist nämlich in Bezug auf das Trinkgeld nicht „Herr des Entgelts“, zumal er keine Entscheidung über den Rechtsanspruch auf Zahlung und auch keine über deren Höhe bzw über die Berechnungsgrundlagen für diese trifft.
Pfeil[21] ist der Ansicht, dass Trinkgelder sozialversicherungsrechtlich eindeutig zum Entgelt des Dienstnehmers zählen, es allerdings sehr schwierig sei, deren Höhe im Einzelfall zu ermitteln. Beruht also die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für Trinkgelder auf dem Ermittlungsgeschick handelnder Personen?
Nach R. Müller fließt Trinkgeld, das vom Gast freiwillig gewährt wird, als belohnende Schenkung direkt dem Dienstnehmer zu. Trinkgeld ist daher insoweit auch sozialversicherungsrechtlich nicht Teil des Anspruchslohns; es ist aber im Umfang des tatsächlichen Zufließens als laufendes Entgelt beitragspflichtig.[22] Warum aber etwas (hier: das Trinkgeld), worauf der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat und demgemäß das im Sozialversicherungsrecht geltende Anspruchsprinzip nicht zum Tragen kommt, infolge des bloßen tatsächlichen Zufließens beitragspflichtig wird, begründet er nicht.[23]
R. Müller meint weiters, dass in Fällen, in denen der Dienstnehmer gegen den Dienstgeber im Zusammenhang mit Trinkgeldern keine Rechtsansprüche hat, wie zB auf (teilweisen) Ersatz entfallender Trinkgelder oder auf garantierte Mindestbeträge an Trinkgeldern, und bei Fehlen einer Pauschalierungsvereinbarung nach § 44 Abs 3 ASVG in die allgemeine Beitragsgrundlage eines Beitragszeitraums grundsätzlich nur Trinkgelder einzubeziehen sind, die ein Dienstnehmer „auf Grund des Dienstverhältnisses“ in diesem Beitragszeitraum von Dritten tatsächlich erhalten hat.[24] Trinkgeld also, das vom Gast freiwillig gewährt wird und als belohnende Schenkung direkt dem Dienstnehmer zufließt, kann mE daher schon deshalb nicht beitragspflichtig sein, weil dabei der Dienstnehmer gegen den Dienstgeber im Zusammenhang mit Trinkgeldern keine Rechtsansprüche hat. Die belohnende Schenkung ist aber auch nicht Trinkgeld, das ein Dienstnehmer „auf Grund des Dienstverhältnisses“ von Dritten tatsächlich erhalten hat. Jedenfalls ist dies bislang nicht durch höchstgerichtliche Entscheidungen festgestellt. Und auch nach den Kriterien, die für die Beurteilung von Leistungen Dritter als Entgelt herangezogen werden, ergibt sich mE nicht, dass Trinkgeld dieser Art beitragspflichtig wäre.
Ferner ist nicht davon auszugehen, dass nach dem Gesetz der Inhalt des Arbeitsvertrags nicht nur von den Vertragspartnern, sondern auch von unbeteiligten Dritten, selbst gegen den Willen der Vertragspartner, abgeändert werden kann. Inhalt des Arbeitsvertrags ist nämlich nicht bloß das synallagmatische Austauschverhältnis von Arbeitsleistung und Entgelt. Die dabei bestehende Autonomie des Arbeitgebers bei der inhaltlichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ist aber nur durch arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zugunsten des Arbeitnehmers, nicht aber durch das Anspruchsprinzip des Sozialversicherungsrechts begrenzt, zumal dieses selbst auf arbeitsrechtliche Ansprüche rekurriert. Diese Autonomie greift auch im Beitragsrecht, so etwa bei vollversicherten Teilzeitbeschäftigten, deren Zuverdienst die Grenze für das Weiterbestehen des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld nicht übersteigt[25] und zB auch bei der geringfügigen Beschäftigung von Beziehern einer Korridorpension, wonach das Ausmaß der vereinbarten (und der der Vereinbarung entsprechenden tatsächlichen) Arbeitsleistung nicht dazu führt, dass das Entgelt die Höhe der Geringfügigkeitsgrenze überschreitet und das Ruhen der Korridorpension bewirkt.[26]
Bei Betrachtung des Trinkgelds als Entgelt wären das vereinbarte Entgelt und das Trinkgeld für die Bemessung der Beitragsgrundlage zusammenzurechnen, was bei entsprechender Höhe des Trinkgelds die Abänderung der das Sozialversicherungsverhältnis betreffenden Inhalte des Dienstverhältnisses zu Folge hätte. Die Zulässigkeit von (Vertrags-)Änderungen (des Versicherungsverhältnisses) dieser Art durch unbeteiligte Dritte infolge ihrer Zahlungen ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen.
Auf den Umstand, dass Trinkgelder bei Barzahlung durch den Kunden des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer weder dem Arbeitgeber noch dem Sozialversicherungsträger bekannt werden, und dies bei Zahlung mit Bankomat- oder Kreditkarte anders ist, kommt es nicht an. Bei den letztgenannten Zahlungsarten setzt der Arbeitgeber bei einer Weiterleitung von Geldbeträgen an den Arbeitnehmer nur um, was ein anderer, nämlich der Kunde des Arbeitgebers, entschieden hat, und trifft keine eigenen Entscheidungen. Es macht daher keinen Unterschied, ob dem Taxifahrer oder der Friseurin das Trinkgeld im barem Geld vom Kunden des Arbeitgebers ausgehändigt wird oder der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Betrag weiterleitet, der bei Zahlung mit Bankomat- oder Kreditkarte als Trinkgeld ausgewiesen und dem Arbeitnehmer zugeordnet ist. Gleiches gilt unter diesen oder vergleichbaren Bedingungen in der Gastronomie. In all diesen Fällen ist das Trinkgeld kein Entgelt iSd ASVG. Diese Ansicht wird durch die Regelungen zur Trinkgeldpauschale gestützt.
4. Trinkgeldpauschale
Nach § 44 Abs 3 ASVG kann der Versicherungsträger nach Anhörung der in Betracht kommenden Interessenvertretungen der Dienstnehmer und -geber festsetzen, dass bei bestimmten Gruppen von Versicherten, die üblicherweise Trinkgelder erhalten, diese Trinkgelder der Bemessung der Beiträge pauschaliert zugrunde zu legen sind.
In der Entscheidung des VwGH vom 21. 9. 1993, 92/08/0064 wurde beanstandet, dass § 44 Abs 3 ASVG nicht dazu herangezogen werden dürfe, den Entgeltbegriff des ASVG zu erweitern, also Beträge, die nicht beitragspflichtiges Entgelt sind, dennoch in die Beitragsgrundlage einzubeziehen. Dies aber geschieht durch eine nach § 44 Abs 3 ASVG erlassene Pauschalierungs-VO. Trinkgelder können eben, weil sie von Fall zu Fall bloß freiwillig gewährt werden und – wie bereits argumentiert – kein Entgelt sind, daher auch nur pauschaliert und infolge einer entsprechenden Rechtsgrundlage, also infolge der Pauschalierungs-VO der Bemessung der Beiträge zugrunde gelegt werden. Dies wird auch aus § 44 ASVG systematisch deutlich. Nach § 44 Abs 1 Z 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge das Entgelt und – wie dieser Beitrag argumentiert – daher grundsätzlich nicht das Trinkgeld. Das Trinkgeld ist nur dann zusätzlich zum Entgelt Beitragsgrundlage, wenn eine Trinkgeldpauschale dies so festsetzt, was auch einer Rechtsordnung entspricht, deren Aufgabe es ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Rechtsunterworfen vorhersehbar zu gestalten.
Bestimmungen in einer Trinkgeldpauschale, die hingegen festlegen, dass abweichend von den angeführten Pauschalbeträgen die Höhe der tatsächlich zugeflossenen Trinkgelder in die Beitragsgrundlage einfließt,[27] sind rechtswidrig, weil Trinkgeld kein Entgelt ist und die Verordnung zur Trinkgeldpauschale damit ihre gesetzlich eingeräumte Kompetenz überschreitet, zumal sie nur Pauschalen festlegen und sonst keine anderen Regelungen treffen darf. An dieser Ansicht ändert auch § 42 Abs 3 letzter Satz ASVG nichts, der bestimmt, dass der Versicherungsträger insbesondere die Höhe von Trinkgeldern, wenn solche in gleichartigen oder ähnlichen Betrieben üblich sind, anhand von Schätzwerten ermitteln kann, weil es sich dabei um eine Regelung handelt, die die Auskünfte zwischen Versicherungsträgern und Dienstgebern regelt, und nicht um eine Bestimmung, die festlegt, dass Trinkgeld jedenfalls Entgelt ist, sondern dessen Entgeltcharakter, der anhand anderer Bestimmungen zu beurteilen ist, voraussetzt.
5. Exkurs: Das Tronc-System
Das Tronc-System ist dadurch geprägt, dass die Einnahmen durch den Tronc die einzigen Einkünfte des Personals sind und der Arbeitgeber grundsätzlich von der Pflicht, die Arbeitnehmer zu vergüten, freigestellt ist. Diesem System entspricht es wohl, wenn, wie in der Entscheidung des VwGH vom 4. 6. 2008, 2007/08/0179, Table-Tänzerinnen verpflichtet sind, sich während der Betriebszeiten in einem Lokal einzufinden und dort durch ihre Tätigkeit für einen Gästezustrom sowie einen entsprechenden Getränkekonsum zu sorgen und für diese Tätigkeit Anspruch auf Getränkeprovisionen haben, auch wenn ihnen bei Nichterreichen von zehn Tänzen pro Woche die Differenz auf einen garantierten Mindestumsatz bezahlt wurde.[28] Im Tronc-System ist somit nicht der Arbeitgeber, sondern der mit dem Unternehmen erzielte Umsatz „Herr des Entgelts“. Wer dieses System wählt, überlässt die Entgeltgestaltung ausschließlich dem Umsatz, was dazu führen kann, dass Zuverdienstgrenzen, etwa bei Kinderbetreuungsgeld beziehenden Erwerbstätigen, oder die Höhe der Geringfügigkeitsgrenze, so etwa bei Korridorpension beziehenden Erwerbstätigen, überschritten werden.
Auf den Punkt gebracht
Trinkgeld ist kein Entgelt iSd § 49 ASVG. Entgelt ist nur, was der Arbeitnehmer nach dem Willen der Parteien für seine Arbeitsleistung erhalten soll und worauf der Arbeitgeber einen bestimmenden Einfluss hat, der es rechtfertigt, die dem Arbeitnehmer zufließenden Leistungen als Entgelt zu qualifizieren. Dies ist beim Trinkgeld nicht gegeben. Nur die Trinkgeldpauschale begründet, wenn sie Pauschbeträge festsetzt, eine zusätzliche und als Trinkgeld bezeichnete Beitragsgrundlage, was aber aufgrund der damit verbundenen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht zu beanstanden ist.
Peter Maska
Mag. Peter Maska ist Mitarbeiter der Rechts- und Wettbewerbspolitik der Wirtschaftskammer Wien.
Fundstelle(n):
ASoK 2025, 169
HAAAF-80901
1„Jetzt das Richtige tun. Für Österreich – Regierungsprogramm 2025-2029“(2025) 28, abrufbar unter https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:8d78b028-70ba-4f60-a96e-2fca7324fd03/Regierungsprogramm_2025-2029.pdf (Zugriff am 3.4.2025); zum Tronc-System siehe Wikipedia.com.
2§ 51 Abs 1 Z 2 ASVG.
3§ 51 Abs 3 Z 1 lit b und 2 ASVG.
4Blumein Sonntag, ASVG15 (2024) § 49 Rz 1; VwGH 29. 10. 2008, 2005/08/0218.
5Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 56.
6Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 68.
7Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 73.
8Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 57.
9Schrank, Arbeitszeit7 (2023) § 6 AZG Rz 30.
10§ 6 Abs 2 AZG; Schrank, Arbeitszeit7, § 6 AZG Rz 33.
11§ 49 Abs 1 ASVG.
12VwGH 17. 9. 1991, 90/08/0004.
13VwGH 17. 9. 1991, 90/08/0004.
14VwGH 15. 12. 1992, 91/08/0077.
15VwGH 15. 12. 1992, 95/08/0052.
16VwGH 4. 6. 2008, 2007/08/0179.
17OGH 11. 1. 1995, 9 ObA 249/94.
18R. Müllerin Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, § 49 ASVG Rz 31 (Stand 1.8.2024, rdb.at); Blume in Sonntag, ASVG15, § 42 Rz 7.
19Tomandl, ZAS 1985, 106.
20Neumann, Der Abgaben- und Beitragsdschungel der Benefits für Mitarbeiter, ZAS 2024, 245 (246).
21Pfeilin Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, § 44 ASVG Rz 19 (Stand 1.8.2024, rdb.at).
22R. Müllerin Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm, § 49 ASVG, Rz 30/1.
23Siehe dazu Neumann, ZAS 2024, 245 (246).
24R. Müllerin Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm, § 49 ASVG Rz 31.
25§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG.
26§ 9 Abs 1 APG.
27So jedenfalls § 4 der avsv 79/ 2015 der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zur Festsetzung eines Trinkgeldpauschales für das Hotel- und Gastgewerbe sowie Art IV Abs 2 der avsv 133/2018 der Salzburger Gebietskrankenkasse zur Festsetzung von Trinkgeldpauschalen im Hotel- und Gastgewerbe, aber auch Art III der avsv 24/2006 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Festsetzung von Pauschalbeträgen für Trinkgelder (Trinkgeldpauschale) im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe sowie Art II der avsv 88/2005 der Tiroler Gebietskrankenkasse zur Festsetzung von Trinkgeldpauschalen im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe.
28VwGH 4. 6. 2008, 2007/08/0179.
Warum das Trinkgeld kein Entgelt iSd ASVG ist
Peter Maska *
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm unter dem Punkt „Trinkgeldregelungen“ die Evaluierung und praxistaugliche Ausgestaltung der Bestimmungen für die Trinkgeldpauschale inklusive Tronc-Systeme zum Ziel gesetzt.[1] Die Absicht zur Evaluierung lässt vermuten, dass der Bundesregierung die aktuelle Regelung nicht passend erscheint. Das Bestreben nach einer praxistauglichen Ausgestaltung der Regelungen lässt erkennen, dass über deren Inhalt Unklarheiten bestehen. Dieser Beitrag geht dem Inhalt der aktuellen Regelung nach.
1. Grundlegendes
Die nachvollziehbare Kalkulation von Kosten ist die Grundlage unternehmerischer Tätigkeit. Das zu regeln, ist Aufgabe der Rechtsordnung. Der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer beschäftigt, vereinbart mit diesem das für die Arbeitsleistung zustehende Entgelt, für dessen Bemessung der in aller Regel anzuwendende Kollektivvertrag zugrunde zu legen ist und kalkuliert bei der Festlegung des Entgelts auch die Dienstgeberabgaben. Zu diesen gehören der Unfallversicherungsbeitrag[2] sowie die Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung[3] nach dem ASVG.
Es gilt der Grundsatz, dass jede Zahlung an den Dienstnehmer, die aufgrund eines Dienstverhältnisses aus welchen Gründen immer (auch ohne Rechtsanspruch) tatsächlich geleistet wird, im Sinne der Sozialversicherung beitragspflichtiges Entgelt darstellt, sofern nicht eine Ausnahme von der Beitragspflicht vorliegt.[4] Die Frage, ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer Zahlungen infolge von Arbeitsleistungen erhält, entscheidet der Arbeitgeber, zumal er mit dem Arbeitnehmer die Entgeltvereinbarung trifft. Dies gilt jedenfalls für den Monatslohn bzw das Monatsgehalt für die Normalarbeitszeit sowie für Prämien und Zulagen, die funktionsgebunden sind.[5]
Auch Umsatzprovisionen, deren Entstehen meist nicht allein von der Tätigung laufender Umsätze, sondern auch von der Erfüllung weiterer Bedingungen abhängig ist, sind Entgelt[6] und beruhen auf der zugrunde liegenden Provisionsvereinbarung. Ferner sind Prämien, die der Arbeitgeber wegen bestimmter Tätigkeiten und für deren Dauer dem Arbeitnehmer gewährt, wenn auch freiwillig und diese somit zum Entgelt zählen,[7] von dessen Entscheidung abhängig, diese gewähren zu wollen. Selbst über den Anspruch auf das Mehr- und Überstundenentgelt[8] entscheidet der Arbeitgeber, weil er allein es ist, der die dem Entgelt zugrunde liegende Überstunde anzuordnen hat, zumal erst die Anordnung bestimmter Überstunden den Arbeitnehmer zu deren Erbringung verpflichtet[9] und der Arbeitnehmer mangels besonderer Vereinbarung kein Recht auf Überstundenarbeit hat.[10]
2. Leistungen Dritter als Entgelt
Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber oder einem Dritten erhält.[11] Nach der Judikatur des VwGH[12] kommt es für die Qualifikation einer Leistung Dritter als Entgelt darauf an, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Bezügen und „im (im Rahmen des) unselbständigen Beschäftigungsverhältnis(ses)“ erbrachten Leistungen der Arbeitnehmer besteht, dass die Leistungen mit den Bezügen „entgolten“ werden sollten. Der erwähnte kausale Zusammenhang zwischen den Dienstleistungen und den Bezügen ist somit am – unter Zugrundelegung des Parteiwillens zu beurteilenden – „Leistungsinteresse“ im oben dargelegten Sinn zu messen. Daraus folgt, dass Zuwendungen Dritter (nur) dann zum Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG gehören, wenn sie nach dem Parteiwillen Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen, die nicht nur Interessen des Dritten, sondern auch Interessen des Dienstgebers – bezogen auf den Betrieb seines Unternehmens – fördert.
Mit diesem Argument hat der VwGH[13] im Fall, in dem der Arbeitnehmer sowohl während der Dienstzeit in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers als auch „privat“ Anträge für den Abschluss von Bauspar- und Versicherungsverträgen für einen Dritten bearbeitet hatte, und in dem für die Abschlüsse dieser Verträge sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber Provisionen erhielten, die direkt auf das Konto des jeweiligen Arbeitnehmers bzw an Arbeitgeber überwiesen wurden, entschieden, dass es sich bei diesen Provisionen um eine (beitragspflichtige) Leistung Dritter aufgrund des Dienstverhältnisses handelt.
In einem anderen Fall[14] war der Arbeitnehmer vorerst nur als Lagerarbeiter tätig und begann dann allmählich, für den Arbeitgeber auch Autos zu verkaufen. Bei Anwachsen der Verkaufstätigkeit und des daraus erzielten Entgelts wurde für die Verkaufstätigkeit ein eigener Vertrag erstellt. Aus Gründen, die hier nicht zu erörtern sind, waren die Provisionen nicht als Entgelt „aus dem Dienstverhältnis“ (nämlich einem einheitlichen Dienstverhältnis oder zweier gleichzeitig bestehender Dienstverhältnisse) mit der Konsequenz einer Zusammenrechnung des Entgelts aus dem Beschäftigungsverhältnis als Lagerhalter und der Provision aus der Tätigkeit als Autovertreter zu behandeln. Ist aber weder von einer inhaltlichen noch einer zeitlichen Verschränkung der beiden aufgrund unterschiedlicher Verträge ausgeübter Tätigkeiten auszugehen, genügt – so der VwGH – auch nicht das zweifelsfrei bestehende Leistungsinteresse des Arbeitgebers an der Tätigkeit seines Arbeitnehmers als Autovertreter, um die dem Arbeitnehmer aufgrund der Vereinbarung zustehenden Provisionen als Entgelt unter dem Gesichtspunkt von Geldbezügen „auf Grund des Dienstverhältnisses“ (nämlich des Beschäftigungsverhältnisses als Lagerhalter) zu werten. Denn hierzu wäre neben diesem Interesse auch erforderlich, dass die nach dem Parteiwillen nur für die Tätigkeit als Autovertreter zustehenden Provisionen dennoch wegen ihres sachlichen oder zeitlichen Zusammenhangs mit der Tätigkeit als Lagerhalter auch als Gegenwert für die vom Arbeitgeber im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Leistungen zu werten wären.
In einem weiteren Fall[15] war in einer Krankenanstalt eine Sonderklasse eingerichtet, für deren Inanspruchnahme die Patienten Ärztehonorare gemäß dem Landesgesetz über Heil- und Pflegeanstalten zu bezahlen hatten. Dem Rechtsträger der Krankenanstalt gebührte für die Bereitstellung der Einrichtungen der Anstalt ein Anteil von mindestens 25 % des Ärztehonorars. Vom verbleibenden Anteil flossen auch den nachgeordneten Ärzten Anteile zu, die durch den Abteilungsleiter mit Zustimmung des Rechtsträgers der Krankenanstalt festzulegen waren. Da eine direkte Rechtsbeziehung zwischen dem Arzt und dem in der Sonderklasse untergebrachten Patienten nicht zulässig ist, interpretiert der VwGH diese Regelung dahingehend, dass diese auch nicht bestehen, sondern ein vom Sonderklassepatienten für die ärztliche Behandlung dem Rechtsträger der Krankenanstalt geschuldetes Entgelt vorliegt. Gibt der Träger der Krankenanstalt von diesem Entgelt Teile an Ärzte, die mit der Pflege der Patienten betraut waren, weiter, handelt es sich bei den weitergegebenen Beträgen bei den Bediensteten um Bezüge, die ihnen für ihre im Rahmen ihres Dienstverhältnisses geleisteten Dienste gewährt werden. Ausschlaggebend für den Entgeltcharakter ist somit, dass es sich bei den Bezügen um Gegenleistungen (des Dienstgebers oder eines Dritten) für „im unselbständigen Beschäftigungsverhältnis“ bzw „im Rahmen des Dienstverhältnisses“ erbrachte Arbeitsleistungen des Dienstnehmers handelt. Entscheidend ist daher, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Zahlungen und „im (Rahmen des) unselbständigen Beschäftigungsverhältnis(ses)“ erbrachten Leistungen der Dienstnehmer besteht, dass die Leistungen mit den Bezügen „entgolten“ werden sollten, wozu es in diesem Fall noch ergänzender Sachverhaltsfeststellungen bedurfte.
Allen drei genannten Entscheidungen des VwGH und auch jener zu Table-Tänzerinnen,[16] in der die Tänzerinnen Anspruch auf Getränkeprovisionen hatten und ihnen darüber hinaus bei Nichterreichen von zehn Tänzen pro Woche die Differenz auf diesen garantierten Mindestumsatz bezahlt wurde, ist gemeinsam, dass die Beitragspflicht des (mittelbar) beteiligten Arbeitgebers nur besteht, wenn dieser den Parteiwillen zum Ausdruck gebracht hat, dass die Leistungen Dritter der Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen. Somit sind Leistungen Dritter nur deshalb Entgelt, weil der beitragspflichtige Arbeitgeber willentlichen Einfluss auf solche Vereinbarungen genommen hat, die festlegen, unter welchen Bedingungen sein Arbeitnehmer diese erhält und wie sie zu berechnen sind.
Die Ansicht des OGH, wonach § 49 Abs 1 ASVG auch Trinkgelder unterliegen, zumal das Sozialversicherungsrecht in den Begriff des Entgelts auch Einkommen einbeziehe, das nicht Gegenstand des Dienstvertrags sei,[17] lässt sich mE nicht mit der Position des VwGH vereinbaren, wonach Zuwendungen Dritter nur als Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG gelten, wenn sie nach dem Willen der Parteien als Gegenleistung für eine vom Arbeit nehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung gedacht sind. Das ausdrückliche Abstellen auf den Parteiwillen impliziert, dass Trinkgeld nicht zwangsläufig als Entgelt nach dem ASVG zu betrachten ist, sondern nur, wenn dies dem Willen der Vertragspartner des Arbeitsvertrags entspricht.
R. Müller und Blume[18] sind der Ansicht, dass in Fällen, in denen der Dienstnehmer gegen den Dienstgeber im Zusammenhang mit Trinkgeldern keine Rechtsansprüche hat, wie zB auf (teilweisen) Ersatz entfallender Trinkgelder oder auf garantierte Mindestbeträge an Trinkgeldern, und bei Fehlen einer Pauschalierungsvereinbarung nach § 44 Abs 3 ASVG in die allgemeine Beitragsgrundlage eines Beitragszeitraums grundsätzlich nur Trinkgelder einzubeziehen sind, die ein Dienstnehmer „auf Grund des Dienstverhältnisses“ in diesem Beitragszeitraum von Dritten tatsächlich erhalten hat. Sie beziehen sich dabei auf die bereits besprochene Entscheidung des VwGH vom 17. 9. 1991, 90/08/0004, zum Abschluss von Bauspar- und Versicherungsverträgen, sowie auf jene vom 17.11.1992, 92/08/0060, in der ebenfalls nicht Trinkgeld, sondern die Beschäftigung einer Arztgattin als Ordinationsgehilfin in der Ordination ihres Ehemanns zu beurteilen war. Eine detaillierte Diskussion darüber, was die Rechtsprechung des VwGH als Leistung ansieht, die ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses von einem Dritten erhält, und ob Trinkgeld die in der Rechtsprechung genannten Kriterien uneingeschränkt erfüllt oder differenziert werden muss, sodass Trinkgeld nicht grundsätzlich, sondern nur bei bestimmten Voraussetzungen Entgelt ist, wurde bislang nicht geführt.
3. Trinkgeld
Ausgehend davon, dass Entgelt etwas ist, bei dem aufgrund des zugrunde liegenden Parteiwillens der Arbeitgeber (mit)entscheidet, ob der Arbeitnehmer die Leistung erhalten soll bzw nach welchen Kriterien sich deren Höhe bestimmt, ist zu fragen, ob das Trinkgeld diesen Anforderungen entspricht.
Tomandl[19] weist schon im Jahr 1985 darauf hin, dass die damals hM lediglich aus dem Umstand, dass Trinkgelder freiwillig von den Gästen selbst gewährt werden und sofort ins Eigentum des Bedienungspersonals übergehen, somit nicht dem Arbeitgeber zustehen, zwar Einkommen des Arbeitnehmers, nicht aber Lohn oder Entgelt sind. Tomandl hebt hervor, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer lediglich gestattet, für die Erfüllung seiner Verpflichtungen auch von den Kunden Belohnungen anzunehmen, sofern diese solche aus freien Stücken geben. Der Arbeitgeber verpflichtet sich zu nichts, er trifft auch keinerlei Zusatzabreden gegenüber gleichartigen Arbeitsverträgen in anderen Bereichen, in denen keine Trinkgelder anfallen. Die Chance auf Trinkgeld mag zwar manche Arbeitnehmer bewegen, dieses Dienstverhältnis aufzunehmen, sie können aber mangels einer derartigen Verpflichtung vom Arbeitgeber weder verlangen, dass er enttäuschte Trinkgelderwartungen vergütet, noch dass er für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer an der Dienstleistung verhindert ist, ein Äquivalent für Trinkgelder erbringt. Tomandl schließt mit der Bemerkung, dass er weder Trinkgelder noch die Gelegenheit zum Trinkgeldbezug als Entgelt im engeren arbeitsrechtlichen Sinn ansieht, weil es an jeder vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers mangelt.
Jüngst hat Neumann darauf hingewiesen, dass für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge entsprechend dem Anspruchsprinzip nur maßgeblich ist, ob der Anspruch besteht. Das Zuflussprinzip hingegen, so Neumann, umfasse auch sämtliche zusätzlichen Zahlungen, die der Dienstnehmer über den arbeitsrechtlichen Anspruch hinaus erhält. Es kann sich hierbei sowohl um Leistungen des Dienstgebers als auch um solche von Dritten handeln; allerdings muss ein kausaler Zusammenhang zum Beschäftigungsverhältnis bestehen. Geldbezüge, die der Dienstnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses von Dritten erhält, sind nach Neumann zB Trinkgelder, und er ergänzt, dass es im Lohnsteuerrecht kein Anspruchsprinzip gibt, die Lohnsteuer also ausschließlich auf Basis von tatsächlich zugeflossenen Beträgen zu berechnen ist.[20]
Damit steht fest: Trinkgeld ist eine Zahlung Dritter an den Arbeitnehmer, auf die der Arbeitgeber keinen Einfluss nehmen kann, und deren Qualifikation als Entgelt und somit als Beitragsgrundlage für Sozialversicherungsbeiträge nach dem ASVG Pflichten des Arbeitgebers begründen würde, für die er einzustehen hätte, obwohl er sie nicht verantwortet hat. Dies ist mE der innere Grund dafür, Trinkgelder, die Arbeitnehmer von Gästen oder Kunden des Arbeitgebers erhalten, nicht als Leistung aus dem Dienstverhältnis anzusehen und auch nicht als Entgelt zu behandeln. Der Arbeitgeber ist nämlich in Bezug auf das Trinkgeld nicht „Herr des Entgelts“, zumal er keine Entscheidung über den Rechtsanspruch auf Zahlung und auch keine über deren Höhe bzw über die Berechnungsgrundlagen für diese trifft.
Pfeil[21] ist der Ansicht, dass Trinkgelder sozialversicherungsrechtlich eindeutig zum Entgelt des Dienstnehmers zählen, es allerdings sehr schwierig sei, deren Höhe im Einzelfall zu ermitteln. Beruht also die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für Trinkgelder auf dem Ermittlungsgeschick handelnder Personen?
Nach R. Müller fließt Trinkgeld, das vom Gast freiwillig gewährt wird, als belohnende Schenkung direkt dem Dienstnehmer zu. Trinkgeld ist daher insoweit auch sozialversicherungsrechtlich nicht Teil des Anspruchslohns; es ist aber im Umfang des tatsächlichen Zufließens als laufendes Entgelt beitragspflichtig.[22] Warum aber etwas (hier: das Trinkgeld), worauf der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat und demgemäß das im Sozialversicherungsrecht geltende Anspruchsprinzip nicht zum Tragen kommt, infolge des bloßen tatsächlichen Zufließens beitragspflichtig wird, begründet er nicht.[23]
R. Müller meint weiters, dass in Fällen, in denen der Dienstnehmer gegen den Dienstgeber im Zusammenhang mit Trinkgeldern keine Rechtsansprüche hat, wie zB auf (teilweisen) Ersatz entfallender Trinkgelder oder auf garantierte Mindestbeträge an Trinkgeldern, und bei Fehlen einer Pauschalierungsvereinbarung nach § 44 Abs 3 ASVG in die allgemeine Beitragsgrundlage eines Beitragszeitraums grundsätzlich nur Trinkgelder einzubeziehen sind, die ein Dienstnehmer „auf Grund des Dienstverhältnisses“ in diesem Beitragszeitraum von Dritten tatsächlich erhalten hat.[24] Trinkgeld also, das vom Gast freiwillig gewährt wird und als belohnende Schenkung direkt dem Dienstnehmer zufließt, kann mE daher schon deshalb nicht beitragspflichtig sein, weil dabei der Dienstnehmer gegen den Dienstgeber im Zusammenhang mit Trinkgeldern keine Rechtsansprüche hat. Die belohnende Schenkung ist aber auch nicht Trinkgeld, das ein Dienstnehmer „auf Grund des Dienstverhältnisses“ von Dritten tatsächlich erhalten hat. Jedenfalls ist dies bislang nicht durch höchstgerichtliche Entscheidungen festgestellt. Und auch nach den Kriterien, die für die Beurteilung von Leistungen Dritter als Entgelt herangezogen werden, ergibt sich mE nicht, dass Trinkgeld dieser Art beitragspflichtig wäre.
Ferner ist nicht davon auszugehen, dass nach dem Gesetz der Inhalt des Arbeitsvertrags nicht nur von den Vertragspartnern, sondern auch von unbeteiligten Dritten, selbst gegen den Willen der Vertragspartner, abgeändert werden kann. Inhalt des Arbeitsvertrags ist nämlich nicht bloß das synallagmatische Austauschverhältnis von Arbeitsleistung und Entgelt. Die dabei bestehende Autonomie des Arbeitgebers bei der inhaltlichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ist aber nur durch arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zugunsten des Arbeitnehmers, nicht aber durch das Anspruchsprinzip des Sozialversicherungsrechts begrenzt, zumal dieses selbst auf arbeitsrechtliche Ansprüche rekurriert. Diese Autonomie greift auch im Beitragsrecht, so etwa bei vollversicherten Teilzeitbeschäftigten, deren Zuverdienst die Grenze für das Weiterbestehen des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld nicht übersteigt[25] und zB auch bei der geringfügigen Beschäftigung von Beziehern einer Korridorpension, wonach das Ausmaß der vereinbarten (und der der Vereinbarung entsprechenden tatsächlichen) Arbeitsleistung nicht dazu führt, dass das Entgelt die Höhe der Geringfügigkeitsgrenze überschreitet und das Ruhen der Korridorpension bewirkt.[26]
Bei Betrachtung des Trinkgelds als Entgelt wären das vereinbarte Entgelt und das Trinkgeld für die Bemessung der Beitragsgrundlage zusammenzurechnen, was bei entsprechender Höhe des Trinkgelds die Abänderung der das Sozialversicherungsverhältnis betreffenden Inhalte des Dienstverhältnisses zu Folge hätte. Die Zulässigkeit von (Vertrags-)Änderungen (des Versicherungsverhältnisses) dieser Art durch unbeteiligte Dritte infolge ihrer Zahlungen ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen.
Auf den Umstand, dass Trinkgelder bei Barzahlung durch den Kunden des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer weder dem Arbeitgeber noch dem Sozialversicherungsträger bekannt werden, und dies bei Zahlung mit Bankomat- oder Kreditkarte anders ist, kommt es nicht an. Bei den letztgenannten Zahlungsarten setzt der Arbeitgeber bei einer Weiterleitung von Geldbeträgen an den Arbeitnehmer nur um, was ein anderer, nämlich der Kunde des Arbeitgebers, entschieden hat, und trifft keine eigenen Entscheidungen. Es macht daher keinen Unterschied, ob dem Taxifahrer oder der Friseurin das Trinkgeld im barem Geld vom Kunden des Arbeitgebers ausgehändigt wird oder der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Betrag weiterleitet, der bei Zahlung mit Bankomat- oder Kreditkarte als Trinkgeld ausgewiesen und dem Arbeitnehmer zugeordnet ist. Gleiches gilt unter diesen oder vergleichbaren Bedingungen in der Gastronomie. In all diesen Fällen ist das Trinkgeld kein Entgelt iSd ASVG. Diese Ansicht wird durch die Regelungen zur Trinkgeldpauschale gestützt.
4. Trinkgeldpauschale
Nach § 44 Abs 3 ASVG kann der Versicherungsträger nach Anhörung der in Betracht kommenden Interessenvertretungen der Dienstnehmer und -geber festsetzen, dass bei bestimmten Gruppen von Versicherten, die üblicherweise Trinkgelder erhalten, diese Trinkgelder der Bemessung der Beiträge pauschaliert zugrunde zu legen sind.
In der Entscheidung des VwGH vom 21. 9. 1993, 92/08/0064 wurde beanstandet, dass § 44 Abs 3 ASVG nicht dazu herangezogen werden dürfe, den Entgeltbegriff des ASVG zu erweitern, also Beträge, die nicht beitragspflichtiges Entgelt sind, dennoch in die Beitragsgrundlage einzubeziehen. Dies aber geschieht durch eine nach § 44 Abs 3 ASVG erlassene Pauschalierungs-VO. Trinkgelder können eben, weil sie von Fall zu Fall bloß freiwillig gewährt werden und – wie bereits argumentiert – kein Entgelt sind, daher auch nur pauschaliert und infolge einer entsprechenden Rechtsgrundlage, also infolge der Pauschalierungs-VO der Bemessung der Beiträge zugrunde gelegt werden. Dies wird auch aus § 44 ASVG systematisch deutlich. Nach § 44 Abs 1 Z 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge das Entgelt und – wie dieser Beitrag argumentiert – daher grundsätzlich nicht das Trinkgeld. Das Trinkgeld ist nur dann zusätzlich zum Entgelt Beitragsgrundlage, wenn eine Trinkgeldpauschale dies so festsetzt, was auch einer Rechtsordnung entspricht, deren Aufgabe es ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Rechtsunterworfen vorhersehbar zu gestalten.
Bestimmungen in einer Trinkgeldpauschale, die hingegen festlegen, dass abweichend von den angeführten Pauschalbeträgen die Höhe der tatsächlich zugeflossenen Trinkgelder in die Beitragsgrundlage einfließt,[27] sind rechtswidrig, weil Trinkgeld kein Entgelt ist und die Verordnung zur Trinkgeldpauschale damit ihre gesetzlich eingeräumte Kompetenz überschreitet, zumal sie nur Pauschalen festlegen und sonst keine anderen Regelungen treffen darf. An dieser Ansicht ändert auch § 42 Abs 3 letzter Satz ASVG nichts, der bestimmt, dass der Versicherungsträger insbesondere die Höhe von Trinkgeldern, wenn solche in gleichartigen oder ähnlichen Betrieben üblich sind, anhand von Schätzwerten ermitteln kann, weil es sich dabei um eine Regelung handelt, die die Auskünfte zwischen Versicherungsträgern und Dienstgebern regelt, und nicht um eine Bestimmung, die festlegt, dass Trinkgeld jedenfalls Entgelt ist, sondern dessen Entgeltcharakter, der anhand anderer Bestimmungen zu beurteilen ist, voraussetzt.
5. Exkurs: Das Tronc-System
Das Tronc-System ist dadurch geprägt, dass die Einnahmen durch den Tronc die einzigen Einkünfte des Personals sind und der Arbeitgeber grundsätzlich von der Pflicht, die Arbeitnehmer zu vergüten, freigestellt ist. Diesem System entspricht es wohl, wenn, wie in der Entscheidung des VwGH vom 4. 6. 2008, 2007/08/0179, Table-Tänzerinnen verpflichtet sind, sich während der Betriebszeiten in einem Lokal einzufinden und dort durch ihre Tätigkeit für einen Gästezustrom sowie einen entsprechenden Getränkekonsum zu sorgen und für diese Tätigkeit Anspruch auf Getränkeprovisionen haben, auch wenn ihnen bei Nichterreichen von zehn Tänzen pro Woche die Differenz auf einen garantierten Mindestumsatz bezahlt wurde.[28] Im Tronc-System ist somit nicht der Arbeitgeber, sondern der mit dem Unternehmen erzielte Umsatz „Herr des Entgelts“. Wer dieses System wählt, überlässt die Entgeltgestaltung ausschließlich dem Umsatz, was dazu führen kann, dass Zuverdienstgrenzen, etwa bei Kinderbetreuungsgeld beziehenden Erwerbstätigen, oder die Höhe der Geringfügigkeitsgrenze, so etwa bei Korridorpension beziehenden Erwerbstätigen, überschritten werden.
Auf den Punkt gebracht
Trinkgeld ist kein Entgelt iSd § 49 ASVG. Entgelt ist nur, was der Arbeitnehmer nach dem Willen der Parteien für seine Arbeitsleistung erhalten soll und worauf der Arbeitgeber einen bestimmenden Einfluss hat, der es rechtfertigt, die dem Arbeitnehmer zufließenden Leistungen als Entgelt zu qualifizieren. Dies ist beim Trinkgeld nicht gegeben. Nur die Trinkgeldpauschale begründet, wenn sie Pauschbeträge festsetzt, eine zusätzliche und als Trinkgeld bezeichnete Beitragsgrundlage, was aber aufgrund der damit verbundenen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht zu beanstanden ist.
Peter Maska
Mag. Peter Maska ist Mitarbeiter der Rechts- und Wettbewerbspolitik der Wirtschaftskammer Wien.
Fundstelle(n):
ASoK 2025, 169
HAAAF-80901
1„Jetzt das Richtige tun. Für Österreich – Regierungsprogramm 2025-2029“(2025) 28, abrufbar unter https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:8d78b028-70ba-4f60-a96e-2fca7324fd03/Regierungsprogramm_2025-2029.pdf (Zugriff am 3.4.2025); zum Tronc-System siehe Wikipedia.com.
2§ 51 Abs 1 Z 2 ASVG.
3§ 51 Abs 3 Z 1 lit b und 2 ASVG.
4Blumein Sonntag, ASVG15 (2024) § 49 Rz 1; VwGH 29. 10. 2008, 2005/08/0218.
5Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 56.
6Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 68.
7Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 73.
8Blumein Sonntag, ASVG15, § 49 Rz 57.
9Schrank, Arbeitszeit7 (2023) § 6 AZG Rz 30.
10§ 6 Abs 2 AZG; Schrank, Arbeitszeit7, § 6 AZG Rz 33.
11§ 49 Abs 1 ASVG.
12VwGH 17. 9. 1991, 90/08/0004.
13VwGH 17. 9. 1991, 90/08/0004.
14VwGH 15. 12. 1992, 91/08/0077.
15VwGH 15. 12. 1992, 95/08/0052.
16VwGH 4. 6. 2008, 2007/08/0179.
17OGH 11. 1. 1995, 9 ObA 249/94.
18R. Müllerin Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, § 49 ASVG Rz 31 (Stand 1.8.2024, rdb.at); Blume in Sonntag, ASVG15, § 42 Rz 7.
19Tomandl, ZAS 1985, 106.
20Neumann, Der Abgaben- und Beitragsdschungel der Benefits für Mitarbeiter, ZAS 2024, 245 (246).
21Pfeilin Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, § 44 ASVG Rz 19 (Stand 1.8.2024, rdb.at).
22R. Müllerin Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm, § 49 ASVG, Rz 30/1.
23Siehe dazu Neumann, ZAS 2024, 245 (246).
24R. Müllerin Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm, § 49 ASVG Rz 31.
25§ 2 Abs 1 Z 3 KBGG.
26§ 9 Abs 1 APG.
27So jedenfalls § 4 der avsv 79/ 2015 der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zur Festsetzung eines Trinkgeldpauschales für das Hotel- und Gastgewerbe sowie Art IV Abs 2 der avsv 133/2018 der Salzburger Gebietskrankenkasse zur Festsetzung von Trinkgeldpauschalen im Hotel- und Gastgewerbe, aber auch Art III der avsv 24/2006 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Festsetzung von Pauschalbeträgen für Trinkgelder (Trinkgeldpauschale) im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe sowie Art II der avsv 88/2005 der Tiroler Gebietskrankenkasse zur Festsetzung von Trinkgeldpauschalen im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe.
28VwGH 4. 6. 2008, 2007/08/0179.