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Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat das größte Geschäftsgeheimnis im Land?

Wir begeben uns nach Frankreich zur Zeit Ludwig des XIV.: Luxusartikel, wie Spiegel aus Venedig, Porzellan aus China und hochwertige Stoffe aus Holland erfreuen den Adel, müssen jedoch importiert werden und belasten so die französische Handelsbilanz. Frankreich hatte Mitte des 17. Jahrhunderts nicht das erforderliche Know-How und beherrschte nicht die entsprechenden Verfahren, um diese Luxusgüter in der gewünschten Qualität selbst zu produzieren. Was also tun? Die Lösung war: Industriespionage!

Das Wissen für die Spiegelherstellung musste irgendwie von den Venezianern erlangt werden, um eine eigene Manufaktur betreiben zu können. Es war jedoch nicht einfach, an die Produktionsgeheimnisse heranzukommen, da die Venezianer diese sorgsam hüteten. Die Spiegelherstellung erfolgte auf der Insel Murano und war so vor unerwünschten Blicken geschützt. Für die Weitergabe des Wissens drohte den Handwerkern von Murano im schlimmsten Fall sogar die Todesstrafe. Doch die Franzosen waren erfolgreich, konnten mit verlockenden Angeboten Spiegelexperten abwerben und das Geschäftsgeheimnis der Venezianer erlangen.

Industriespionage reicht somit weit zurück. Die EU Know-How-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen gab es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht und auch nicht ihre Umsetzung im UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Dem Gesetz nach muss das Geschäftsgeheimnis ausreichend durch angemessene Maßnahmen geschützt sein, um als solches zu gelten. Darüber hinaus muss es geheim und von kommerziellem Wert sein. Zusammengefasst: Was nicht geschützt ist, gilt nicht als Geheimnis! Unter diesen Gesichtspunkten hätten die Venezianer wohl gute Chancen gehabt, Ansprüche gegen die Franzosen aus der widerrechtlichen Erlangung des Geschäftsgeheimnisses geltend zu machen.

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Zeiten der Corona-Pandemie

Schon damals waren alle Mittel recht, um in einem ökonomischen Wettstreit einen Vorteil zu erlangen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, allerdings sind Geschäftsgeheimnisse teilweise nicht mehr so leicht zu erkennen, wie jenes der Spiegelherstellung oder zB die Coca-Cola Formel. Einem Beschluss des deutschen Bundesverwaltungsgerichtes nach können auch Metadaten, wie Dateiname, -größe, -typ oder Dateiendung, Geschäftsgeheimnisse sein.[1] Unter diesem Aspekt stellt sich die Frage, ob alle Unternehmen ihre Geschäftsgeheimnisse kennen und diese auch gesetzeskonform schützen. Insbesondere durch die Coronakrise und die dadurch entstandene Verstärkung von Homeoffice und Teleworking wird dieser gesetzeskonforme Schutz auf eine harte Probe gestellt. Ist sichergestellt, dass keine vertraulichen Dokumente auf privaten Notebooks gespeichert werden, sensible Dokumente im Hausmüll landen oder aus Versehen der falsche Bildschirm geteilt wird? Auch Cyber-Kriminelle haben durch fehlende oder mangelhafte Schutzmaßnahmen in privaten Netzwerken ein leichteres Spiel, um an Geschäftsgeheimnisse heranzukommen.

Und so antwortet der Spiegel womöglich: Ihr seid gerade noch das erfolgreichste Unternehmen mit dem größten Geschäftsgeheimnis hier, aber irgendwo über den Bergen ist bald jemand mit eurem Geheimnis erfolgreicher als Ihr.

[1] https://www.bverwg.de/050320B20F3.19.0

Mehr Infos unter: https://home.kpmg/at/de/home/insights/2020/05/schuetzen-sie-ihre-geschaeftsgeheimnisse.html

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von Sonja Irresberger

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