1 Was versteht man eigentlich unter einer „Massenkündigung“?
Wenn man den Begriff „Massenkündigung“ oder „Massenentlassung“ hört, denkt man zunächst wohl an einen großflächigen Personalabbau, zB die Freisetzung von 20, 50 oder 100 Arbeitnehmern. Tatsächlich ist aber gesetzlich geregelt, wann eine Massenkündigung vorliegt, namentlich in § 45a Abs 1 AMFG, konkret in den Z 1 bis 4. Demnach liegt – vereinfacht gesagt – eine Massenkündigung vor, wenn ein Arbeitgeber innerhalb von 30 Tagen in einem Betrieb eine gewisse Anzahl von Arbeitsverhältnissen auflöst. Ausschlaggebend ist also die Zahl der Auflösungen.
Bei welcher Zahl von Auflösungen eine Massenkündigung vorliegt, hängt weitgehend von der Größe des Betriebs ab, in dem der Personalabbau erfolgt. Weitgehend deshalb, weil gemäß § 45a Abs 1 Z 4 AMFG eine Massenkündigung unabhängig von der Betriebsgröße vorliegt, wenn der Arbeitgeber mindestens fünf Arbeitnehmer freisetzt, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Von dieser Art der Massenkündigung abgesehen, kommt es auf die Größe des Betriebs an, wobei gilt, dass erst in Betrieben mit mindestens 21 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern das Massenentlassungsrecht zur Anwendung kommt und mit zunehmender Größe des Betriebs auch die Zahl der Auflösungen zunimmt, die ausgesprochen werden können, bevor eine Massenkündigung vorliegt:
In Betrieben mit 21 bis 99 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern liegt eine Massenkündigung bei der Freisetzung von mindestens 5 Arbeitnehmer vor.
Bei Betrieben mit 100 bis 600 Beschäftigten, liegt eine Massenkündigung vor, wenn mindestens 5 % der Arbeitnehmer freigesetzt werden.
Bei Betrieben mit mehr als 600 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern liegt eine Massenkündigung bei mindestens 30 Auflösungen vor.
An diesen Schwellenwerten zeigt sich, dass der Begriff „Massenkündigung“ eigentlich irreführend ist. Zum einen kann bereits bei der Freisetzung von nur fünf Arbeitnehmern eine Massenkündigung vorliegen. Zum anderen kommt es nicht auf die Zahl der Kündigungen, sondern die Zahl der Auflösungen an. Der Begriff „Auflösung“ umfasst nicht nur Kündigungen, sondern auch andere Beendigungsarten, zB vom Arbeitgeber initiierte einvernehmliche Auflösungen. Treffender wäre es wohl, von einer „Massenauflösung“ oder „Massenfreisetzung“ zu sprechen, wenn man den Hinweis auf einen „massenhaften“ Personalabbau beibehalten möchte.
2 Was ist arbeitsrechtlich so besonders an Massenkündigungen?
Massenkündigungen belasten den lokalen Arbeitsmarkt. Sie führen zur abrupten Freisetzung von mehreren Arbeitnehmern, die von der Arbeitsmarktverwaltung vermittelt werden müssen. Aber auch die von einer Massenkündigung betroffenen Arbeitnehmer werden in ihren individuellen Interessen beeinträchtigt. Für sie ist es deutlich schwieriger, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie mit vergleichbar qualifizierten Arbeitskräften am Markt konkurrieren.
Daher müssen Arbeitgeber, die eine Massenkündigung vornehmen wollen, davor ein besonderes Verfahren durchführen, das sogenannte „Massenentlassungsverfahren“. Dabei handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren, das die negativen Auswirkungen von Massenkündigungen verhindern oder zumindest mildern soll.
In einem ersten Schritt hat der Arbeitgeber gemäß § 109 Abs 1 Z 1a ArbVG den Betriebsrat zu konsultieren. Dabei soll nach Möglichkeiten gesucht werden, den Personalabbau zu verhindern oder einzuschränken oder zumindest seine Folgen zu mildern, zB durch Abschluss eines Sozialplans. Damit der Betriebsrat in diesem Zusammenhang konstruktive Vorschläge machen kann, hat ihm der Arbeitgeber bestimmte Informationen zu geben, die in § 109 Abs 1a ArbVG genannt sind. Dazu zählen zB die Zahl und die Verwendung der voraussichtlich betroffenen Arbeitnehmer, deren Qualifikation und Beschäftigungsdauer sowie die Kriterien, nach denen die betroffenen Arbeitnehmer ausgewählt wurden.
Beabsichtigt der Arbeitgeber nach Abschluss des Konsultationsverfahrens weiterhin die Vornahme einer Massenkündigung, hat er die nach dem Standort des Betriebs zuständige Geschäftsstelle des AMS über den geplanten Personalabbau zu informieren. Auch hier soll durch Beratungen und Förderungsmaßnahmen der Personalabbau verhindert oder zumindest eingeschränkt werden. Sollte das nicht möglich sein, so sollen durch die rechtzeitige Information des AMS die arbeitsmarktpolitischen Folgen der Massenkündigung gemildert werden. Diese zweite Stufe des Massenentlassungsverfahrens ist in Österreich vor allem als „Frühwarnsystem“ oder „Kündigungsfrühwarnsystem“ bekannt.
Fehler beim Massenentlassungsverfahren können den – meist ohnehin schon wirtschaftlich angeschlagenen – Arbeitgeber finanziell belasten. So droht dem Arbeitgeber etwa eine Geldstraße von bis zu 2.180 €, wenn er das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat nicht oder nicht ordnungsgemäß durchführt. Bei einem Verstoß gegen das Frühwarnsystem ordnet § 45a Abs 5 AMFG die Unwirksamkeit der ausgesprochenen „Kündigungen“ an.
3 § 45a Abs 1 AMFG sieht eine Pflicht zur schriftlichen Anzeige an die regionale Geschäftsstelle des AMS vor. Welche Frist ist zwischen dieser Anzeige und der Auflösung der Dienstverhältnisse einzuhalten?
Wie bereits erwähnt, muss der Arbeitgeber gemäß § 45a Abs 1 AMFG die nach dem Standort des Betriebs zuständige Geschäftsstelle des AMS schriftlich über die Massenkündigung informieren, bevor er sie vornimmt („Frühwarnsystem“). Diese Anzeige an das AMS ist gemäß § 45a Abs 2 AMFG mindestens 30 Tage vor der ersten Erklärung einer Auflösung, die Teil der Massenkündigung ist, zu erstatten. Als Erklärung der Auflösung zählen etwa der Ausspruch der Kündigung oder die Einigung über die einvernehmliche Auflösung. In diesem Zusammenhang sind noch einige Punkte zu beachten:
Die Sperrfrist des § 45a Abs 2 AMFG kann durch Kollektivvertrag verlängert werden. Soweit ersichtlich, hat bisher kein Kollektivvertrag von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Einige Kollektivverträge empfehlen aber eine „möglichst rechtzeitige Vorgehensweise im Sinne des § 45a AMFG“ und weisen ausdrücklich auf die 30-tägige Frist hin.
Die Sperrfrist des § 45a Abs 2 AMFG kann auch verkürzt werden. Gemäß § 45a Abs 8 AMFG kann die Landesgeschäftsstelle des AMS die 30-tägige Frist verkürzen, wenn der Arbeitgeber wichtige wirtschaftliche Gründe nachweist. Das Gesetz nennt hier als Beispiel den Abschluss eines Sozialplans. In allen anderen Fällen liegen wichtige wirtschaftliche Gründe vor, wenn die Einhaltung der Frist tatsächlich unmöglich oder unzumutbar ist. Dazu zählen nach der Rechtsprechung etwa Ressourcenengpässe oder Einbrüche in der Auftragslage – allerdings nur, wenn diese plötzlich auftreten und daher nicht vorhersehbar waren.
Das Frühwarnsystem nach § 45a AMFG lässt die sonstigen Verpflichtungen des Arbeitgebers, wie etwa das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren, unberührt. Das heißt, der Betriebsrat ist über die beabsichtigten Kündigungen, die in ihrer Gesamtheit die Massenkündigung bilden, immer noch gemäß § 105 ArbVG zu informieren.
Schließlich ist noch einmal daran zu erinnern, dass das Frühwarnsystem die zweite Stufe eines zweistufigen Verfahrens ist. Das heißt, die Massenkündigung kann erst dann dem AMS angezeigt werden, wenn das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat abgeschlossen ist. Mit dieser Konsultation – die dem AMS in der Anzeige nachzuweisen ist – muss der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des EuGH beginnen, wenn er eine (wirtschaftliche) Entscheidung trifft, die ihn zwingt, eine Massenkündigung ins Auge zu fassen oder zu planen. Sonstige zeitliche Vorgaben beim Konsultationsverfahren gibt es nicht.
4 § 45a AFMG spricht – vereinfacht gesagt – davon, dass die Arbeitsverhältnisse einer bestimmten (nicht geringen) Anzahl von Mitarbeitern in einem Betrieb aufgelöst werden.
4.1 Was versteht man in diesem Zusammenhang unter einem „Betrieb“?
Wie bereits erwähnt, kommt es für die Frage, ob eine Massenkündigung vorliegt, darauf an, wie viele Arbeitsverhältnisse in einem Betrieb aufgelöst werden. Das heißt, ob eine Massenkündigung vorliegt, richtet sich nur danach, wie groß dieser eine Betrieb ist und wie viele Arbeitsverhältnisse in diesen einem Betrieb aufgelöst werden. Die Arbeitnehmer eines anderen Betriebs und die Auflösungen, die in anderen Betrieben erfolgen, sind nicht zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass selbst ein großflächiger, zB landesweiter, Personalabbau nicht als Massenkündigung eingestuft wird, wenn die Schwellenwerte des § 45a Abs 1 AMFG in den einzelnen Betrieben jeweils nicht erreicht werden.
Beispiel: In einem Unternehmensteil sind 190 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen bisher keiner das 50. Lebensjahr vollendet hat. Dieser Unternehmensteil ist in zehn Zweigniederlassungen unterteilt, in denen jeweils 19 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Wird nun der gesamte Unternehmenteil eingestellt, werden also alle 190 Arbeitnehmer freigesetzt, so liegt eine Massenkündigung nur vor, wenn man den Unternehmensteil als „Betrieb“ ansieht. Stellt man hingegen auf die einzelnen Zweigniederlassungen ab, so liegt trotz der Freisetzung von 190 Arbeitnehmern keine Massenkündigung vor. Denn das Massenentlassungsrecht kommt – wie bereits erwähnt – erst in Betrieben mit mindestens 21 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern zur Anwendung. Im gegenwärtigen Beispielfall beschäftigten die Zweigniederlassungen allerdings jeweils nur 19 Arbeitnehmer. Ob eine Massenkündigung vorliegt, hängt also davon ab, ob man den Unternehmensteil oder die einzelne Zweigniederlassung als „Betrieb“ ansieht.
Wie der Begriff „Betrieb“ zu verstehen ist, wird von § 45a AMFG nicht definiert. An dieser Stelle ist zu beachten, dass bei der Auslegung unionsrechtliche Vorgaben zu beachten sind. Denn § 45a AMFG setzt – gemeinsam mit einigen Bestimmungen des ArbVG – die MassenentlassungsRL in das österreichische Recht um. Die Bestimmung ist daher unionsrechtskonform auszulegen. Zwar legt auch die MassenentlassungsRL nicht fest, was unter „Betrieb“ zu verstehen ist, der EuGH hat sich aber bereits zur Auslegung dieses Begriffs geäußert.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff „Betrieb“ ein unionsrechtlicher Begriff, der nicht nach den Vorschriften der Mitgliedstaaten bestimmt werden kann. Er ist also unionsweit einheitlich auszulegen. Da die unterschiedlichen Sprachfassungen der MassenentlassungsRL manchmal von „Betrieb“, „Unternehmen“, „Niederlassung“ oder „Arbeitsplatz“ sprechen, bestimmt sich die Bedeutung des Begriffs nach dem Zweck der Regelung. Demnach geht es darum, auf die „örtliche Beschäftigungseinheit“ abzustellen, in welcher der Personalabbau erfolgt. Das in § 45a AMFG verwendete Wort „Betrieb“ heißt daher „örtlicheBeschäftigungseinheit“.
Unter einer solchen „örtlichen Beschäftigungseinheit“ versteht man nach der Rechtsprechung des EuGH eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern und Betriebsmitteln sowie eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt.
Dieser unionsrechtliche Betriebsbegriff, der § 45a AMFG zugrunde zu legen ist, deckt sich nicht mit dem Betriebsbegriff des § 34 ArbVG. Beim Betriebsbegriff des § 45a AMFG sind die Anforderungen an die Selbstständigkeit deutlich niedriger. Es reicht bereits aus, wenn vor Ort eine Leitung vorhanden ist, die den reibungslosen Ablauf der Arbeit sicherstellt. Daher können auch betriebsverfassungsrechtlich unselbstständige Filialen und Zweigniederlassungen Betriebe iSd § 45a AMFG sein.
Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, im oben gebrachten Beispiel auf die einzelnen Zweigniederlassungen als „örtliche Beschäftigungseinheiten“ abzustellen. Das heißt, dass keine Massenkündigung vorliegt, obwohl innerhalb kurzer Zeit 190 Arbeitnehmer freigesetzt werden, weil die einzelnen Niederlassungen die für die Anwendbarkeit des Massenentlassungsrechts erforderliche Mindestbetriebsgröße (21 in der Regel beschäftigte Arbeitnehmer) nicht erreichen.
4.2 Wer fällt unter den Arbeitnehmerbegriff? Kann man es sich einfach machen und auf § 1151 ABGB verweisen?
Nein. Der Arbeitnehmerbegriff des § 45a AMFG richtet sich – wie auch der Betriebsbegriff – nach der MassenentlassungsRL und ist unionsweit autonom auszulegen. Arbeitnehmer ist, wer während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung eine Leistung erbringt, für die eine Vergütung als Gegenleistung gewährt wird.
Daran zeigt sich, dass es – anders als bei § 1151 ABGB – nicht auf das Vorliegen eines Vertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ankommt. Aber auch die Anforderungen an die Weisungsunterworfenheit (in Österreich: „persönliche Abhängigkeit“) des Arbeitnehmers sind beim unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff weniger streng als beim arbeitsvertragsrechtlichen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein Arbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer vertreten lassen oder einzelne Arbeitsaufträge ablehnen kann. Schließlich kommt es beim Arbeitnehmerbegriff des Unionsrechts – anders als nach der Rechtsprechung des OGH zu § 1151 ABGB – nicht auf ein überwiegendes wirtschaftliches Eigeninteresse des Arbeitgebers an.
4.2.1 Wie sieht es mit überlassenen Arbeitnehmern aus?
Bei überlassenen Arbeitnehmern besteht die Besonderheit, dass sie nicht im Betrieb ihres vertraglichen Arbeitgebers tätig sind, sondern im Betrieb eines Dritten, dem sogenannten „Beschäftiger“. Unstrittig ist wohl die Zugehörigkeit von überlassenen Arbeitnehmern zum Überlasser und damit ihre Berücksichtigung bei Massenkündigungen in dessen Betrieb. Dort sind sie sowohl bei der Anzahl der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgelöst wird, als auch bei der Betriebsgröße, also der Zahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer, zu berücksichtigen.
Uneinigkeit besteht aber hinsichtlich der Berücksichtigung überlassener Arbeitnehmer bei Massenkündigungen im Beschäftigerbetrieb. Eine Vorlage des deutschen BAG zu dieser Frage ist leider unbeantwortet geblieben, weil das der Vorlage zugrundeliegende Verfahren eingestellt wurde. In der Lehre werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten, wobei – soweit ersichtlich – Einigkeit darüber besteht, dass die Rückstellung des Arbeitnehmers an den Überlasser, also die Beendigung der Überlassung, keine vom Massenentlassungsrecht erfasste Beendigungsart ist:
Ein Teil der Lehre meint, überlassene Arbeitnehmer seien im Beschäftigerbetrieb gar nicht zu berücksichtigen. Begründet wird das damit, dass zwischen dem überlassenen Arbeitnehmer und dem Beschäftiger kein Arbeitsvertrag bestehe und der Beschäftiger den Arbeitnehmer nicht kündigen, sondern nur an der Überlasser zurückstellen könne, was den Arbeitsmarkt nicht belaste. Außerdem würde sich die Berücksichtigung von überlassenen Arbeitnehmern bei der Betriebsgröße des Beschäftigers überwiegend nachteilig für die Stammbelegschaft auswirken, weil in größeren Betrieben mehr Arbeitsverhältnisse aufgelöst werden können, bevor eine Massenkündigung vorliegt, was dem Zweck des Massenentlassungsrechts widerspreche.
Der andere Teil der Lehre möchte überlassene Arbeitnehmer im Beschäftigerbetrieb zumindest bei der Betriebsgröße, also der Anzahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer berücksichtigen. Zwar könne der Beschäftiger den überlassenen Arbeitnehmer nicht kündigen, das stehe aber der Berücksichtigung bei der Betriebsgröße nicht entgegen, weil nach der Rechtsprechung des EuGH auch befristet Beschäftigte bei der Anzahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, obwohl der Ablauf der Befristung keine Auflösung ist. Das Fehlen eines Arbeitsvertrags sei unschädlich, weil es bloß auf ein faktisches Beschäftigungsverhältnis ankomme.
Abhängig davon, welcher dieser Auffassungen man folgt, kann in bestimmten Fällen eine Massenkündigung (nicht) vorliegen.
Beispiel: In einem Betrieb (iSd § 45a AMFG) sind 17 Stammarbeitnehmer und fünf überlassene Arbeitnehmer beschäftigt. Entschließt sich der Arbeitgeber dazu, sechs Stammarbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, betriebsbedingt zu kündigen, so liegt eine Massenkündigung nur vor, wenn man die fünf überlassenen Arbeitnehmer im (Beschäftiger)Betrieb bei der Zahl der in der Regel Beschäftigten (Betriebsgröße) berücksichtigt. Lässt man die überlassenen Arbeitnehmer hingegen außer Acht, so liegt keine Massenkündigung vor, weil der vom Personalabbau betroffene (Beschäftiger)Betrieb nicht die für die Anwendbarkeit des Massenentlassungsrechts erforderliche Mindestbetriebsgröße von 21 in der Regel Beschäftigten erreicht.
Wenngleich erst eine entsprechende Entscheidung des EuGH endgültige Klarheit bringen wird, muss ich sagen, dass mich die Argumente gegen die Berücksichtigung von überlassenen Arbeitnehmern im Beschäftigerbetrieb nicht überzeugen. Wie bereits erwähnt, kommt es für den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, der § 45a AMFG zugrundzulegen ist, nicht darauf an, ob ein Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. Ein faktisches Beschäftigungsverhältnis – wie es auch zwischen überlassenem Arbeitnehmer und Beschäftiger besteht – ist bereits ausreichend. Auch der Umstand, dass der Beschäftiger den überlassenen Arbeitnehmer nur an den Überlasser zurückstellen kann, steht der Berücksichtigung nicht entgegen. Der EuGH hat bereits ausdrücklich festgehalten, dass auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst werden kann, bei der Betriebsgröße zu berücksichtigen sind. Schließlich überzeugt mich auch das Argument nicht, die Berücksichtigung überlassener Arbeitnehmer bei der Betriebsgröße wirke sich nachteilig für die Stammbelegschaft aus und sei daher mit dem Zweck des Massenentlassungsrechts nicht vereinbar. Die Berücksichtigung jeder zusätzlichen Gruppe von Arbeitnehmern, wie zB von befristet Beschäftigten, kann sich zulasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken. Das hat den EuGH aber nicht davon abgehalten, auch diese Personengruppen dem Arbeitnehmerbegriff zu unterstellen und bei der Betriebsgröße zu berücksichtigen. Im Übrigen nimmt der EuGH auch beim Betriebsbegriff – wie schon angesprochen – ambivalente Auswirkungen in Kauf.
4.2.2 Wie sieht es mit freien Dienstnehmern aus?
Ob und inwieweit freie Dienstnehmer bei Massenkündigungen zu berücksichtigen sind, ist ebenfalls umstritten:
Ein Teil der Lehre will freie Dienstnehmer nicht berücksichtigen. Argumentiert wird dabei im Wesentlichen damit, dass § 45a AMFG von „Arbeitnehmern“ und „Arbeitsverhältnissen“ spreche, freie Dienstnehmer aber keine „Arbeitnehmer“ seien.
Das AMS und einige andere Autoren wollen freie Dienstnehmer hingegen in das Massenentlassungsrecht einbeziehen. Die arbeitsmarktpolitische Problemlage sei die Gleiche, weil auch (bestimmte) freie Dienstnehmer in die Arbeitslosenversicherung einbezogen seien.
Mich persönlich überzeugt jene Lehrmeinung, die für die Frage, ob freie Dienstnehmer bei Massenkündigungen zu berücksichtigen sind, auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abstellt. Denn richtig ist zwar, dass § 45a AMFG von „Arbeitnehmern“ und „Arbeitsverhältnissen“ spricht, doch richtet sich die Bedeutung dieser Begriffe nicht nach österreichischem Recht, sondern nach Unionsrecht. Mit der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft von freien Dienstnehmern nach österreichischem Recht kann daher nicht argumentiert werden.
Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass auch Personen, die nach österreichischem Recht als freie Dienstnehmer eingestuft werden, Arbeitnehmer iSd Unionsrechts sein können. Denn wie bereits erwähnt, sind die Anforderungen an die Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers im Unionsrecht niedriger als im österreichischen Recht. Es können daher auch Personen, die sich vertreten lassen oder einzelne Arbeitsaufträge ablehnen können, Arbeitnehmer iSd Unionsrechts sein. Welche freien Dienstnehmer dann tatsächlich Arbeitnehmer iSd § 45a AMFG sind, wird man nur im Einzelfall beurteilen können. Allerdings werden „dienstnehmerähnliche“ freie Dienstnehmer iSd § 4 Abs 4 ASVG wohl eher Arbeitnehmer iSd Unionsrechts (und damit iSd § 45a AMFG) sein.
4.3 Wenden wir uns der Auflösung zu. Was versteht man darunter?
Wie bereits mehrfach erwähnt, hängt von der Zahl der Auflösungen ab, wann eine Massenkündigung vorliegt. Allerdings wird nicht definiert, wie das Wort „Auflösung“ zu verstehen ist oder welche Beendigungsarten unter diesen Begriff fallen. Aus dem Unionsrecht ergibt sich aber, dass zumindest sämtliche von der MassenentlassungRL erfasste Beendigungsarten vom Auflösungsbegriff des § 45a AMFG umfasst sein müssen.
Die MassenentlassungsRL erfasst zunächst „Entlassungen“. Damit sind aber nicht vorzeitige Beendigungen aus wichtigem Grund durch den Arbeitgeber gemeint. Vielmehr umfasst der Entlassungsbegriff der MassenentlassungsRL nach der Rechtsprechung des EuGH jede vom Arbeitnehmer nicht gewollte, also ohne seine Zustimmung erfolgte, Beendigung des Arbeitsvertrags, die ein Arbeitgeber aus Gründen vornimmt, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen. Zu solchen Gründen zählen etwa wirtschaftliche oder technische Gründe sowie Gründe, die sich auf die Organisation oder Produktion des Unternehmens beziehen. „Entlassung“ meint also jede vom Arbeitgeber aus wirtschaftlichen oder betrieblichen Gründen einseitigvorgenommene Beendigung des Arbeitsvertrags. Dazu zählt zB die betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung.
Neben „Entlassungen“ erfasst die MassenentlassungsRL auch „Beendigungen des Arbeitsvertrags … auf Veranlassung des Arbeitgebers“. Nach der Rechtsprechung des EuGH erfolgen solche Beendigungen im Vergleich zu Entlassungen mit der Zustimmung des Arbeitnehmers. Erfasst sind also alle vom Arbeitgeber zwar nicht einseitig vorgenommenen, aber von ihm veranlassten Vertragsbeendigungen aus Gründen, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen. Dazu zählt zB die vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen initiierte einvernehmliche Auflösung.
Zusammengefasst erfasst die MassenentlassungsRL jedevom Arbeitgeber aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen einseitig vorgenommene oder von ihm veranlasste Beendigung des Arbeitsvertrags. Diese Beendigungen müssen also jedenfalls vom Auflösungsbegriff des § 45a AMFG umfasst sein. Zusätzlich könnte der österreichische Gesetzgeber auch von der MassenentlassungsRL nicht erfasste Beendigungsarten dem Auflösungsbegriff des § 45a AMFG unterstellt haben. Denn Art 5 MassenentlassungsRL erlaubt den Mitgliedstaaten, für Arbeitnehmer günstigere Regelungen vorzusehen. Eine Regelung, die von der RL nicht erfasste Beendigungsarten zusätzlich berücksichtigt, wäre für Arbeitnehmer günstiger, weil Arbeitgeber dann eher das Massenentlassungsverfahren durchzuführen hätten, und damit von Art 5 MassenentlassungsRL gedeckt.
4.3.1 Spielt es eine Rolle, aus welchen Gründen die Arbeitsverhältnisse aufgelöst werden?
Wie eben dargelegt, erfasst die MassenentlassungsRL nur Vertragsbeendigungen aus Gründen, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen, also nur betrieblich oder wirtschaftlich bedingte Beendigungen. Personen- und verhaltensbedingte Vertragsbeendigungen sind von der RL hingegen nicht erfasst.
Der Wortlaut des § 45a AMFG enthält – anders als die MassenentlassungsRL – keine Einschränkung in Bezug auf die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aus diesem Grund und weil sowohl betriebs- als auch personenbedingte Vertragsbeendigungen den Arbeitsmarkt belasten, geht die herrschende Lehre davon aus, dass auch Arbeitgeberkündigungen aus Gründen, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, Auflösungen iSd § 45a AMFG sind.
Diese Argumentation überzeugt mich allerdings nicht. Richtig ist zwar, dass § 45a AMFG lediglich von „Auflösungen“ spricht, ohne nach dem Grund für die Beendigung zu unterscheiden. Daraus kann man aber nicht ableiten, auf das hinter der Auflösung stehende Motiv komme es nicht an. Die herrschende Lehre unterscheidet auch zwischen einvernehmlichen Auflösungen auf Initiative des Arbeitgebers und auf Initiative des Arbeitnehmers, obwohl der Wortlaut des § 45a AMFG eine Erfassung beider Beendigungsarten zuließe. Auch der Umstand, dass personen- und verhaltensbedingte Kündigungen den Arbeitsmarkt belasten, reicht für eine Einbeziehung dieser Beendigungsart in den Auflösungsbegriff nicht aus. Auch der Ablauf der Befristung belastet den Arbeitsmarkt, obwohl es sich dabei nach herrschender Meinung um keine Auflösung handelt.
Tatsächlich sprechen systematische Erwägungen dagegen, personen- und verhaltensbedingte Kündigungen dem Auflösungsbegriff des § 45a AMFG zu unterstellen. Gemäß § 109 Abs 1 Z 1a ArbVG gilt eine Massenkündigung als Betriebsänderung. Bei Betriebsänderungen handelt es sich aber im Allgemeinen um wirtschaftlich motivierte Maßnahmen. Das ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung des § 109 ArbVG, der den Mitwirkungsbefugnissen „in wirtschaftlichen Angelegenheiten“ zugeordnet ist. Vor diesem Hintergrund ist die Einbeziehung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungen wenig überzeugend. Wenn der Arbeitgeber mehrere Arbeitsverhältnisse aus Gründen auflöst, die in der Person oder im Verhalten der Arbeitnehmer liegen, handelt es sich dabei gerade um keine wirtschaftlich motivierte Maßnahme.
Hinzu kommt, dass auch die vom Massenentlassungsrecht vorgeschriebenen Verfahren bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen nicht sinnvoll durchgeführt werden können. Wie bereits ausgeführt, verfolgt das Massenentlassungsverfahren das Ziel, den beabsichtigten Personalabbau zu verhindern oder einzuschränken. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn es darum geht, einen Arbeitnehmer aus Gründen zu kündigen, die in seiner Person oder in seinem Verhalten liegen. Außerdem muss der Arbeitgeber personen- und verhaltensbedingte Kündigungsgründe unverzüglich geltend machen, wenn er sie in einem etwaigen Anfechtungsverfahren zur Rechtfertigung heranziehen möchte. Die Einhaltung der 30-tägigen Sperrfrist des § 45a Abs 2 AMFG ist damit kaum vereinbar.
Aus diesen Gründen sprechen aus meiner Sicht die besseren Argumente dagegen, personen- und verhaltensbedingte Kündigungen dem Auflösungsbegriff des § 45a AMFG zu unterstellen. Vielmehr sind Arbeitgeberkündigungen vom Auflösungsbegriff nur erfasst, wenn sie aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen erfolgen.
Fraglich ist allerdings, ob das auch der OGH so sehen würde. Er misst der arbeitsmarktpolitischen Stoßrichtung des Massenentlassungsrechts, die für eine Einbeziehung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungen spricht, in seiner Rechtsprechung die größte Bedeutung zu.
4.3.2 Fallen berechtigte Entlassungen unter den Auflösungsbegriff des § 45a AMFG?
Beispiel: In einem Betrieb mit 100 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern setzen 30 Arbeitnehmer einen Entlassungsgrund. Der Arbeitgeber möchte nun alle 30 Arbeitnehmer berechtigt entlassen. Liegt eine Massenkündigung iSd § 45a AMFG vor?
Stellte man für die Frage, ob eine bestimmte Beendigungsart unter den Auflösungsbegriff des § 45a AMFG fällt, nur darauf ab, ob diese Beendigungsart dem Wort „Auflösung“ unterstellt werden kann und ob die fragliche Beendigungsart zu einer Belastung des Arbeitsmarkts führt, so könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass auch berechtigte Entlassungen „Auflösungen“ iSd § 45a AMFG sind. Dann würde eine Massenkündigung vorliegen, wenn der Arbeitgeber massenhaft Arbeitnehmer berechtigt entlässt.
Allerdings sind berechtigte Entlassungen nach herrschender Lehre kein Auflösungen iSd § 45a AMFG. Diese Ansicht halte ich aus zwei Gründen für überzeugend:
Zum einen sind berechtigte Entlassungen nicht von der MassenentlassungsRL erfasst, weil die RL nur Beendigungen aus Gründen erfasst, die nicht in der Person oder im Verhalten der Arbeitnehmer liegen.
Zum anderen wäre es aus meiner Sicht verfassungswidrig, berechtigte Entlassungen dem Auflösungsbegriff des § 45a AMFG zu unterstellen. Würde man den Arbeitgeber dazu zwingen, das Massenentlassungsverfahren bei berechtigten Entlassungen durchzuführen, und ihn damit an Arbeitnehmer binden, mit denen ihm die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, würde ihn dies in seiner grundrechtlich gewährleisteten unternehmerischen Freiheit verletzen.
Das heißt, im oben gebrachten Beispiel liegt keine Massenkündigung vor.
1 Was versteht man eigentlich unter einer „Massenkündigung“?
Wenn man den Begriff „Massenkündigung“ oder „Massenentlassung“ hört, denkt man zunächst wohl an einen großflächigen Personalabbau, zB die Freisetzung von 20, 50 oder 100 Arbeitnehmern. Tatsächlich ist aber gesetzlich geregelt, wann eine Massenkündigung vorliegt, namentlich in § 45a Abs 1 AMFG, konkret in den Z 1 bis 4. Demnach liegt – vereinfacht gesagt – eine Massenkündigung vor, wenn ein Arbeitgeber innerhalb von 30 Tagen in einem Betrieb eine gewisse Anzahl von Arbeitsverhältnissen auflöst. Ausschlaggebend ist also die Zahl der Auflösungen.
Bei welcher Zahl von Auflösungen eine Massenkündigung vorliegt, hängt weitgehend von der Größe des Betriebs ab, in dem der Personalabbau erfolgt. Weitgehend deshalb, weil gemäß § 45a Abs 1 Z 4 AMFG eine Massenkündigung unabhängig von der Betriebsgröße vorliegt, wenn der Arbeitgeber mindestens fünf Arbeitnehmer freisetzt, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Von dieser Art der Massenkündigung abgesehen, kommt es auf die Größe des Betriebs an, wobei gilt, dass erst in Betrieben mit mindestens 21 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern das Massenentlassungsrecht zur Anwendung kommt und mit zunehmender Größe des Betriebs auch die Zahl der Auflösungen zunimmt, die ausgesprochen werden können, bevor eine Massenkündigung vorliegt:
An diesen Schwellenwerten zeigt sich, dass der Begriff „Massenkündigung“ eigentlich irreführend ist. Zum einen kann bereits bei der Freisetzung von nur fünf Arbeitnehmern eine Massenkündigung vorliegen. Zum anderen kommt es nicht auf die Zahl der Kündigungen, sondern die Zahl der Auflösungen an. Der Begriff „Auflösung“ umfasst nicht nur Kündigungen, sondern auch andere Beendigungsarten, zB vom Arbeitgeber initiierte einvernehmliche Auflösungen. Treffender wäre es wohl, von einer „Massenauflösung“ oder „Massenfreisetzung“ zu sprechen, wenn man den Hinweis auf einen „massenhaften“ Personalabbau beibehalten möchte.
2 Was ist arbeitsrechtlich so besonders an Massenkündigungen?
Massenkündigungen belasten den lokalen Arbeitsmarkt. Sie führen zur abrupten Freisetzung von mehreren Arbeitnehmern, die von der Arbeitsmarktverwaltung vermittelt werden müssen. Aber auch die von einer Massenkündigung betroffenen Arbeitnehmer werden in ihren individuellen Interessen beeinträchtigt. Für sie ist es deutlich schwieriger, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie mit vergleichbar qualifizierten Arbeitskräften am Markt konkurrieren.
Daher müssen Arbeitgeber, die eine Massenkündigung vornehmen wollen, davor ein besonderes Verfahren durchführen, das sogenannte „Massenentlassungsverfahren“. Dabei handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren, das die negativen Auswirkungen von Massenkündigungen verhindern oder zumindest mildern soll.
In einem ersten Schritt hat der Arbeitgeber gemäß § 109 Abs 1 Z 1a ArbVG den Betriebsrat zu konsultieren. Dabei soll nach Möglichkeiten gesucht werden, den Personalabbau zu verhindern oder einzuschränken oder zumindest seine Folgen zu mildern, zB durch Abschluss eines Sozialplans. Damit der Betriebsrat in diesem Zusammenhang konstruktive Vorschläge machen kann, hat ihm der Arbeitgeber bestimmte Informationen zu geben, die in § 109 Abs 1a ArbVG genannt sind. Dazu zählen zB die Zahl und die Verwendung der voraussichtlich betroffenen Arbeitnehmer, deren Qualifikation und Beschäftigungsdauer sowie die Kriterien, nach denen die betroffenen Arbeitnehmer ausgewählt wurden.
Beabsichtigt der Arbeitgeber nach Abschluss des Konsultationsverfahrens weiterhin die Vornahme einer Massenkündigung, hat er die nach dem Standort des Betriebs zuständige Geschäftsstelle des AMS über den geplanten Personalabbau zu informieren. Auch hier soll durch Beratungen und Förderungsmaßnahmen der Personalabbau verhindert oder zumindest eingeschränkt werden. Sollte das nicht möglich sein, so sollen durch die rechtzeitige Information des AMS die arbeitsmarktpolitischen Folgen der Massenkündigung gemildert werden. Diese zweite Stufe des Massenentlassungsverfahrens ist in Österreich vor allem als „Frühwarnsystem“ oder „Kündigungsfrühwarnsystem“ bekannt.
Fehler beim Massenentlassungsverfahren können den – meist ohnehin schon wirtschaftlich angeschlagenen – Arbeitgeber finanziell belasten. So droht dem Arbeitgeber etwa eine Geldstraße von bis zu 2.180 €, wenn er das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat nicht oder nicht ordnungsgemäß durchführt. Bei einem Verstoß gegen das Frühwarnsystem ordnet § 45a Abs 5 AMFG die Unwirksamkeit der ausgesprochenen „Kündigungen“ an.
3 § 45a Abs 1 AMFG sieht eine Pflicht zur schriftlichen Anzeige an die regionale Geschäftsstelle des AMS vor. Welche Frist ist zwischen dieser Anzeige und der Auflösung der Dienstverhältnisse einzuhalten?
Wie bereits erwähnt, muss der Arbeitgeber gemäß § 45a Abs 1 AMFG die nach dem Standort des Betriebs zuständige Geschäftsstelle des AMS schriftlich über die Massenkündigung informieren, bevor er sie vornimmt („Frühwarnsystem“). Diese Anzeige an das AMS ist gemäß § 45a Abs 2 AMFG mindestens 30 Tage vor der ersten Erklärung einer Auflösung, die Teil der Massenkündigung ist, zu erstatten. Als Erklärung der Auflösung zählen etwa der Ausspruch der Kündigung oder die Einigung über die einvernehmliche Auflösung. In diesem Zusammenhang sind noch einige Punkte zu beachten:
4 § 45a AFMG spricht – vereinfacht gesagt – davon, dass die Arbeitsverhältnisse einer bestimmten (nicht geringen) Anzahl von Mitarbeitern in einem Betrieb aufgelöst werden.
4.1 Was versteht man in diesem Zusammenhang unter einem „Betrieb“?
Wie bereits erwähnt, kommt es für die Frage, ob eine Massenkündigung vorliegt, darauf an, wie viele Arbeitsverhältnisse in einem Betrieb aufgelöst werden. Das heißt, ob eine Massenkündigung vorliegt, richtet sich nur danach, wie groß dieser eine Betrieb ist und wie viele Arbeitsverhältnisse in diesen einem Betrieb aufgelöst werden. Die Arbeitnehmer eines anderen Betriebs und die Auflösungen, die in anderen Betrieben erfolgen, sind nicht zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass selbst ein großflächiger, zB landesweiter, Personalabbau nicht als Massenkündigung eingestuft wird, wenn die Schwellenwerte des § 45a Abs 1 AMFG in den einzelnen Betrieben jeweils nicht erreicht werden.
Beispiel: In einem Unternehmensteil sind 190 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen bisher keiner das 50. Lebensjahr vollendet hat. Dieser Unternehmensteil ist in zehn Zweigniederlassungen unterteilt, in denen jeweils 19 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Wird nun der gesamte Unternehmenteil eingestellt, werden also alle 190 Arbeitnehmer freigesetzt, so liegt eine Massenkündigung nur vor, wenn man den Unternehmensteil als „Betrieb“ ansieht. Stellt man hingegen auf die einzelnen Zweigniederlassungen ab, so liegt trotz der Freisetzung von 190 Arbeitnehmern keine Massenkündigung vor. Denn das Massenentlassungsrecht kommt – wie bereits erwähnt – erst in Betrieben mit mindestens 21 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern zur Anwendung. Im gegenwärtigen Beispielfall beschäftigten die Zweigniederlassungen allerdings jeweils nur 19 Arbeitnehmer. Ob eine Massenkündigung vorliegt, hängt also davon ab, ob man den Unternehmensteil oder die einzelne Zweigniederlassung als „Betrieb“ ansieht.
Wie der Begriff „Betrieb“ zu verstehen ist, wird von § 45a AMFG nicht definiert. An dieser Stelle ist zu beachten, dass bei der Auslegung unionsrechtliche Vorgaben zu beachten sind. Denn § 45a AMFG setzt – gemeinsam mit einigen Bestimmungen des ArbVG – die MassenentlassungsRL in das österreichische Recht um. Die Bestimmung ist daher unionsrechtskonform auszulegen. Zwar legt auch die MassenentlassungsRL nicht fest, was unter „Betrieb“ zu verstehen ist, der EuGH hat sich aber bereits zur Auslegung dieses Begriffs geäußert.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff „Betrieb“ ein unionsrechtlicher Begriff, der nicht nach den Vorschriften der Mitgliedstaaten bestimmt werden kann. Er ist also unionsweit einheitlich auszulegen. Da die unterschiedlichen Sprachfassungen der MassenentlassungsRL manchmal von „Betrieb“, „Unternehmen“, „Niederlassung“ oder „Arbeitsplatz“ sprechen, bestimmt sich die Bedeutung des Begriffs nach dem Zweck der Regelung. Demnach geht es darum, auf die „örtliche Beschäftigungseinheit“ abzustellen, in welcher der Personalabbau erfolgt. Das in § 45a AMFG verwendete Wort „Betrieb“ heißt daher „örtliche Beschäftigungseinheit“.
Unter einer solchen „örtlichen Beschäftigungseinheit“ versteht man nach der Rechtsprechung des EuGH eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern und Betriebsmitteln sowie eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt.
Dieser unionsrechtliche Betriebsbegriff, der § 45a AMFG zugrunde zu legen ist, deckt sich nicht mit dem Betriebsbegriff des § 34 ArbVG. Beim Betriebsbegriff des § 45a AMFG sind die Anforderungen an die Selbstständigkeit deutlich niedriger. Es reicht bereits aus, wenn vor Ort eine Leitung vorhanden ist, die den reibungslosen Ablauf der Arbeit sicherstellt. Daher können auch betriebsverfassungsrechtlich unselbstständige Filialen und Zweigniederlassungen Betriebe iSd § 45a AMFG sein.
Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, im oben gebrachten Beispiel auf die einzelnen Zweigniederlassungen als „örtliche Beschäftigungseinheiten“ abzustellen. Das heißt, dass keine Massenkündigung vorliegt, obwohl innerhalb kurzer Zeit 190 Arbeitnehmer freigesetzt werden, weil die einzelnen Niederlassungen die für die Anwendbarkeit des Massenentlassungsrechts erforderliche Mindestbetriebsgröße (21 in der Regel beschäftigte Arbeitnehmer) nicht erreichen.
4.2 Wer fällt unter den Arbeitnehmerbegriff? Kann man es sich einfach machen und auf § 1151 ABGB verweisen?
Nein. Der Arbeitnehmerbegriff des § 45a AMFG richtet sich – wie auch der Betriebsbegriff – nach der MassenentlassungsRL und ist unionsweit autonom auszulegen. Arbeitnehmer ist, wer während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung eine Leistung erbringt, für die eine Vergütung als Gegenleistung gewährt wird.
Daran zeigt sich, dass es – anders als bei § 1151 ABGB – nicht auf das Vorliegen eines Vertrags zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ankommt. Aber auch die Anforderungen an die Weisungsunterworfenheit (in Österreich: „persönliche Abhängigkeit“) des Arbeitnehmers sind beim unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff weniger streng als beim arbeitsvertragsrechtlichen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein Arbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer vertreten lassen oder einzelne Arbeitsaufträge ablehnen kann. Schließlich kommt es beim Arbeitnehmerbegriff des Unionsrechts – anders als nach der Rechtsprechung des OGH zu § 1151 ABGB – nicht auf ein überwiegendes wirtschaftliches Eigeninteresse des Arbeitgebers an.
4.2.1 Wie sieht es mit überlassenen Arbeitnehmern aus?
Bei überlassenen Arbeitnehmern besteht die Besonderheit, dass sie nicht im Betrieb ihres vertraglichen Arbeitgebers tätig sind, sondern im Betrieb eines Dritten, dem sogenannten „Beschäftiger“. Unstrittig ist wohl die Zugehörigkeit von überlassenen Arbeitnehmern zum Überlasser und damit ihre Berücksichtigung bei Massenkündigungen in dessen Betrieb. Dort sind sie sowohl bei der Anzahl der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgelöst wird, als auch bei der Betriebsgröße, also der Zahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer, zu berücksichtigen.
Uneinigkeit besteht aber hinsichtlich der Berücksichtigung überlassener Arbeitnehmer bei Massenkündigungen im Beschäftigerbetrieb. Eine Vorlage des deutschen BAG zu dieser Frage ist leider unbeantwortet geblieben, weil das der Vorlage zugrundeliegende Verfahren eingestellt wurde. In der Lehre werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten, wobei – soweit ersichtlich – Einigkeit darüber besteht, dass die Rückstellung des Arbeitnehmers an den Überlasser, also die Beendigung der Überlassung, keine vom Massenentlassungsrecht erfasste Beendigungsart ist:
Abhängig davon, welcher dieser Auffassungen man folgt, kann in bestimmten Fällen eine Massenkündigung (nicht) vorliegen.
Beispiel: In einem Betrieb (iSd § 45a AMFG) sind 17 Stammarbeitnehmer und fünf überlassene Arbeitnehmer beschäftigt. Entschließt sich der Arbeitgeber dazu, sechs Stammarbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, betriebsbedingt zu kündigen, so liegt eine Massenkündigung nur vor, wenn man die fünf überlassenen Arbeitnehmer im (Beschäftiger)Betrieb bei der Zahl der in der Regel Beschäftigten (Betriebsgröße) berücksichtigt. Lässt man die überlassenen Arbeitnehmer hingegen außer Acht, so liegt keine Massenkündigung vor, weil der vom Personalabbau betroffene (Beschäftiger)Betrieb nicht die für die Anwendbarkeit des Massenentlassungsrechts erforderliche Mindestbetriebsgröße von 21 in der Regel Beschäftigten erreicht.
Wenngleich erst eine entsprechende Entscheidung des EuGH endgültige Klarheit bringen wird, muss ich sagen, dass mich die Argumente gegen die Berücksichtigung von überlassenen Arbeitnehmern im Beschäftigerbetrieb nicht überzeugen. Wie bereits erwähnt, kommt es für den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, der § 45a AMFG zugrundzulegen ist, nicht darauf an, ob ein Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. Ein faktisches Beschäftigungsverhältnis – wie es auch zwischen überlassenem Arbeitnehmer und Beschäftiger besteht – ist bereits ausreichend. Auch der Umstand, dass der Beschäftiger den überlassenen Arbeitnehmer nur an den Überlasser zurückstellen kann, steht der Berücksichtigung nicht entgegen. Der EuGH hat bereits ausdrücklich festgehalten, dass auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst werden kann, bei der Betriebsgröße zu berücksichtigen sind. Schließlich überzeugt mich auch das Argument nicht, die Berücksichtigung überlassener Arbeitnehmer bei der Betriebsgröße wirke sich nachteilig für die Stammbelegschaft aus und sei daher mit dem Zweck des Massenentlassungsrechts nicht vereinbar. Die Berücksichtigung jeder zusätzlichen Gruppe von Arbeitnehmern, wie zB von befristet Beschäftigten, kann sich zulasten der betroffenen Arbeitnehmer auswirken. Das hat den EuGH aber nicht davon abgehalten, auch diese Personengruppen dem Arbeitnehmerbegriff zu unterstellen und bei der Betriebsgröße zu berücksichtigen. Im Übrigen nimmt der EuGH auch beim Betriebsbegriff – wie schon angesprochen – ambivalente Auswirkungen in Kauf.
4.2.2 Wie sieht es mit freien Dienstnehmern aus?
Ob und inwieweit freie Dienstnehmer bei Massenkündigungen zu berücksichtigen sind, ist ebenfalls umstritten:
Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass auch Personen, die nach österreichischem Recht als freie Dienstnehmer eingestuft werden, Arbeitnehmer iSd Unionsrechts sein können. Denn wie bereits erwähnt, sind die Anforderungen an die Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers im Unionsrecht niedriger als im österreichischen Recht. Es können daher auch Personen, die sich vertreten lassen oder einzelne Arbeitsaufträge ablehnen können, Arbeitnehmer iSd Unionsrechts sein. Welche freien Dienstnehmer dann tatsächlich Arbeitnehmer iSd § 45a AMFG sind, wird man nur im Einzelfall beurteilen können. Allerdings werden „dienstnehmerähnliche“ freie Dienstnehmer iSd § 4 Abs 4 ASVG wohl eher Arbeitnehmer iSd Unionsrechts (und damit iSd § 45a AMFG) sein.
4.3 Wenden wir uns der Auflösung zu. Was versteht man darunter?
Wie bereits mehrfach erwähnt, hängt von der Zahl der Auflösungen ab, wann eine Massenkündigung vorliegt. Allerdings wird nicht definiert, wie das Wort „Auflösung“ zu verstehen ist oder welche Beendigungsarten unter diesen Begriff fallen. Aus dem Unionsrecht ergibt sich aber, dass zumindest sämtliche von der MassenentlassungRL erfasste Beendigungsarten vom Auflösungsbegriff des § 45a AMFG umfasst sein müssen.
Die MassenentlassungsRL erfasst zunächst „Entlassungen“. Damit sind aber nicht vorzeitige Beendigungen aus wichtigem Grund durch den Arbeitgeber gemeint. Vielmehr umfasst der Entlassungsbegriff der MassenentlassungsRL nach der Rechtsprechung des EuGH jede vom Arbeitnehmer nicht gewollte, also ohne seine Zustimmung erfolgte, Beendigung des Arbeitsvertrags, die ein Arbeitgeber aus Gründen vornimmt, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen. Zu solchen Gründen zählen etwa wirtschaftliche oder technische Gründe sowie Gründe, die sich auf die Organisation oder Produktion des Unternehmens beziehen. „Entlassung“ meint also jede vom Arbeitgeber aus wirtschaftlichen oder betrieblichen Gründen einseitig vorgenommene Beendigung des Arbeitsvertrags. Dazu zählt zB die betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung.
Neben „Entlassungen“ erfasst die MassenentlassungsRL auch „Beendigungen des Arbeitsvertrags … auf Veranlassung des Arbeitgebers“. Nach der Rechtsprechung des EuGH erfolgen solche Beendigungen im Vergleich zu Entlassungen mit der Zustimmung des Arbeitnehmers. Erfasst sind also alle vom Arbeitgeber zwar nicht einseitig vorgenommenen, aber von ihm veranlassten Vertragsbeendigungen aus Gründen, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen. Dazu zählt zB die vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen initiierte einvernehmliche Auflösung.
Zusammengefasst erfasst die MassenentlassungsRL jede vom Arbeitgeber aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen einseitig vorgenommene oder von ihm veranlasste Beendigung des Arbeitsvertrags. Diese Beendigungen müssen also jedenfalls vom Auflösungsbegriff des § 45a AMFG umfasst sein. Zusätzlich könnte der österreichische Gesetzgeber auch von der MassenentlassungsRL nicht erfasste Beendigungsarten dem Auflösungsbegriff des § 45a AMFG unterstellt haben. Denn Art 5 MassenentlassungsRL erlaubt den Mitgliedstaaten, für Arbeitnehmer günstigere Regelungen vorzusehen. Eine Regelung, die von der RL nicht erfasste Beendigungsarten zusätzlich berücksichtigt, wäre für Arbeitnehmer günstiger, weil Arbeitgeber dann eher das Massenentlassungsverfahren durchzuführen hätten, und damit von Art 5 MassenentlassungsRL gedeckt.
4.3.1 Spielt es eine Rolle, aus welchen Gründen die Arbeitsverhältnisse aufgelöst werden?
Wie eben dargelegt, erfasst die MassenentlassungsRL nur Vertragsbeendigungen aus Gründen, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen, also nur betrieblich oder wirtschaftlich bedingte Beendigungen. Personen- und verhaltensbedingte Vertragsbeendigungen sind von der RL hingegen nicht erfasst.
Der Wortlaut des § 45a AMFG enthält – anders als die MassenentlassungsRL – keine Einschränkung in Bezug auf die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aus diesem Grund und weil sowohl betriebs- als auch personenbedingte Vertragsbeendigungen den Arbeitsmarkt belasten, geht die herrschende Lehre davon aus, dass auch Arbeitgeberkündigungen aus Gründen, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, Auflösungen iSd § 45a AMFG sind.
Diese Argumentation überzeugt mich allerdings nicht. Richtig ist zwar, dass § 45a AMFG lediglich von „Auflösungen“ spricht, ohne nach dem Grund für die Beendigung zu unterscheiden. Daraus kann man aber nicht ableiten, auf das hinter der Auflösung stehende Motiv komme es nicht an. Die herrschende Lehre unterscheidet auch zwischen einvernehmlichen Auflösungen auf Initiative des Arbeitgebers und auf Initiative des Arbeitnehmers, obwohl der Wortlaut des § 45a AMFG eine Erfassung beider Beendigungsarten zuließe. Auch der Umstand, dass personen- und verhaltensbedingte Kündigungen den Arbeitsmarkt belasten, reicht für eine Einbeziehung dieser Beendigungsart in den Auflösungsbegriff nicht aus. Auch der Ablauf der Befristung belastet den Arbeitsmarkt, obwohl es sich dabei nach herrschender Meinung um keine Auflösung handelt.
Tatsächlich sprechen systematische Erwägungen dagegen, personen- und verhaltensbedingte Kündigungen dem Auflösungsbegriff des § 45a AMFG zu unterstellen. Gemäß § 109 Abs 1 Z 1a ArbVG gilt eine Massenkündigung als Betriebsänderung. Bei Betriebsänderungen handelt es sich aber im Allgemeinen um wirtschaftlich motivierte Maßnahmen. Das ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung des § 109 ArbVG, der den Mitwirkungsbefugnissen „in wirtschaftlichen Angelegenheiten“ zugeordnet ist. Vor diesem Hintergrund ist die Einbeziehung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungen wenig überzeugend. Wenn der Arbeitgeber mehrere Arbeitsverhältnisse aus Gründen auflöst, die in der Person oder im Verhalten der Arbeitnehmer liegen, handelt es sich dabei gerade um keine wirtschaftlich motivierte Maßnahme.
Hinzu kommt, dass auch die vom Massenentlassungsrecht vorgeschriebenen Verfahren bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen nicht sinnvoll durchgeführt werden können. Wie bereits ausgeführt, verfolgt das Massenentlassungsverfahren das Ziel, den beabsichtigten Personalabbau zu verhindern oder einzuschränken. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn es darum geht, einen Arbeitnehmer aus Gründen zu kündigen, die in seiner Person oder in seinem Verhalten liegen. Außerdem muss der Arbeitgeber personen- und verhaltensbedingte Kündigungsgründe unverzüglich geltend machen, wenn er sie in einem etwaigen Anfechtungsverfahren zur Rechtfertigung heranziehen möchte. Die Einhaltung der 30-tägigen Sperrfrist des § 45a Abs 2 AMFG ist damit kaum vereinbar.
Aus diesen Gründen sprechen aus meiner Sicht die besseren Argumente dagegen, personen- und verhaltensbedingte Kündigungen dem Auflösungsbegriff des § 45a AMFG zu unterstellen. Vielmehr sind Arbeitgeberkündigungen vom Auflösungsbegriff nur erfasst, wenn sie aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen erfolgen.
Fraglich ist allerdings, ob das auch der OGH so sehen würde. Er misst der arbeitsmarktpolitischen Stoßrichtung des Massenentlassungsrechts, die für eine Einbeziehung von personen- und verhaltensbedingten Kündigungen spricht, in seiner Rechtsprechung die größte Bedeutung zu.
4.3.2 Fallen berechtigte Entlassungen unter den Auflösungsbegriff des § 45a AMFG?
Beispiel: In einem Betrieb mit 100 in der Regel beschäftigten Arbeitnehmern setzen 30 Arbeitnehmer einen Entlassungsgrund. Der Arbeitgeber möchte nun alle 30 Arbeitnehmer berechtigt entlassen. Liegt eine Massenkündigung iSd § 45a AMFG vor?
Stellte man für die Frage, ob eine bestimmte Beendigungsart unter den Auflösungsbegriff des § 45a AMFG fällt, nur darauf ab, ob diese Beendigungsart dem Wort „Auflösung“ unterstellt werden kann und ob die fragliche Beendigungsart zu einer Belastung des Arbeitsmarkts führt, so könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass auch berechtigte Entlassungen „Auflösungen“ iSd § 45a AMFG sind. Dann würde eine Massenkündigung vorliegen, wenn der Arbeitgeber massenhaft Arbeitnehmer berechtigt entlässt.
Allerdings sind berechtigte Entlassungen nach herrschender Lehre kein Auflösungen iSd § 45a AMFG. Diese Ansicht halte ich aus zwei Gründen für überzeugend:
Das heißt, im oben gebrachten Beispiel liegt keine Massenkündigung vor.
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