Bevor Valentin Bendlinger als Senior Consultant in die ICON Wirtschaftstreuhand GmbH eingetreten ist, war er nach seinen Studien an der JKU Linz bis August 2023 als Universitätsassistent am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien beschäftigt und schloss dort sein Doktoratsstudium mit seiner Monographie mit dem Titel „The OECD’s Global Minimum Tax and its Implementation in the EU“ ab.[1] Zuvor, zwischen 2018 bis 2020, war er bereits als Universitätsassistent an der JKU Linz tätig. Im Jahr 2024 graduierte er als LL.M. des renommierten International Tax Program der New York University School of Law (NYU).
Valentin Bendlinger und Angela Stöger-Frank
Er ist Fachautor und Vortragender im Bereich des internationalen und europäischen Steuerrechts und gilt als Experte für die globale Mindestbesteuerung (Pillar II). Seine beruflichen Schwerpunkte sind das internationale Steuerrecht, Abkommensrecht, europäisches Steuerrecht und Pillar II.
Zuletzt referierte er am 23.1.2025 bei der Industriellenvereinigung im Rahmen einer Veranstaltung der IFA Österreich zu dem Thema „Pillar II im Lichte des Abkommensrechts“.[2] Auch zu vielen anderen aktuellen Themen des internationalen Steuerrechts meldet er sich zu Wort. Seine Publikationsliste ist bemerkenswert lang. Zuletzt wurde er sogar in der Financial Times zitiert.
BFGjournal : Du hast ein Jahr an der New York University School of Law studiert und bist erst im Mai 2024 nach Österreich zurückgekehrt. Wie hat es dir gefallen? Was hat dich dazu bewegt nach deinem Dissertationsstudium noch ein Masterstudium anzugehen? Wie war das Studium und wie hast du die USA wahrgenommen?
Bendlinger Valentin: Die Zeit an der NYU war wirklich magisch für mich. Ich war immer schon großer New York-Fan und es war am Beginn meiner Assistentenzeit an der JKU in Linz, wo mich initial Prof. Michael Tumpel nicht nur ermutigt hat, meine Dissertation in englischer Sprache zu verfassen, sondern mir auch den Floh ins Ohr gesetzt hat, vielleicht eines Tages den LL.M. an der NYU in Angriff zu nehmen.
Was mich dazu bewogen hat, nach meinem Dissertationsstudium noch ein Studium draufzusetzen und das Projekt tatsächlich zu verwirklichen, war einfach meine Lust, mein Wissen im internationalen Steuerrecht weiter zu vertiefen und meine persönliche Komfortzone einmal zu verlassen. Neues Land, neue Menschen und Perspektiven; und die Gesamtumstände haben zu dem Zeitpunkt einfach perfekt gepasst. Ich habe sowohl privat als auch beruflich unglaublich viel Unterstützung erfahren. Meine Lebensgefährtin wie auch meine Eltern sind voll hinter meiner Entscheidung gestanden. Ohne den Support der Familie wäre ein, wenn auch nur temporärer Umzug nach Übersee, schlichtweg undenkbar gewesen. Aber auch beruflich wurde ich sehr unterstützt. Sowohl von meinen damaligen Professoren an der WU (und JKU) wie auch meinem jetzigen Arbeitgeber, der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, habe ich sehr viel Zuspruch erhalten, wofür ich immer dankbar sein werde.
Das Studium hat sich als perfekte Wahl erwiesen. Das International Tax Program der NYU ist nicht ohne Grund sehr renommiert: In unserem Jahrgang nahmen an dem Programm insgesamt 17 Studenten aus aller Welt teil, mit denen man gemeinsam nicht nur die Grundzüge des US-Außensteuerrechts, sondern auch das DBA-Recht aus US-Perspektive erforschen konnte. Es war insgesamt eine wahnsinnig großartige Erfahrung und wohl eines der besten Jahre meines Lebens.
BFGjournal : Jeden Tag liest man über Trump und seine Dekrete in den Medien. Vor drei Wochen erschien ein Aufsatz in der Financial Times, in dem von den Folgen seiner Wiederwahl gewarnt wird, in dem du zitiert wurdest.[3] Der Titel des Aufsatzes lautet „Donald Trumps Rückkehr erhöht die Aussicht auf einen globalen Steuerkrieg“. Du hast dort zum Einfluss von Trumps Außenpolitik auf die globale Mindeststeuer Stellung genommen. Worauf müssen wir daher gefasst sein?
Bendlinger Valentin: Ich bin zum Glück kein Politiker und auch kein Wahrsager. Es ist wohl für niemanden absehbar, wie sich die weltpolitische Lage unter Präsident Trump verändern wird. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass sich viele Schritte der Trump-Administration gar nicht so richtig „fassen“ lassen. Es ist deshalb unmöglich vorherzusagen, worauf wir uns einstellen müssen.
Ich denke einfach, dass die EU-Mitgliedstaaten – auch wenn das derzeit schwer denkbar scheint – noch enger zusammenrücken sollten, und das hoffentlich auch tun werden. Europa sollte sich nicht mehr zu sehr auf den so vertrauten Partner USA verlassen. Steuerpolitisch wird sich die EU mittelfristig auch darauf konzentrieren müssen, wirtschaftlich wieder attraktiver zu werden, um im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsmächten bestehen zu können. Ich war schon immer ein Optimist, und hoffe auf ein geeintes Europa. Wenn schon global zu einer Politik des Protektionismus gewechselt wird, sollte innerhalb Europas davon Abstand genommen werden.
BFGjournal : Du giltst als Experte in der Mindestbesteuerung. Wie beurteilst du die Zukunft der Mindeststeuer? US-Präsident Trump hat ja auch Dekrete dem Kampf gegen eine diskriminierende Besteuerung einzelner Staaten gegen US Unternehmen gewidmet. Hat die Mindeststeuer überhaupt eine Zukunft oder ist Pillar II schon am Ende?
Bendlinger Valentin: Schon im Jahr 2020 wurde ich gefragt, ob es überhaupt Sinn macht, sich mit Pillar II zu beschäftigen, „weil die Amerikaner sowieso nicht dabei sein werden“. Bereits damals hat die US-Finanzverwaltung angekündigt, die globale Mindeststeuer nicht umsetzen zu wollen, worin einzelne Staaten die Todeserklärung von Pillar II gesehen haben. Zwei Jahre später – entgegen aller ursprünglichen Einschätzungen – hat der Rat einstimmig die auf den Vorarbeiten des OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS beruhende Mindeststeuer-RL (RL 2022/2523) beschlossen und wiederum zwei Jahre später, am 31.12.2023, ist in Österreich das MinBestG in Kraft getreten.
Fakt ist, dass die Mindeststeuer innerhalb Europas längst umgesetzt ist. Wenn Präsident Trump nun der globalen Mindeststeuer den Kampf ansagt, ändert das nichts daran, dass es die Mindeststeuer im Rechtsbestand in der Europäischen Union gibt, die inzwischen in das nationale Steuerrecht der Mitgliedstaaten übernommen worden ist. Die Mindeststeuer lässt sich überdies auch nicht so einfach abschaffen: Eine Änderung der Richtlinie bedarf gemäß Art 115 AEUV der Einstimmigkeit im Rat. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, wie schwierig es für die EU ist, solche einstimmigen Beschlüsse zu fassen. Nicht ohne Grund diskutiert die Wissenschaft seit Jahrzehnten über die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich des Steuerrechts (was aber wiederum einer Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten erfordern würde).
Es ist allerdings fraglich, ob es für die von Präsident Trump geforderte Ausnahme der USA für Zwecke der Mindeststeuer überhaupt einer Richtlinienänderung bedarf. Die Richtlinie gibt nämlich bezüglich der Ausgestaltung der sogenannten „Safe-Harbour Rules“ – das sind im Wesentlichen Ausnahmeregelungen von der globalen Mindeststeuer – kaum Vorgaben. So gibt es in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der OECD beispielsweise schon einen temporären Safe-Harbour, der im Wesentlichen darauf abzielt, in den USA erzielte Gewinne von US-Großkonzernen aus dem Pillar-Two-Regime temporär ausscheiden zu können. Dieser temporäre Safe-Harbour soll zwar nur für Geschäftsjahre gelten, die vor dem 31.12.2026 enden. Es wäre aber möglich, diesen temporären Safe-Harbour zu verlängern oder gar dauerhaft zu verankern. Auch eine Anerkennung der US-GILTI-Regeln – eine US-Nachversteuerungsregelung für im Ausland niedrig besteuerte Gewinne – als Pillar II äquivalente Regelungen (sog „anerkannte PES Regelung“) wäre denkbar.
Im Übrigen kann die Mindeststeuer für die EU auch ein Druckmittel sein. So könnte die Kommission Anpassung der Mindeststeuer an die Bedingung knüpfen, dass von den angekündigten Zöllen auf europäische Waren Abstand genommen wird.
Es sind sich daher alle Experten – meines Erachtens zurecht – darüber einig, dass die Mindeststeuer wohl noch nicht am Ende ist. Eine bloße politische Ankündigung der US-Regierung kann in der EU – Gott sei Dank – rechtlich nichts auslösen. Die sich aus dem österreichischen MinBestG ergebenden Verpflichtungen sind bis auf weiteres in Kraft und wirksam. Für die Wirtschaft sind die Ankündigungen von Präsident Trump dennoch besorgniserregend, weil sie mit Rechtsunsicherheit verbunden sind und tatsächlich die Frage aufwerfen, wie es mittel- bis langfristig mit Pillar II weitergehen wird.
BFGjournal : Wenn wir nun über Europa sprechen; vielfach wird ein Bürokratieabbau gefordert. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2024/25 enthält viele Initiativen zur Vereinfachung. Höchste Priorität haben die Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Sicherheit. Was erwartest du dabei für das Steuerrecht?
Bendlinger Valentin: Ich habe im Jahr 2018 begonnen, mich intensiver mit den innerhalb der EU spärlich harmonisierten direkten Steuern auseinanderzusetzen. Offen gesagt, habe ich den Eindruck, dass sich die europäische Steuerpolitik in den letzten Jahrzehnten in eine falsche Richtung bewegt hat. Während sich die EU in den 1990er Jahren im Bereich der Unternehmensbesteuerung noch damit beschäftigt hatte, steuerliche Behinderungen im Binnenmarkt und Handelshemmnisse zu beseitigen (zB durch die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie oder die Fusionsrichtlinie), konzentriert sich die Kommission im Bereich der direkten Steuern mittlerweile nur noch auf die Verhinderung von Missbrauch, Gewinnverlagerung und Steuerumgehung.
Spätestens seit ATAD I und ATAD II wird gegen missbräuchliche Steuergestaltungen und die Abwehr von Gewinnverlagerungen vorgegangen. Beispiel dafür ist der 2022 unterbreitete Richtlinienvorschlag der Kommission für eine „Unshell-Richtlinie“ zum Kampf gegen Briefkastengesellschaften, oder DEBRA, ein Richtlinienvorschlag, der zwar eine fiktive Eigenkapitalverzinsung ermöglichen, gleichzeitig aber den Abzug von Zinsen als Betriebsausgabe weiter einschränkten soll. Der Schutz vor Doppel- und Mehrfachbesteuerung tritt in den Hintergrund. Kritisch zu sehen ist auch der Umstand, dass die (rechtlich unverbindlichen) Vorschläge der OECD oft ohne umfassende Diskussion in rechtlich verbindliches EU-Recht übernommen werden.
Ich halte es für unangebracht, immer komplexer werdende Missbrauchsregeln und Abwehrgesetzgebung übereinanderzustapeln, ohne diese aufeinander abzustimmen. Wir haben das im Zusammenspiel der Mindestbesteuerungsrichtlinie mit ATAD I und II gesehen. Zu hinterfragen ist beispielsweise, ob es Sinn macht, eine Hinzurechnungsbesteuerung parallel zur globalen Mindestbesteuerung anzuwenden.
Aufgrund der derzeitigen weltpolitischen Lage muss man auch darüber nachdenken, gewisse überschießende Missbrauchsvorschriften bewusst wieder zurückzunehmen. Überhaupt wäre es an der Zeit, endlich wieder auch die systematischen Probleme divergierender Steuerrechtsordnungen innerhalb der Union anzugehen. Ich denke da zB an die Wegzugsbesteuerung: Noch immer kommt es – selbst innerhalb der EU – bei der Verlagerung der Ansässigkeit natürlicher Personen zu Doppelbesteuerung, die sich weder durch Abkommensrecht noch durch Unionsrecht lösen lässt. Wenn etwa im Wegzugsstaat eine Entstrickungsbesteuerung ausgelöst wird, der Zuzugsstaat aber keinen „Step-up“ gewährt, kommt es zu juristischer Doppelbesteuerung. Nach Ansicht vieler Staaten ist diese Doppelbesteuerung – aufgrund mangelnder DBA-Widrigkeit – nicht einmal durch ein Verständigungsverfahren zu lösen. Ich finde, es wäre an der Zeit, dass die EU im Bereich des direkten Steuerrechts wieder vermehrt die Beseitigung steuerlicher Hürden im Binnenmarkt in den Fokus rückt.
BFGjournal : Wie siehst du das in Österreich? Welche Maßnahmen im Bereich des Außensteuerrechts wären hier dringend erforderlich?
Bendlinger Valentin: Ich glaube, dass sich Österreich in einer zunehmend protektionistischen Weltpolitik als einen attraktiven Standort etablieren sollte. Das österreichische Außensteuerrecht ist mE sehr ausgereift, aber es gibt einige standortpolitische Aspekte, die in Angriff genommen werden müssen.
Ein wichtiges Thema ist beispielsweise das Abzugsverbot für Managergehälter über 500.000 Euro (§ 12 Abs 1 Z 8 KStG), das ich nicht nur für unsystematisch und steuerpolitisch fragwürdig halte, sondern mE auch fiskalischer Nonsens ist. Wenn etwa ein leitender Angestellter einer ausländischen Gesellschaft nach Österreich zieht und zB jährlich 2 Millionen Euro verdient, wird das in Österreich eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte begründen. In der Regel würde man dieser Betriebsstätte aber nur einen geringen Gewinnaufschlag zurechnen können, ergo verbliebe in Österreich kaum ein Körperschaftsteueraufkommen für das ausländische Unternehmen. Durch das Abzugsverbot für Managergehälter wäre aber ein Gewinn von mindestens 1,5 Millionen Euro zu versteuern, weshalb leitende Angestellte und Manager von international tätigen Unternehmen regelmäßig – ich habe das auch schon genauso in der Praxis erlebt – von einem Zuzug nach Österreich von vornherein Abstand nehmen. Für den Fiskus ist das besonders bedauerlich, weil das Steueraufkommen durch die Einkommensteuer auf das Einkommen des Managers deutlich höher gewesen wäre als das durch das Abzugsverbot generierte Mehraufkommen an Körperschaftsteuer, welches aufgrund der steuerlichen Pönalisierung des Zuzugs erst gar nicht generiert werden konnte.
Ein weiteres Thema, mit dem wir im Bereich der internationalen Unternehmensbesteuerung regelmäßig konfrontiert sind, sind Systemschwächen iZm der Anrechnung ausländischer Steuern. Ist das Welteinkommen eines Unternehmens negativ, geht eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern in Österreich ins Leere, und das, obwohl die ausländischen Einkünfte in Österreich den Verlustvortrag für Folgejahre mindern. Es kommt somit zu intertemporaler Doppelbesteuerung, die sich derzeit nicht lösen lässt.
Ich trete daher schon länger dafür ein, einen Anrechnungsvortrag von in einem Besteuerungszeitraum nicht verwertbaren ausländischen Steuern zuzulassen.[4] Ein Anrechnungsvortrag käme nämlich der heimischen Wirtschaft sehr zugute und würde die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb verbessern. Insbesondere deshalb, weil andere Staaten ihren Unternehmen diesbezüglich deutlich günstigere Regelungen anbieten.
Das sind nur zwei Beispiele, wo ich den österreichischen Gesetzgeber gefordert sehe, de lege ferenda Korrekturen vorzunehmen, deren budgetäre Auswirkungen aufgrund der dadurch steigenden Standortattraktivität auch verkraftbar wären. Für einen Überblick über die wesentlichsten Themen kann ich in diesem Zusammenhang einen erst kürzlich im Dezemberheft der SWI veröffentlichten Aufsatz meines Vaters empfehlen, der „Notwendige Reformen des österreichischen Außensteuerrechts“ aufzeigt.[5]
BFGjournal : Deine Publikationsliste ist sehr lang. Du hast dich bereits mit diversen Themen des nationalen und internationalen Steuerrechts beschäftigt; zuletzt etwa mit dem Verhältnis von DBA und Unionsrecht,[6] der KESt-Rückerstattung bei Portfoliodividenden[7] oder dem maltesischen Körperschaftsteuersystem.[8] Werden wir weiterhin von dir lesen?
Bendlinger Valentin: Mir hat das Publizieren immer sehr viel Spaß gemacht und ich lebe einfach für das Fach. Steuerrecht und Steuerpolitik kann unglaublich spannend und aufregend sein. Es gäbe mehr Themen zu diskutieren, als man in einem Leben abhandeln kann. Meine Liste, mit dem Titel „Aufsätze, die ich gerne noch schreiben würde“, wird immer länger, und scheint zu einer nicht bewältigbaren Lebensaufgabe zu werden. Dennoch werde ich sie nicht leichtfertig aufgeben. Auch wenn neben der Tätigkeit in einer Steuerberatungskanzlei weniger Zeit dafür bleibt als auf der Uni, möchte ich mich weiterhin der akademischen Forschung im Bereich des Abgabenrechts widmen.
BFGjournal : Abschließend eine Frage zu deinen nächsten beruflichen Zielen. Planst du eine weitere Ausbildung? Bei welchen Veranstaltungen oder literarischen Werken werden wir von dir hören oder lesen?
Bendlinger Valentin: Unmittelbar steht nun einmal die Erlangung der Steuerberater-Berufsbefugnis im Vordergrund. Darüber hinaus habe ich noch keine weiteren Ausbildungen geplant. Da man jedoch im Leben nie auslernt, habe ich keine Zweifel, dass mein Bildungsweg noch lange nicht am Ende ist. Wie bereits erwähnt, sind diverse weitere Publikationsprojekte und Veranstaltungen geplant. Ich bin daher davon überzeugt, dass wir weiter voneinander hören werden. Um ehrlich zu sein, habe ich aufgehört, meine Karriere zu sehr zu planen und mich dadurch zu blockieren. Noch vor wenigen Jahren hätte ich nie zu träumen gewagt, dass ich einmal an der NYU studieren dürfte. Wenn ich alles von Anfang an geplant hätte, wäre wohl nichts so gut aufgegangen.
1) Mein Ziel für heuer ist, … … meiner inneren Mitte ein Stückchen näher zu kommen. 2) Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit? Zunächst einmal habe ich besondere Freude am Fach Steuerrecht selbst. Steuerrecht ist eine unfassbar lebhafte Materie, wo Wirtschaft und Recht ineinandergreifen. Der Staat und unsere Demokratie wären ohne Steuern undenkbar. An meiner derzeitigen beruflichen Tätigkeit bei der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH gefällt mir die Vielfalt der beratenden und schriftstellerischen Tätigkeit, vor allem aber auch das Zwischenmenschliche. Ganz besonders schön finde ich, mit exzellenten Fachleuten zusammenarbeiten zu können. Es gibt kaum etwas Befriedigenderes, als erfolgreiche Teamarbeit, um gemeinsam die größten Hürden und Herausforderungen überwinden zu können. Ich bin unglaublich froh, in einem so großartigen Team gelandet zu sein. 3) Welches Buch (oder E-Book) hast du zuletzt gelesen? Roger Crowley, „City of Fortune: How Venice Won and Lost a Naval Empire”; kann ich nur empfehlen! Nun steht Schachgroßmeister Garry Kasparovs, „How Life Imitates Chess“ am Programm!
4) Welche sozialen Medien nutzt du? Was sind deine Lieblingspodcasts? Hast du einen Blog? LinkedIn beruflich und Instagram privat. Nachdem ich mich sehr für die Zivilluftfahrt interessiere, höre ich gerne den „The Simple Flying Podcast“, wo aktuelle Entwicklungen über Flugzeughersteller, Airlines und die neuesten Innovationen im Luftverkehr diskutiert werden. Einen Blog habe ich nicht, aber ich sehe mein LinkedIn-Profil als meinen persönlichen „Tax Law Blog“. 5) Nach der Arbeit … … verbringe ich gerne Zeit mit meiner Lebensgefährtin (besonders im Zusammenhang mit der Schmiede von neuen Reiseplänen), aber auch mit Freunden beim gemeinsamen Abendessen!
1 Bendlinger V, The OECD’s Global Minimum Tax and its Implementation in the EU: A Legal Analysis of Pillar Two in the Light of Tax Treaty and EU Law (2023).
2 Siehe dazu auch: Bendlinger V/Mayer, Pillar II: Potenzieller Konflikt des MinBestG mit DBA bei grenzüberschreitenden Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, SWI 2024, 639 ff.
3 Agyemang, „Donald Trump‘s return raises prospect of global tax war”, Financial Times, 12.1.2025.
4 Siehe etwa Bendlinger V, Ein Plädoyer für die Gewährung eines Anrechnungsvortrages bei betrieblichen Verlusten im Ansässigkeitsstaat in Kofler/Mitterlehner/Mitterlehner, Festschrift Stefan Bendlinger – Das internationale Steuerrecht in der Praxis (2024) 153 ff.
Bevor Valentin Bendlinger als Senior Consultant in die ICON Wirtschaftstreuhand GmbH eingetreten ist, war er nach seinen Studien an der JKU Linz bis August 2023 als Universitätsassistent am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien beschäftigt und schloss dort sein Doktoratsstudium mit seiner Monographie mit dem Titel „The OECD’s Global Minimum Tax and its Implementation in the EU“ ab.[1] Zuvor, zwischen 2018 bis 2020, war er bereits als Universitätsassistent an der JKU Linz tätig. Im Jahr 2024 graduierte er als LL.M. des renommierten International Tax Program der New York University School of Law (NYU).
Valentin Bendlinger und Angela Stöger-Frank
Er ist Fachautor und Vortragender im Bereich des internationalen und europäischen Steuerrechts und gilt als Experte für die globale Mindestbesteuerung (Pillar II). Seine beruflichen Schwerpunkte sind das internationale Steuerrecht, Abkommensrecht, europäisches Steuerrecht und Pillar II.
Zuletzt referierte er am 23.1.2025 bei der Industriellenvereinigung im Rahmen einer Veranstaltung der IFA Österreich zu dem Thema „Pillar II im Lichte des Abkommensrechts“.[2] Auch zu vielen anderen aktuellen Themen des internationalen Steuerrechts meldet er sich zu Wort. Seine Publikationsliste ist bemerkenswert lang. Zuletzt wurde er sogar in der Financial Times zitiert.
BFGjournal : Du hast ein Jahr an der New York University School of Law studiert und bist erst im Mai 2024 nach Österreich zurückgekehrt. Wie hat es dir gefallen? Was hat dich dazu bewegt nach deinem Dissertationsstudium noch ein Masterstudium anzugehen? Wie war das Studium und wie hast du die USA wahrgenommen?
Bendlinger Valentin: Die Zeit an der NYU war wirklich magisch für mich. Ich war immer schon großer New York-Fan und es war am Beginn meiner Assistentenzeit an der JKU in Linz, wo mich initial Prof. Michael Tumpel nicht nur ermutigt hat, meine Dissertation in englischer Sprache zu verfassen, sondern mir auch den Floh ins Ohr gesetzt hat, vielleicht eines Tages den LL.M. an der NYU in Angriff zu nehmen.
Was mich dazu bewogen hat, nach meinem Dissertationsstudium noch ein Studium draufzusetzen und das Projekt tatsächlich zu verwirklichen, war einfach meine Lust, mein Wissen im internationalen Steuerrecht weiter zu vertiefen und meine persönliche Komfortzone einmal zu verlassen. Neues Land, neue Menschen und Perspektiven; und die Gesamtumstände haben zu dem Zeitpunkt einfach perfekt gepasst. Ich habe sowohl privat als auch beruflich unglaublich viel Unterstützung erfahren. Meine Lebensgefährtin wie auch meine Eltern sind voll hinter meiner Entscheidung gestanden. Ohne den Support der Familie wäre ein, wenn auch nur temporärer Umzug nach Übersee, schlichtweg undenkbar gewesen. Aber auch beruflich wurde ich sehr unterstützt. Sowohl von meinen damaligen Professoren an der WU (und JKU) wie auch meinem jetzigen Arbeitgeber, der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, habe ich sehr viel Zuspruch erhalten, wofür ich immer dankbar sein werde.
Das Studium hat sich als perfekte Wahl erwiesen. Das International Tax Program der NYU ist nicht ohne Grund sehr renommiert: In unserem Jahrgang nahmen an dem Programm insgesamt 17 Studenten aus aller Welt teil, mit denen man gemeinsam nicht nur die Grundzüge des US-Außensteuerrechts, sondern auch das DBA-Recht aus US-Perspektive erforschen konnte. Es war insgesamt eine wahnsinnig großartige Erfahrung und wohl eines der besten Jahre meines Lebens.
BFGjournal : Jeden Tag liest man über Trump und seine Dekrete in den Medien. Vor drei Wochen erschien ein Aufsatz in der Financial Times, in dem von den Folgen seiner Wiederwahl gewarnt wird, in dem du zitiert wurdest.[3] Der Titel des Aufsatzes lautet „Donald Trumps Rückkehr erhöht die Aussicht auf einen globalen Steuerkrieg“. Du hast dort zum Einfluss von Trumps Außenpolitik auf die globale Mindeststeuer Stellung genommen. Worauf müssen wir daher gefasst sein?
Bendlinger Valentin: Ich bin zum Glück kein Politiker und auch kein Wahrsager. Es ist wohl für niemanden absehbar, wie sich die weltpolitische Lage unter Präsident Trump verändern wird. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass sich viele Schritte der Trump-Administration gar nicht so richtig „fassen“ lassen. Es ist deshalb unmöglich vorherzusagen, worauf wir uns einstellen müssen.
Ich denke einfach, dass die EU-Mitgliedstaaten – auch wenn das derzeit schwer denkbar scheint – noch enger zusammenrücken sollten, und das hoffentlich auch tun werden. Europa sollte sich nicht mehr zu sehr auf den so vertrauten Partner USA verlassen. Steuerpolitisch wird sich die EU mittelfristig auch darauf konzentrieren müssen, wirtschaftlich wieder attraktiver zu werden, um im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsmächten bestehen zu können. Ich war schon immer ein Optimist, und hoffe auf ein geeintes Europa. Wenn schon global zu einer Politik des Protektionismus gewechselt wird, sollte innerhalb Europas davon Abstand genommen werden.
BFGjournal : Du giltst als Experte in der Mindestbesteuerung. Wie beurteilst du die Zukunft der Mindeststeuer? US-Präsident Trump hat ja auch Dekrete dem Kampf gegen eine diskriminierende Besteuerung einzelner Staaten gegen US Unternehmen gewidmet. Hat die Mindeststeuer überhaupt eine Zukunft oder ist Pillar II schon am Ende?
Bendlinger Valentin: Schon im Jahr 2020 wurde ich gefragt, ob es überhaupt Sinn macht, sich mit Pillar II zu beschäftigen, „weil die Amerikaner sowieso nicht dabei sein werden“. Bereits damals hat die US-Finanzverwaltung angekündigt, die globale Mindeststeuer nicht umsetzen zu wollen, worin einzelne Staaten die Todeserklärung von Pillar II gesehen haben. Zwei Jahre später – entgegen aller ursprünglichen Einschätzungen – hat der Rat einstimmig die auf den Vorarbeiten des OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS beruhende Mindeststeuer-RL (RL 2022/2523) beschlossen und wiederum zwei Jahre später, am 31.12.2023, ist in Österreich das MinBestG in Kraft getreten.
Fakt ist, dass die Mindeststeuer innerhalb Europas längst umgesetzt ist. Wenn Präsident Trump nun der globalen Mindeststeuer den Kampf ansagt, ändert das nichts daran, dass es die Mindeststeuer im Rechtsbestand in der Europäischen Union gibt, die inzwischen in das nationale Steuerrecht der Mitgliedstaaten übernommen worden ist. Die Mindeststeuer lässt sich überdies auch nicht so einfach abschaffen: Eine Änderung der Richtlinie bedarf gemäß Art 115 AEUV der Einstimmigkeit im Rat. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, wie schwierig es für die EU ist, solche einstimmigen Beschlüsse zu fassen. Nicht ohne Grund diskutiert die Wissenschaft seit Jahrzehnten über die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich des Steuerrechts (was aber wiederum einer Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten erfordern würde).
Es ist allerdings fraglich, ob es für die von Präsident Trump geforderte Ausnahme der USA für Zwecke der Mindeststeuer überhaupt einer Richtlinienänderung bedarf. Die Richtlinie gibt nämlich bezüglich der Ausgestaltung der sogenannten „Safe-Harbour Rules“ – das sind im Wesentlichen Ausnahmeregelungen von der globalen Mindeststeuer – kaum Vorgaben. So gibt es in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der OECD beispielsweise schon einen temporären Safe-Harbour, der im Wesentlichen darauf abzielt, in den USA erzielte Gewinne von US-Großkonzernen aus dem Pillar-Two-Regime temporär ausscheiden zu können. Dieser temporäre Safe-Harbour soll zwar nur für Geschäftsjahre gelten, die vor dem 31.12.2026 enden. Es wäre aber möglich, diesen temporären Safe-Harbour zu verlängern oder gar dauerhaft zu verankern. Auch eine Anerkennung der US-GILTI-Regeln – eine US-Nachversteuerungsregelung für im Ausland niedrig besteuerte Gewinne – als Pillar II äquivalente Regelungen (sog „anerkannte PES Regelung“) wäre denkbar.
Im Übrigen kann die Mindeststeuer für die EU auch ein Druckmittel sein. So könnte die Kommission Anpassung der Mindeststeuer an die Bedingung knüpfen, dass von den angekündigten Zöllen auf europäische Waren Abstand genommen wird.
Es sind sich daher alle Experten – meines Erachtens zurecht – darüber einig, dass die Mindeststeuer wohl noch nicht am Ende ist. Eine bloße politische Ankündigung der US-Regierung kann in der EU – Gott sei Dank – rechtlich nichts auslösen. Die sich aus dem österreichischen MinBestG ergebenden Verpflichtungen sind bis auf weiteres in Kraft und wirksam. Für die Wirtschaft sind die Ankündigungen von Präsident Trump dennoch besorgniserregend, weil sie mit Rechtsunsicherheit verbunden sind und tatsächlich die Frage aufwerfen, wie es mittel- bis langfristig mit Pillar II weitergehen wird.
BFGjournal : Wenn wir nun über Europa sprechen; vielfach wird ein Bürokratieabbau gefordert. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2024/25 enthält viele Initiativen zur Vereinfachung. Höchste Priorität haben die Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Sicherheit. Was erwartest du dabei für das Steuerrecht?
Bendlinger Valentin: Ich habe im Jahr 2018 begonnen, mich intensiver mit den innerhalb der EU spärlich harmonisierten direkten Steuern auseinanderzusetzen. Offen gesagt, habe ich den Eindruck, dass sich die europäische Steuerpolitik in den letzten Jahrzehnten in eine falsche Richtung bewegt hat. Während sich die EU in den 1990er Jahren im Bereich der Unternehmensbesteuerung noch damit beschäftigt hatte, steuerliche Behinderungen im Binnenmarkt und Handelshemmnisse zu beseitigen (zB durch die Mutter-Tochter-Richtlinie, die Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie oder die Fusionsrichtlinie), konzentriert sich die Kommission im Bereich der direkten Steuern mittlerweile nur noch auf die Verhinderung von Missbrauch, Gewinnverlagerung und Steuerumgehung.
Spätestens seit ATAD I und ATAD II wird gegen missbräuchliche Steuergestaltungen und die Abwehr von Gewinnverlagerungen vorgegangen. Beispiel dafür ist der 2022 unterbreitete Richtlinienvorschlag der Kommission für eine „Unshell-Richtlinie“ zum Kampf gegen Briefkastengesellschaften, oder DEBRA, ein Richtlinienvorschlag, der zwar eine fiktive Eigenkapitalverzinsung ermöglichen, gleichzeitig aber den Abzug von Zinsen als Betriebsausgabe weiter einschränkten soll. Der Schutz vor Doppel- und Mehrfachbesteuerung tritt in den Hintergrund. Kritisch zu sehen ist auch der Umstand, dass die (rechtlich unverbindlichen) Vorschläge der OECD oft ohne umfassende Diskussion in rechtlich verbindliches EU-Recht übernommen werden.
Ich halte es für unangebracht, immer komplexer werdende Missbrauchsregeln und Abwehrgesetzgebung übereinanderzustapeln, ohne diese aufeinander abzustimmen. Wir haben das im Zusammenspiel der Mindestbesteuerungsrichtlinie mit ATAD I und II gesehen. Zu hinterfragen ist beispielsweise, ob es Sinn macht, eine Hinzurechnungsbesteuerung parallel zur globalen Mindestbesteuerung anzuwenden.
Aufgrund der derzeitigen weltpolitischen Lage muss man auch darüber nachdenken, gewisse überschießende Missbrauchsvorschriften bewusst wieder zurückzunehmen. Überhaupt wäre es an der Zeit, endlich wieder auch die systematischen Probleme divergierender Steuerrechtsordnungen innerhalb der Union anzugehen. Ich denke da zB an die Wegzugsbesteuerung: Noch immer kommt es – selbst innerhalb der EU – bei der Verlagerung der Ansässigkeit natürlicher Personen zu Doppelbesteuerung, die sich weder durch Abkommensrecht noch durch Unionsrecht lösen lässt. Wenn etwa im Wegzugsstaat eine Entstrickungsbesteuerung ausgelöst wird, der Zuzugsstaat aber keinen „Step-up“ gewährt, kommt es zu juristischer Doppelbesteuerung. Nach Ansicht vieler Staaten ist diese Doppelbesteuerung – aufgrund mangelnder DBA-Widrigkeit – nicht einmal durch ein Verständigungsverfahren zu lösen. Ich finde, es wäre an der Zeit, dass die EU im Bereich des direkten Steuerrechts wieder vermehrt die Beseitigung steuerlicher Hürden im Binnenmarkt in den Fokus rückt.
BFGjournal : Wie siehst du das in Österreich? Welche Maßnahmen im Bereich des Außensteuerrechts wären hier dringend erforderlich?
Bendlinger Valentin: Ich glaube, dass sich Österreich in einer zunehmend protektionistischen Weltpolitik als einen attraktiven Standort etablieren sollte. Das österreichische Außensteuerrecht ist mE sehr ausgereift, aber es gibt einige standortpolitische Aspekte, die in Angriff genommen werden müssen.
Ein wichtiges Thema ist beispielsweise das Abzugsverbot für Managergehälter über 500.000 Euro (§ 12 Abs 1 Z 8 KStG), das ich nicht nur für unsystematisch und steuerpolitisch fragwürdig halte, sondern mE auch fiskalischer Nonsens ist. Wenn etwa ein leitender Angestellter einer ausländischen Gesellschaft nach Österreich zieht und zB jährlich 2 Millionen Euro verdient, wird das in Österreich eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte begründen. In der Regel würde man dieser Betriebsstätte aber nur einen geringen Gewinnaufschlag zurechnen können, ergo verbliebe in Österreich kaum ein Körperschaftsteueraufkommen für das ausländische Unternehmen. Durch das Abzugsverbot für Managergehälter wäre aber ein Gewinn von mindestens 1,5 Millionen Euro zu versteuern, weshalb leitende Angestellte und Manager von international tätigen Unternehmen regelmäßig – ich habe das auch schon genauso in der Praxis erlebt – von einem Zuzug nach Österreich von vornherein Abstand nehmen. Für den Fiskus ist das besonders bedauerlich, weil das Steueraufkommen durch die Einkommensteuer auf das Einkommen des Managers deutlich höher gewesen wäre als das durch das Abzugsverbot generierte Mehraufkommen an Körperschaftsteuer, welches aufgrund der steuerlichen Pönalisierung des Zuzugs erst gar nicht generiert werden konnte.
Ein weiteres Thema, mit dem wir im Bereich der internationalen Unternehmensbesteuerung regelmäßig konfrontiert sind, sind Systemschwächen iZm der Anrechnung ausländischer Steuern. Ist das Welteinkommen eines Unternehmens negativ, geht eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern in Österreich ins Leere, und das, obwohl die ausländischen Einkünfte in Österreich den Verlustvortrag für Folgejahre mindern. Es kommt somit zu intertemporaler Doppelbesteuerung, die sich derzeit nicht lösen lässt.
Ich trete daher schon länger dafür ein, einen Anrechnungsvortrag von in einem Besteuerungszeitraum nicht verwertbaren ausländischen Steuern zuzulassen.[4] Ein Anrechnungsvortrag käme nämlich der heimischen Wirtschaft sehr zugute und würde die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb verbessern. Insbesondere deshalb, weil andere Staaten ihren Unternehmen diesbezüglich deutlich günstigere Regelungen anbieten.
Das sind nur zwei Beispiele, wo ich den österreichischen Gesetzgeber gefordert sehe, de lege ferenda Korrekturen vorzunehmen, deren budgetäre Auswirkungen aufgrund der dadurch steigenden Standortattraktivität auch verkraftbar wären. Für einen Überblick über die wesentlichsten Themen kann ich in diesem Zusammenhang einen erst kürzlich im Dezemberheft der SWI veröffentlichten Aufsatz meines Vaters empfehlen, der „Notwendige Reformen des österreichischen Außensteuerrechts“ aufzeigt.[5]
BFGjournal : Deine Publikationsliste ist sehr lang. Du hast dich bereits mit diversen Themen des nationalen und internationalen Steuerrechts beschäftigt; zuletzt etwa mit dem Verhältnis von DBA und Unionsrecht,[6] der KESt-Rückerstattung bei Portfoliodividenden[7] oder dem maltesischen Körperschaftsteuersystem.[8] Werden wir weiterhin von dir lesen?
Bendlinger Valentin: Mir hat das Publizieren immer sehr viel Spaß gemacht und ich lebe einfach für das Fach. Steuerrecht und Steuerpolitik kann unglaublich spannend und aufregend sein. Es gäbe mehr Themen zu diskutieren, als man in einem Leben abhandeln kann. Meine Liste, mit dem Titel „Aufsätze, die ich gerne noch schreiben würde“, wird immer länger, und scheint zu einer nicht bewältigbaren Lebensaufgabe zu werden. Dennoch werde ich sie nicht leichtfertig aufgeben. Auch wenn neben der Tätigkeit in einer Steuerberatungskanzlei weniger Zeit dafür bleibt als auf der Uni, möchte ich mich weiterhin der akademischen Forschung im Bereich des Abgabenrechts widmen.
BFGjournal : Abschließend eine Frage zu deinen nächsten beruflichen Zielen. Planst du eine weitere Ausbildung? Bei welchen Veranstaltungen oder literarischen Werken werden wir von dir hören oder lesen?
Bendlinger Valentin: Unmittelbar steht nun einmal die Erlangung der Steuerberater-Berufsbefugnis im Vordergrund. Darüber hinaus habe ich noch keine weiteren Ausbildungen geplant. Da man jedoch im Leben nie auslernt, habe ich keine Zweifel, dass mein Bildungsweg noch lange nicht am Ende ist. Wie bereits erwähnt, sind diverse weitere Publikationsprojekte und Veranstaltungen geplant. Ich bin daher davon überzeugt, dass wir weiter voneinander hören werden. Um ehrlich zu sein, habe ich aufgehört, meine Karriere zu sehr zu planen und mich dadurch zu blockieren. Noch vor wenigen Jahren hätte ich nie zu träumen gewagt, dass ich einmal an der NYU studieren dürfte. Wenn ich alles von Anfang an geplant hätte, wäre wohl nichts so gut aufgegangen.
… meiner inneren Mitte ein Stückchen näher zu kommen.
2) Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit?
Zunächst einmal habe ich besondere Freude am Fach Steuerrecht selbst. Steuerrecht ist eine unfassbar lebhafte Materie, wo Wirtschaft und Recht ineinandergreifen. Der Staat und unsere Demokratie wären ohne Steuern undenkbar.
An meiner derzeitigen beruflichen Tätigkeit bei der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH gefällt mir die Vielfalt der beratenden und schriftstellerischen Tätigkeit, vor allem aber auch das Zwischenmenschliche. Ganz besonders schön finde ich, mit exzellenten Fachleuten zusammenarbeiten zu können.
Es gibt kaum etwas Befriedigenderes, als erfolgreiche Teamarbeit, um gemeinsam die größten Hürden und Herausforderungen überwinden zu können. Ich bin unglaublich froh, in einem so großartigen Team gelandet zu sein.
3) Welches Buch (oder E-Book) hast du zuletzt gelesen?
Roger Crowley, „City of Fortune: How Venice Won and Lost a Naval Empire”; kann ich nur empfehlen! Nun steht Schachgroßmeister Garry Kasparovs, „How Life Imitates Chess“ am Programm!
LinkedIn beruflich und Instagram privat. Nachdem ich mich sehr für die Zivilluftfahrt interessiere, höre ich gerne den „The Simple Flying Podcast“, wo aktuelle Entwicklungen über Flugzeughersteller, Airlines und die neuesten Innovationen im Luftverkehr diskutiert werden. Einen Blog habe ich nicht, aber ich sehe mein LinkedIn-Profil als meinen persönlichen „Tax Law Blog“.
5) Nach der Arbeit …
… verbringe ich gerne Zeit mit meiner Lebensgefährtin (besonders im Zusammenhang mit der Schmiede von neuen Reiseplänen), aber auch mit Freunden beim gemeinsamen Abendessen!
1 Bendlinger V, The OECD’s Global Minimum Tax and its Implementation in the EU: A Legal Analysis of Pillar Two in the Light of Tax Treaty and EU Law (2023).
2 Siehe dazu auch: Bendlinger V/Mayer, Pillar II: Potenzieller Konflikt des MinBestG mit DBA bei grenzüberschreitenden Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, SWI 2024, 639 ff.
3 Agyemang, „Donald Trump‘s return raises prospect of global tax war”, Financial Times, 12.1.2025.
4 Siehe etwa Bendlinger V, Ein Plädoyer für die Gewährung eines Anrechnungsvortrages bei betrieblichen Verlusten im Ansässigkeitsstaat in Kofler/Mitterlehner/Mitterlehner, Festschrift Stefan Bendlinger – Das internationale Steuerrecht in der Praxis (2024) 153 ff.
5 Bendlinger S, Notwendige Reformen des österreichischen Außensteuerrechts, SWI 2024, 648 ff.
6 Bendlinger V, Der Einfluss von Unionsrecht auf Abkommensmissbrauch, SWI 2024, 476 ff.
7 Bendlinger V, Die Besteuerung von österreichischen Portfoliodividenden ausländischer Investmentvehikel, ecolex 2023, 12 ff.
8 Bendlinger V, Einkommensteuerliche Einordnung einer maltesischen KöSt-Rückerstattung an eine natürliche Person, SWK 22/2024, 1009 ff.