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Entscheidung: VwGH 29. 1. 2020, Ra 2019/13/0071.
Normen: §§ 262, 264, 292 BAO.

Im Rahmen eines Einkommensteuerverfahrens beantragte ein Steuerpflichtiger die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 292 BAO. Das BFG wies den Antrag auf Verfahrenshilfe für das Beschwerdeverfahren ab. Es begründete, wenn auch die strittigen Rechtsfragen im Hinblick auf den Umfang und die Komplexität besondere Schwierigkeiten sachlicher und rechtlicher Art aufwiesen, sei dennoch dem juristisch ausgebildeten und wirtschaftlich erfahrenen Steuerpflichtigen die selbständige Führung des Verfahrens zumutbar. Zudem überstiegen die Einkünfte des Steuerpflichtigen seinen notwendigen Unterhalt, weshalb auch aus diesem Grund die Verfahrenshilfe nicht zu gewähren sei.

Der Steuerpflichtige erhob außerordentliche Revision. Der VwGH ließ die Revision zu und hob den Beschluss des BFG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

Der VwGH führte  aus, gemäß § 292 BAO sei die Verfahrenshilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wenn die zu entscheidenden Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufwiesen und die Partei außerstande sei, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.

Die Voraussetzung der „besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art“ stehe derzeit beim VfGH wegen verfassungsrechtlicher Bedenken in Prüfung (Prüfungsbeschluss des VfGH 11. 12. 2019, E 2851/2018). Der VwGH teile aber nicht die Ansicht des BFG, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall der Gewährung von Verfahrenshilfe entgegenstehe, weshalb der Revisionsfall vor der Entscheidung des VfGH über die Gesetzesprüfung entschieden werden könne:

Zwar komme in einem Verfahren wie dem vorliegenden, in dem keine Vertretungspflicht bestehe, im Hinblick auf die Manuduktionspflicht und den Grundsatz der materiellen Wahrheit der Beigebung eines Rechtsanwalts oder eines Steuerberaters als Verfahrenshelfer Ausnahmecharakter zu. Ein derartiger Ausnahmefall liege jedoch vor. Das gegenständliche Verfahren betreffe insbesondere Fragen der Amtshilfe in mehreren Staaten sowie Fragen betreffend DBA und Fragen der Beurteilung des wirtschaftlichen Gehalts von Options- und Termingeschäften. Und aus dem Umstand, dass der Steuerpflichtige juristisch ausgebildet und zweifellos wirtschaftlich erfahren ist, sei – entgegen der Ansicht des BFG – nicht ableitbar, dass er die rechtliche Relevanz etwa von Auslandssachverhalten in einer Weise zu überblicken vermögen, die für eine ordnungsgemäße Führung des Verfahrens erforderlich sei.

Was die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bewilligung anbelange, erfordere die Beantwortung der Frage, ob die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts aufgebracht werden können, eine Schätzung der auf Seiten des Antragstellers voraussichtlich anfallenden Kosten; eine solche Schätzung habe das BFG rechtswidrigerweise unterlassen.

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