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Privatstiftungen: Neue Rechtsprechung zur Übertragung von stillen Reserven auf eine Ersatzbeteiligung

(Bild: © iStock/AndreyPopov)

Entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis (Stiftungsrichtlinien 2009 Rz 117) verneint der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17.11.2022, Ra 2021/15/0053-9, die Übertragbarkeit von stillen Reserven nach § 13 Abs 4 KStG im Wege einer Kapitalerhöhung und Leistung eines Agio bei einer als Alleingesellschafterin erworbenen 100%igen Tochtergesellschaft der Privatstiftung, weil dadurch keine „neuen“ Anteile erworben werden.

Hintergrundinformation

Veräußert eine Privatstiftung einen nicht im Betriebsvermögen gehaltenen Anteil an einer Körperschaft, an der die Privatstiftung innerhalb der letzten 5 Jahre zu irgendeinem Zeitpunkt zu mindestens 1% beteiligt war, besteht gemäß § 13 Abs 4 KStG die Möglichkeit, den realisierten Veräußerungsüberschuss auf eine Ersatzbeteiligung zu übertragen, um den ungeschmälerten Erlös aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung für Neuinvestitionen zur Verfügung zu haben.

Als Ersatzbeteiligung qualifiziert ein von der Privatstiftung angeschaffter Anteil an einer Körperschaft, der mehr als 10% beträgt. Davon ausgenommen sind Anschaffungen von bestehenden Anteilen von einer Körperschaft, an der die Privatstiftung, ein Stifter oder ein Begünstigter allein oder gemeinsam unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 20% beteiligt sind.

Die Ersatzbeteiligung ist entweder im Kalenderjahr der Veräußerung oder innerhalb von 12 Monaten ab der Veräußerung der Beteiligung anzuschaffen (Stichwort Bildung eines steuerfreien Betrages). Diese Regelung ist der Übertragung stiller Reserven iSd § 12 EStG nachgebildet und ist somit eine Investitionsbegünstigung für Ersatzanschaffungen.

Eine Übertragbarkeit stiller Reserven auf eine Ersatzbeteiligung ist auch dann gegeben, wenn der Anteilserwerb im Rahmen einer Neugründung einer Kapitalgesellschaft durch die Privatstiftung oder im Wege einer Kapitalerhöhung erfolgt. Dementsprechend galt nach der Verwaltungspraxis auch eine Kapitalerhöhung bei einer bereits 100%igen Tochtergesellschaft der Privatstiftung als Anschaffung iSd § 13 Abs 4 KStG, die folglich eine Übertragung stiller Reserven ermöglichte (vgl Stiftungsrichtlinien 2009 Rz 117).

Auch ein im Zuge einer Kapitalerhöhung geleistetes Agio ist nach der Verwaltungspraxis als Anteilsanschaffung zu qualifizieren (StiftR 2009 Rz 117). Demgegenüber führt die Gewährung eines Gesellschafterzuschusses lediglich zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten an der bereits bestehenden Beteiligung und berechtigt nicht zur Übertragung von stillen Reserven aus der Veräußerung von Anteilen. Denn dabei kommt es nicht zu einer Anschaffung eines Anteils, sondern zu einer Ausstattung einer bestehenden Beteiligung mit zusätzlichem Kapital.

Die Übertragung von stillen Reserven führt zu einer Verminderung der Anschaffungskosten der neu erworbenen Anteile und somit zu einer aufgeschobenen Besteuerung von realisierten stillen Reserven erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Ersatzbeteiligung.

Der Fall

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) vom 17.11.2022, Ra 2021/15/0053-9, betrifft die Übertragung von stillen Reserven iHv EUR 11.169.687,00 aus dem Verkauf einer wesentlichen Beteiligung auf eine neu erworbene 100%ige Beteiligung der Privatstiftung, für die am Tag des Erwerbes eine Kapitalerhöhung iHv EUR 1 Mio durchgeführt und ein Agio iHv EUR 10,2 Mio zugesagt wurde.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

Der VwGH hält fest, dass eine Übertragbarkeit von stillen Reserven iSd § 13 Abs 4 KStG auf eine Ersatzbeteiligung dann gegeben ist, wenn eine Tochtergesellschaft durch die Privatstiftung neu gegründet wird oder wenn eine ordentliche Kapitalerhöhung bei einer Gesellschaft erfolgt und die Privatstiftung durch eine solche einen mindestens 10%igen Anteil an der Körperschaft (zusätzlich) erwirbt.

Kann an der Kapitalerhöhung nur teilnehmen, wer für die neuen Anteile ein Agio leistet, steht dieses, den Anschaffungskosten der neu erworbenen Anteile zuzuordnende Agio beim Erwerber der neuen Anteile für eine Übertragung von stillen Reserven iSd § 13 Abs 4 KStG zur Verfügung.

Im Fall einer Kapitalerhöhung durch die 100%ige Alleingesellschafterin, die nur von ihr ge-zeichnet werden soll, liegt – so der VwGH – weder eine Änderung des Beteiligungsausmaßes noch ein Erwerb einer zusätzlichen 10%igen Beteiligung vor.

Im Ergebnis verneint der VwGH – im Gegensatz zur Verwaltungspraxis (Stiftungsrichtlinien 2009 Rz 117) – somit eine Übertragbarkeit von stillen Reserven nach § 13 Abs 4 KStG im gegenständlichen Fall, weil aufgrund der bereits im Vorfeld bestehenden 100%igen Beteiligung an der Tochtergesellschaft, keine „neuen“ Anteile iSd § 13 Abs 4 KStG angeschafft werden.

Da das Agio den neu ausgegebenen Anteilen zuzuordnen ist und die Ursache dafür nicht im Ausgleich der Beiträge der verschiedenen Gesellschafter liegt, könne auch keine Übertragung stiller Reserven auf das Agio erfolgen.

Auswirkungen auf die Praxis

Nach dieser Rechtsprechung ist entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis und Literaturmeinung eine Übertragung von stillen Reserven auf eine bereits bestehende 100%ige Beteiligung der Privatstiftung im Wege einer Kapitalerhöhung oder eines Agio nicht (mehr) möglich.

Die Reaktion der Abgabenverwaltung oder des Gesetzgebers auf die oa Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für Altfälle, die im Vertrauen auf die Ausführungen in den Stiftungsrichtlinien (Rz 117) bei der Übertragung von stillen Reserven iSd § 13 Abs 4 KStG gehandelt haben, bleibt abzuwarten.

AUTOR:INNEN

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Sabine Kirchmayr-Schliesselberger

Steuerberaterin | Prof. an der Universität Wien | Of Counsel

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Yvonne Schuchter-Mang

Steuerberaterin | Partnerin | Gesellschafterin

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