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GREEN TAX | Die Weiterentwicklung der Kunststoffbesteuerung in Europa

(Bild: © iStock/William_Potter)

Platzer Günther  |  Steiner Sabine

Aus Unternehmenssicht führt kein Weg daran vorbei, denn Fakt ist: die Einführung und Weiterentwicklung von Kunststoffsteuern ist ein zentraler Bestandteil der Bemühungen der EU zur Reduzierung der Umweltbelastung durch Kunststoffabfälle und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Grundlage dafür ist die EU-Einwegkunststoffrichtlinie, welche den Rahmen, die Absichten und die möglichen Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten präzisiert. Einzelne europäische Länder haben bereits unterschiedliche Ansätze und Regelungen eingeführt, andere warten noch ab oder sind bereits intensiv an der Ausarbeitung eigener Strategien. Dieser Artikel bietet Ihnen einen Überblick über das Grundlagenwerk dieser Richtlinie und verweist auf die aktuelle Studie unseres Netzwerkpartners WTS Global, aus der die aktuellen Entwicklungen in den EU-Mitgliedstaaten ersichtlich sind.

Wir haben bereits in der Vergangenheit über die aktuellen Entwicklungen in diversen EU-Mitgliedstaaten berichtet: über den sogenannten “Green Deal” und damit verbunden über die Einführung der EU-weiten Plastikabgabe, den Beitrag der EU-Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt, über die Einführung der Plastiksteuer in Spanien sowie über das EPR-Regime in Ungarn und die Implementierung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie in Polen samt einem Update der Plastikbesteuerung in Europa für 2023.

All diese neuen Maßnahmen fußen auf der EU-Einwegkunststoffrichtlinie 2019/904, die als rechtliche Grundlage dient und deren Hauptziele nachstehend näher erläutert werden.

Die Einwegkunststoffrichtlinie der EU 2019/904: Ein Wegweiser zur Reduktion von Einwegkunststoffen

Die EU-Richtlinie 2019/904 (Single-Use Plastics Directive, SUPD), auch bekannt als Einwegkunststoffrichtlinie, ist ein wesentlicher Bestandteil der Bemühungen der EU, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu fördern. Diese Richtlinie richtet sich insbesondere gegen Einwegkunststoffe, Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff sowie gegen Fanggeräte, die Kunststoffe enthalten.  Verabschiedet am 5. Juni 2019, zielt diese Richtlinie darauf ab, die Menge an Kunststoffabfällen zu reduzieren, deren negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu minimieren und die Abfallbewirtschaftung zu verbessern.

Hauptziele der Richtlinie

Die Richtlinie verfolgt mehrere Hauptziele:

  1. Reduzierung des Verbrauchs von Einwegkunststoffen (Artikel 4): Mitgliedstaaten sollen Maßnahmen ergreifen, um den Verbrauch bestimmter Einwegkunststoffe (definiert in Teil A des Anhangs der RL – zB Getränkebecher, Lebensmittelverpackungen für Take-away-Gerichte) erheblich zu reduzieren.
  2. Verbote bestimmter Kunststoffprodukte (Artikel 5): Einige Einwegkunststoffe (definiert in Teil B des Anhangs der RL), für die bereits Alternativen existieren, werden vollständig verboten. Dazu gehören Kunststoffbesteck, -teller, -strohhalme und Wattestäbchen.
  3. Produktanforderungen (Artikel 6): Die Richtlinie legt spezifische Anforderungen an die Gestaltung von Kunststoffprodukten fest, um deren Umweltbelastung zu verringern und die Recyclingfähigkeit zu verbessern (zB Verschlüsse/Deckel bestimmter Einwegkunststoffprodukte müssen fest befestigt sein). Kunststoffflaschen (gemäß Anhang F der RL) müssen bis 2025 mindestens 25%, bis 2030 mindestens 30% recycelten Kunststoff enthalten.
  4. Kennzeichnungspflichten (Artikel 7): Produkte, wie Feuchttücher, Hygieneartikel und Tabakerzeugnisse mit Kunststofffiltern (siehe Teil D des Anhangs) müssen deutlich gekennzeichnet werden, um über die korrekte Entsorgung und die Umweltauswirkungen zu informieren. 
  5. Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) (Artikel 8): Hersteller werden verpflichtet, die Kosten für das Management und die Reinigung von Abfällen bestimmter Kunststoffprodukte zu tragen und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu finanzieren. Hersteller müssen Rücknahmesysteme einführen und sicherstellen, dass sie den gesetzlichen Meldepflichten nachkommen. Dies gilt insbesondere für Verpackungen, Tabakprodukte mit Filtern und Feuchttücher (Teil E des Anhangs).
  6. Verbesserung der Abfallbewirtschaftung (Getrennte Sammlung gemäß Artikel 9): Die Richtlinie fordert die Mitgliedstaaten auf, die Abfallbewirtschaftung und die Recyclingfähigkeiten zu verbessern, um die Wiederverwertung von Kunststoffen zu fördern. Zum Zweck des Recyclings sollen bis 2025 77% der Kunststoffflaschen (Teil F), bis 2029 90% getrennt gesammelt werden. 
  7. Sensibilisierungsmaßnahmen (Artikel 10): verpflichtet Mitgliedstaaten zur Sensibilisierung der Verbraucher.

Die Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie stellt die Mitgliedstaaten und Unternehmen vor unzählige Herausforderungen: diese umfassen die Anpassung nationaler Gesetze und Vorschriften, die Schaffung neuer Infrastrukturen für das Abfallmanagement und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Unternehmen müssen sich mit den spezifischen Vorschriften in jedem Land vertraut machen, ihre internen Prozesse anpassen und sicherstellen, dass sie den neuen gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Neue Anforderungen für Hersteller und Vertreiber von Einwegkunststoffprodukten

In den letzten Jahren haben sich die Ansätze der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie und zur Reduktion von Einweg-Kunststoffprodukten erheblich weiterentwickelt, eine einheitliche Vorgehensweise ist allerdings nicht erkennbar. Die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Ländern reichen von ordnungsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur Einführung von nationalen Plastiksteuern. Die Harmonisierung der bereits existierenden Bestimmungen und eine einheitliche Vorgehensweise der Mitgliedstaaten wäre ein wünschenswerter Schritt, um Unternehmen die Einhaltung der unzähligen Vorschriften zu erleichtern. Die Einführung einer EU-weiten Plastiksteuer ist aber aufgrund der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten und der Notwendigkeit eines einstimmigen Beschlusses aller Mitgliedstaaten ein komplexes Thema.

Zur Umsetzung der Richtlinie 2019/905 wurden in den Mitgliedsstaaten verschiedene Maßnahmen ergriffen, die – zusammengefasst – in folgende Bereiche untergliedert werden können: 

  • Ordnungsrecht 

Produktverbote und Kennzeichnungsvorschriften für Einwegkunststoffe; Adaptierung der Abfallbewirtschaftung; Pfandsysteme; Produktanforderungen

  • Erweiterte Produktverantwortung

Ungarn: Erweiterung der Herstellerhaftung auf als umweltschädlich eingestufte Produkte (unter anderem: Verpackungen, Reifen, Batterien, verschiedene elektronische Geräte, Papier- und Textilprodukte …)

  • Sonderabgabe für Abfallentsorgung

Deutschland: Sonderabgabe für den Einwegplastikfonds (seit 1.1.2024)

Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Finnland: Einwegkunststoffabgaben für Tabakerzeugnisse

  • Plastiksteuer 

Refinanzierung der EU-Kunststoffabgabe, bereits umgesetzt in diversen Ländern

Unternehmen, die international agieren, sind daher gefordert, sich umfassend zu informieren und zu prüfen, ob neben neuen Plastiksteuern eventuell auch ordnungsrechtliche Bestimmungen oder eine erweiterte Produktverantwortung zu beachten sind. Damit einher gehen in der Regel Registrierungs- und Berichtspflichten, deren Nichteinhaltung mit nicht unerheblichen Strafen verbunden sind.

Nachstehend finden Sie die Verlinkung zu einem Update zu den einzelnen Bestimmungen in den diversen EU-Mitgliedstaaten. 

Plastiksteuern in der EU – Update 2024

WTS Global hat Ihre Studie „Plastic Taxation in Europe“ erweitert und für 2024 upgedatet.

FAZIT

Die Weiterentwicklung der Kunststoffbesteuerung in der EU erfordert von Unternehmen, dass sie Ihre Prozesse und Systeme kontinuierlich anpassen und die aktuellen Entwicklungen beobachten. Dabei gilt es, das Augenmerk nicht nur auf neue Steuern oder Abgaben zu richten, sondern auch ordnungsrechtliche Maßnahmen, Registrierungspflichten sowie die regelmäßige Abgabe von Erklärungen zu prüfen, denn: zur Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie haben EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Maßnahmen gesetzt.  Den aktuellen Stand dieser Weiterentwicklung in den einzelnen EU Mitgliedstaaten können Sie dem Update 2024 zur Plastikbesteuerung in der EU entnehmen, einer Studie unseres Netzwerkes „WTS global“.

Sollten Sie Fragen haben oder Unterstützung zu diesem Themenbereich benötigen, stehen Ihnen die Verfasser sowie die übrigen Kolleginnen und Kollegen aus der Service Line „Indirect Tax & Customs​​​​​​​“ gerne zur Verfügung!

Zum Originalartikel

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