Das BFG hat in seinem Erkenntnis vom 10.1.2025, RV/1100318/2020, Trinkgelder, deren Annahme leicht feststellbar war, im Ausmaß von ca 25 % der monatlichen Bruttobezüge des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen. Dabei dürfte es sich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls aber um keine Entscheidung handeln, die maßgeblichen Einfluss auf die Prüfpraxis oder auf die Rechtsprechung in der Zukunft haben wird.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war als Grenzgänger in Liechtenstein in einer Spielbank beschäftigt. Er erhielt von seinem Arbeitgeber im Rahmen seiner Beschäftigung Trinkgelder aus dem Tronc in Höhe von insgesamt 15.848 € – ein Betrag, der mehr als 25 % seiner monatlichen Bruttobezüge ausmachte. Die individuelle Annahme von Trinkgeld war in seiner Position gemäß dem liechtensteinischen Geldspielgesetz (GSG) verboten.
Einschätzung
Der Entscheidung des BFG wird in der aktuellen Diskussion eine überzogene Bedeutung beigemessen. Es liegt ihr ein sehr spezifischer, grenzüberschreitender Sachverhalt zugrunde. Dazu kommt aber vor allem, dass für die Steuerfreiheit von Trinkgeldern kein gesetzliches oder kollektivvertragliches Verbot von deren Annahme bestehen darf. Das BFG hat dies unter Verweis auf Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz (23. Lfg, 2022) § 3 Tz 197, auch ausdrücklich betont.

Dass die Trinkgelder mehr als 25 % der monatlichen Bruttobezüge des Steuerpflichtigen betragen haben, hat das BFG wohl dazu verleitet, die Ortsüblichkeit der Höhe der Trinkgelder, die für die Steuerfreiheit eine Grundvoraussetzung darstellt, zu verneinen. Damit ist das BFG aber nicht konsequent gewesen. Dass die vom Steuerpflichtigen angenommenen Trinkgelder nicht ortsüblich waren, ergibt sich nämlich nicht aus dem Verhältnis zwischen ihrer Höhe und den monatlichen Bezügen, sondern einzig und allein daraus, dass das Trinkgeld aus gesetzlichen Gründen gar nicht angenommen werden hätte dürfen. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Wenn der Steuerpflichtige kein Trinkgeld annehmen darf, dann kann es auch kein ortsübliches steuerfreies Trinkgeld geben.
Ortsüblichkeit von Trinkgeldern
Bei der Ortsüblichkeit der Trinkgelder im Hotel- und Gastgewerbe ist strikt hinsichtlich
- der Lage des jeweiligen Betriebs, also dem breiten Spektrum zwischen einer touristischen Randlage und einer touristisch sehr stark frequentierten Lage, sowie
- der Branche des jeweiligen Betriebs, also dem breiten Spektrum zwischen dem Betrieb in der einfachen Gastronomie und dem Betrieb in der Hotellerie im Fünf-Sterne-Bereich,
zu unterscheiden.
Das entspricht schon dem Wortsinn des Begriffs „Ortsüblichkeit“, der keine generelle Gleichheit, sondern Gleichheit innerhalb der jeweiligen Branche und innerhalb des einzelnen Ortes gewährleisten möchte. Das Verhältnis zwischen der Höhe der Trinkgelder und der monatlichen Bezüge hat mit Ortsüblichkeit nichts zu tun.
Missbrauch von Trinkgeldern
Ob ein Missbrauch der Steuerfreiheit von Trinkgeldern vorliegt, lässt sich nicht anhand von deren Höhe oder anhand von deren Verhältnis zu den monatlichen Bezügen beurteilen. Missbrauch liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber, um die Lohnsteuer zu minimieren,
- mit den Arbeitnehmern bewusst einen ortsunüblich niedrigen monatlichen Bezug vereinbart und
- die Gäste aufgrund dieser Tatsache dazu anhält, den Arbeitnehmern ein hohes Trinkgeld zu geben.
Missbrauch liegt somit keinesfalls vor, wenn die Arbeitnehmer monatliche Bezüge erhalten, die im Sinne der oben erwähnten Ortsüblichkeit auch bei anderen vergleichbaren Betrieben vor Ort gezahlt werden. Ob der Arbeitgeber die Gäste in einem solchen Fall zusätzlich anhält, den Arbeitnehmern ein hohes Trinkgeld zu geben, ist irrelevant.
Resümee
Alles in allem sind Trinkgelder im „gewöhnlichen“ Rahmen im Hotel- und Gastgewerbe weiterhin steuerfrei. Das Verhältnis zwischen der Höhe der Trinkgelder und den monatlichen Bezügen spielt weiterhin eine untergeordnete Rolle. Mangelnde Ortsüblichkeit und Missbrauch von Trinkgeldern müssen vom Finanzamt nicht nur behauptet, sondern festgestellt und nachgewiesen werden, indem es entsprechende Erhebungen innerhalb der Branche in einer bestimmten Region vornimmt.
Allerdings ist zu befürchten, dass in jenen Betrieben, in denen sich die gewährten Trinkgelder leicht ermitteln lassen, weil sie beispielsweise in einem Hotel auf das Zimmer geschrieben oder bei einer Rechnung mit Kreditkarte gegeben werden, eine vermehrte Prüfungstätigkeit stattfinden wird. Im Rahmen dieser Prüfungen gilt es, auf den oben dargestellten Grundsätzen zu beharren und diesen – wenn nicht anders möglich – im Rechtsmittelwege zu ihrer Geltung zu verhelfen.
Gastbeitrag von Dr. Günter Steinlechner
Fundstelle(n):
PV-Info 6/2025, 7
EAAAF-82078
Das BFG hat in seinem Erkenntnis vom 10.1.2025, RV/1100318/2020, Trinkgelder, deren Annahme leicht feststellbar war, im Ausmaß von ca 25 % der monatlichen Bruttobezüge des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen. Dabei dürfte es sich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls aber um keine Entscheidung handeln, die maßgeblichen Einfluss auf die Prüfpraxis oder auf die Rechtsprechung in der Zukunft haben wird.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war als Grenzgänger in Liechtenstein in einer Spielbank beschäftigt. Er erhielt von seinem Arbeitgeber im Rahmen seiner Beschäftigung Trinkgelder aus dem Tronc in Höhe von insgesamt 15.848 € – ein Betrag, der mehr als 25 % seiner monatlichen Bruttobezüge ausmachte. Die individuelle Annahme von Trinkgeld war in seiner Position gemäß dem liechtensteinischen Geldspielgesetz (GSG) verboten.
Einschätzung
Der Entscheidung des BFG wird in der aktuellen Diskussion eine überzogene Bedeutung beigemessen. Es liegt ihr ein sehr spezifischer, grenzüberschreitender Sachverhalt zugrunde. Dazu kommt aber vor allem, dass für die Steuerfreiheit von Trinkgeldern kein gesetzliches oder kollektivvertragliches Verbot von deren Annahme bestehen darf. Das BFG hat dies unter Verweis auf Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz (23. Lfg, 2022) § 3 Tz 197, auch ausdrücklich betont.
Dass die Trinkgelder mehr als 25 % der monatlichen Bruttobezüge des Steuerpflichtigen betragen haben, hat das BFG wohl dazu verleitet, die Ortsüblichkeit der Höhe der Trinkgelder, die für die Steuerfreiheit eine Grundvoraussetzung darstellt, zu verneinen. Damit ist das BFG aber nicht konsequent gewesen. Dass die vom Steuerpflichtigen angenommenen Trinkgelder nicht ortsüblich waren, ergibt sich nämlich nicht aus dem Verhältnis zwischen ihrer Höhe und den monatlichen Bezügen, sondern einzig und allein daraus, dass das Trinkgeld aus gesetzlichen Gründen gar nicht angenommen werden hätte dürfen. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Wenn der Steuerpflichtige kein Trinkgeld annehmen darf, dann kann es auch kein ortsübliches steuerfreies Trinkgeld geben.
Ortsüblichkeit von Trinkgeldern
Bei der Ortsüblichkeit der Trinkgelder im Hotel- und Gastgewerbe ist strikt hinsichtlich
zu unterscheiden.
Das entspricht schon dem Wortsinn des Begriffs „Ortsüblichkeit“, der keine generelle Gleichheit, sondern Gleichheit innerhalb der jeweiligen Branche und innerhalb des einzelnen Ortes gewährleisten möchte. Das Verhältnis zwischen der Höhe der Trinkgelder und der monatlichen Bezüge hat mit Ortsüblichkeit nichts zu tun.
Missbrauch von Trinkgeldern
Ob ein Missbrauch der Steuerfreiheit von Trinkgeldern vorliegt, lässt sich nicht anhand von deren Höhe oder anhand von deren Verhältnis zu den monatlichen Bezügen beurteilen. Missbrauch liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber, um die Lohnsteuer zu minimieren,
Missbrauch liegt somit keinesfalls vor, wenn die Arbeitnehmer monatliche Bezüge erhalten, die im Sinne der oben erwähnten Ortsüblichkeit auch bei anderen vergleichbaren Betrieben vor Ort gezahlt werden. Ob der Arbeitgeber die Gäste in einem solchen Fall zusätzlich anhält, den Arbeitnehmern ein hohes Trinkgeld zu geben, ist irrelevant.
Resümee
Alles in allem sind Trinkgelder im „gewöhnlichen“ Rahmen im Hotel- und Gastgewerbe weiterhin steuerfrei. Das Verhältnis zwischen der Höhe der Trinkgelder und den monatlichen Bezügen spielt weiterhin eine untergeordnete Rolle. Mangelnde Ortsüblichkeit und Missbrauch von Trinkgeldern müssen vom Finanzamt nicht nur behauptet, sondern festgestellt und nachgewiesen werden, indem es entsprechende Erhebungen innerhalb der Branche in einer bestimmten Region vornimmt.
Allerdings ist zu befürchten, dass in jenen Betrieben, in denen sich die gewährten Trinkgelder leicht ermitteln lassen, weil sie beispielsweise in einem Hotel auf das Zimmer geschrieben oder bei einer Rechnung mit Kreditkarte gegeben werden, eine vermehrte Prüfungstätigkeit stattfinden wird. Im Rahmen dieser Prüfungen gilt es, auf den oben dargestellten Grundsätzen zu beharren und diesen – wenn nicht anders möglich – im Rechtsmittelwege zu ihrer Geltung zu verhelfen.
Gastbeitrag von Dr. Günter Steinlechner
Fundstelle(n):
PV-Info 6/2025, 7
EAAAF-82078