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(Bild: © iStock/AndreyPopov) (Bild: © iStock/AndreyPopov)

Anlassfall „Kiss Cam“ – Wenn sich das Privatleben auf den Beruf auswirkt

Dominik Simic und Elisabeth Plese *

Während eines Konzerts wurde eine „Kiss Cam“ auf den CEO und die CPO eines US-amerikanischen Unternehmens gerichtet. Was eigentlich ein privater Moment hätte sein sollen, verbreitete sich binnen kürzester Zeit viral im Internet. Das Unternehmen erklärte, von seinen Führungskräften werde erwartet, sowohl im Verhalten als auch in der Verantwortlichkeit Maßstäbe zu setzen. Eine interne Untersuchung wurde eingeleitet. Wenige Tage später traten sowohl der CEO als auch die CPO zurück. Dieser Beitrag beleuchtet die arbeits-, datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Aspekte von Beziehungen am Arbeitsplatz in Österreich ausgehend vom Beispielsfall des „Kiss-Cam-Vorfalls“. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob und wie Arbeitgeber im Spannungsfeld zwischen privatem Verhalten und betrieblichem Interesse agieren können und welche Compliance-Instrumente hierfür zur Verfügung stehen.

1. Grundlegendes

„Kiss Cams“, die ursprünglich in den 1980er-Jahren als romantische Pausenfüller eingeführt wurden, illustrieren exemplarisch das Zusammenwirken zwischen privatem Verhalten und beruflichen Konsequenzen. Während Verhaltenskodizes US-amerikanischer Unternehmen Beziehungen am Arbeitsplatz oftmals generell untersagen, zeigen auch europäische Beispiele die möglichen Auswirkungen: So wurde erst kürzlich der Vorstandsvorsitzende eines Schweizer Lebensmittelkonzerns entlassen, weil er entgegen den Vorgaben des internen Verhaltenskodex eine Beziehung mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin nicht offengelegt hatte. Sind derartige Bestimmungen und Verhaltenskodizes auch in Österreich denkbar oder durchsetzbar? Welche datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Implikationen hätten vergleichbare Vorfälle hierzulande?

2. Recht auf Privatleben – auch im Job

In Österreich gibt es kein gesetzliches Verbot von Beziehungen am Arbeitsplatz. Vielmehr haben Beschäftigte auch im Zusammenhang mit ihrer Arbeit ein Recht auf den Schutz ihres Privatlebens, das auch in Art 8 EMRK und § 16 ABGB verankert ist. Dieses verfassungsrechtlich gewährte Grundrecht auf Privatleben gilt nicht nur gegenüber dem Staat, sondern wirkt auch mittelbar im Verhältnis der Bürger untereinander. Es ist daher bei der Beurteilung der Beziehungen zwischen Bürgern untereinander zu berücksichtigen.[1] Vor diesem Aspekt ist das Recht auf den Schutz der Privatsphäre auch im Arbeitsverhältnis zu beachten.

Ein generelles Verbot intimer Beziehungen zwischen Arbeitskollegen wäre nach österreichischem Recht sittenwidrig.[2] Auch der EGMR hat wiederholt betont, dass der Schutz des Privatlebens nicht an den Grenzen des eigenen Heims endet, sondern sich auf alle Bereiche erstreckt, in denen eine Person berechtigterweise eine gewisse Privatsphäre erwarten kann.[3]

S. 381 3. Arbeitsrechtliche Auswirkungen privater Beziehungen

Eine private Beziehung zwischen Beschäftigten rechtfertigt per se keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen und stellt keinen Grund für eine Kündigung oder Entlassung dar. Bereits 1911 urteilte der OGH sinngemäß, dass persönliche Beziehungen keine arbeitsrechtlichen Sanktionen rechtfertigen,[4] solange sie nicht die Arbeitspflichten beeinträchtigen.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass private Beziehungen grenzenlos geschützt sind. Tritt zur privaten Beziehung ein weiteres Element hinzu, sodass die betrieblichen Interessen beeinträchtigt werden, können arbeitsrechtliche Konsequenzen durchaus zulässig sein. Je nach Einzelfall sind sie sogar zwingend erforderlich.

3.1. Vernachlässigung der arbeitsvertraglichen Pflichten

Führt die private Beziehung dazu, dass Beschäftigte ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzen, können arbeitsrechtliche Konsequenzen ergriffen werden. Haben zB Verstöße gegen Dienstanweisungen, Pflichtvernachlässigungen durch das Nichterledigen von Arbeiten oder das unentschuldigte Fernbleiben von der Arbeit ihren Grund in der privaten Beziehung, können im Einzelfall arbeitsrechtliche Maßnahmen getroffen werden. Diese reichen von Verwarnungen und Versetzungen bis hin zur Kündigung oder Entlassung.

3.2. Auswirkungen auf das Betriebsklima

Entstehen durch die private Beziehung Spannungen und Konflikte im Team oder zwischen den Beschäftigten und wirkt sich dies negativ auf das Betriebsklima aus, haben Arbeitgeber die Pflicht, dem gegenzusteuern. Der Arbeitgeber muss Schritte einleiten, um einen respektvollen Umgang zwischen den Beschäftigten wiederherzustellen.

Je nach Schwere der Situation können klärende Gespräche ausreichend oder eine örtliche bzw arbeitszeitliche Trennung der Beschäftigten notwendig sein, um ein unbelastetes Betriebsklima zu erreichen. Sollten die Maßnahmen nicht zum Erfolg führen und das Betriebsklima (weiterhin) erheblich beeinträchtigt sein, kann als Ultima Ratio die Kündigung der beteiligten Personen erwogen werden.

Arbeitgeber sollten sorgfältig dokumentieren, dass sie angemessene Schritte zur Konfliktlösung unternommen haben, und belegen können, dass allfällige Maßnahmen verhältnismäßig sind.

3.3. Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz untersagt es Arbeitgebern, Beschäftigte willkürlich zu benachteiligen.[5] Es ist unzulässig, Beschäftigte aufgrund sachfremder Erwägungen anders zu behandeln als die übrige Belegschaft. Eine private Beziehung am Arbeitsplatz kann daher problematisch werden, wenn sie dazu führt, dass einzelne Beschäftigte bevorzugt oder benachteiligt werden.

Kommt es aufgrund der privaten Beziehung zu einer unsachlichen Bevorzugung des Partners, zB bei der Leistungsbewertung, bei Beförderungen, Gehaltsverhandlungen oder bei der Arbeitszeit, liegen eine unzulässige Diskriminierung und ein klarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Der Arbeitgeber hat die Pflicht, den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten und seine Einhaltung im Betrieb sicherzustellen.

S. 382 3.4. Beziehungen zwischen Führungskräften und ihnen unterstellten Mitarbeitenden

Private Beziehungen zwischen Führungskräften und ihnen unterstellten Beschäftigten sind besonders kritisch. Während die Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes gerade in dieser Konstellation gewährleistet werden muss, stellt sich zusätzlich die Frage eines möglichen Machtmissbrauchs oder unangemessenen Verhaltens (zB sexuelle Belästigung). Dies kann zB der Fall sein, wenn eine Führungskraft berufliche Vorteile an die Bereitschaft zu sexuellen Handlungen knüpft, zB die betroffene Person gegen ihren Willen am Körper berührt oder anzügliche Bemerkungen über deren Figur macht.[6] Wird eine Person vom Arbeitgeber sexuell belästigt, stellt dies gemäß § 6 GlBG eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und damit einen Verstoß gegen das GlBG dar.

Bei Verstößen gegen das GlBG haben Beschäftigte einen Ausgleichsanspruch. Sie sind so zu stellen, wie sie stünden, wenn die Ungleichbehandlung nicht stattgefunden hätte. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber einen diskriminierungsfreien Zustand wiederherzustellen und diesen auch zukünftig zu gewährleisten hat.[7] Auch Schadenersatzforderungen von diskriminierten Beschäftigten nach dem GlBG sind in diesem Zusammenhang möglich.[8] Klare Regeln im Umgang mit sexuellem Fehlverhalten im Unternehmen sind daher unumgänglich. Sie wirken präventiv, indem sie sowohl Beschäftigte schützen als auch das Unternehmen vor Haftungsrisiken bewahren. Ein generelles Beziehungsverbot zwischen Beschäftigten ist jedoch – wie bereits erwähnt – unzulässig. Unzulässig ist sohin auch ein generelles Beziehungsverbot zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, zumal dieses übermäßig in die private Lebensführung eingreifen würde.

Weiters ist auch eine generelle Offenlegung persönlicher Beziehungen oder privater Umstände ohne sachlichen Grund rechtswidrig, da sie das Recht auf Privatleben unverhältnismäßig einschränkt.[9] Eine Offenlegungs- bzw Meldepflicht für Beziehungen zwischen Vorgesetzten und ihnen unterstellten Beschäftigten wäre uE jedoch zulässig. Sie ist geeignet, Interessenkonflikte zu verhindern, Beschäftigte zu schützen und Transparenz zu schaffen. Eine solche Offenlegungspflicht enthält zB auch der Verhaltenskodex eines großen Schweizer Lebensmittelherstellers, der seinen Vorstandsvorsitzenden aufgrund einer nicht offengelegten Beziehung mit einer direkt untergeordneten Beschäftigten entließ.[10] Dennoch hat der Arbeitgeber, vor allem bei allfälligen Konsequenzen, die Verhältnismäßigkeit und die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zwingend zu wahren.[11]

3.5. Mögliche Auswirkungen und Konsequenzen privater Beziehungen

Mögliche Auswirkungen privater BeziehungenMögliche Konsequenzen im Einzelfall
Vernachlässigung der arbeitsvertraglichen PflichtenVerwarnung, gegebenenfalls Versetzung, bei Beharrlichkeit Kündigung oder in gravierenden Fällen: Entlassung
Konflikte im TeamMediation, gegebenenfalls Verwarnungen oder Versetzungen, gegebenenfalls Kündigung
S. 383 Machtmissbrauch durch die FührungskraftVerwarnung, Versetzung, Kündigung, in gravierenden Fällen: Entlassung der Führungskraft
Ungleichbehandlung aufgrund der Beziehung am ArbeitsplatzVerwarnungen oder Versetzungen, gegebenenfalls Kündigung
Sexuelle Belästigungbei Verstoß gegen das GlBG: Sanktionen nach dem GlBG
Verletzung von VertraulichkeitVerwarnung, gegebenenfalls Kündigung, in gravierenden Fällen: Entlassung

Tab 1: Übersicht zu möglichen Auswirkungen und Konsequenzen privater Beziehungen am Arbeitsplatz

4. Was können Arbeitgeber regeln?

4.1. Zulässige Regelungen

Arbeitgeber können private Beziehungen am Arbeitsplatz bzw zwischen Beschäftigten nicht verbieten, im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht aber bestimmte Regeln aufstellen. In Verhaltensrichtlinien kann der Umgang mit Nähe im Team bzw das Vorgehen bei sexueller Belästigung geregelt werden.

Abgesehen davon sollten regelmäßig einschlägige Schulungen stattfinden. Es gilt, die Beschäftigten für die Themen Missbrauch von Machtverhältnissen, Gleichbehandlung und sexuelle Belästigung zu sensibilisieren und ihr Bewusstsein zu schärfen.

4.2. Grenzen der Regelung

Bestimmte Eingriffe in das Privatleben der Beschäftigten sind unzulässig. Dazu gehören absolute Beziehungsverbote, die die Persönlichkeitsrechte unverhältnismäßig stark einschränken würden. Ebenso verhält es sich mit einer generellen Pflicht zur Offenlegung.

Besonders kritisch ist zudem jede Form von Kontrolle des Privatlebens, etwa das Ausspionieren privater Chats oder eine Kameraüberwachung. Solche Maßnahmen sind mit Datenschutz- und Persönlichkeitsrechten unvereinbar und daher unzulässig.

4.3. Präventive Maßnahmen

Aufgrund ihrer Verantwortung und Vorbildwirkung sollten insbesondere Führungskräfte und Beschäftigte in sensiblen Bereichen wie Finance, HR oder Auditing entsprechend geschult und auf die bereichsspezifischen Folgen von Fehlverhalten aufmerksam gemacht werden. Hierfür sind strukturelle Maßnahmen empfehlenswert, um Interessenkonflikte und Befangenheit zu vermeiden. Ein zentrales Instrument ist dabei das Vier-Augen-Prinzip, bei dem wichtige Entscheidungen und Prozesse von mindestens zwei Personen geprüft und genehmigt werden müssen. Dies bedeutet konkret, dass verschiedene Aufgaben oder Entscheidungen auf verschiedene Personen aufgeteilt werden sollten. Denkbar wäre zB, dass eine Person die Gehaltserhöhung verhandelt, während eine andere Person diese genehmigt. Auf diese Weise kann einer unsachlichen Entscheidung aufgrund einer persönlichen Beziehung vorgebeugt werden.

Darüber hinaus sollte es im Unternehmen klar definierte Anlaufstellen (zB Compliance Officer oder Gleichbehandlungsbeauftragte) geben, an die sich Betroffene wenden können. Entscheidend ist, dass Beschwerden stets sachlich, vertraulich und diskriminierungsfrei behandelt werden. Außerdem bilden geschützte Meldesysteme einen wichtiS. 384 gen Baustein, um Beschäftigten die nötige Sicherheit zu vermitteln und ihnen zu ermöglichen, Missstände vertraulich und ohne Nachteile zu kommunizieren.

Die genannten Maßnahmen können dazu beitragen, Risiken für Interessenkonflikte, Machtmissbrauch oder Rufschädigung frühzeitig zu erkennen und konsequent zu vermeiden.

5. Die „Kiss Cam“ unter der Lupe von DSGVO und Bildnisschutz

Neben arbeitsrechtlichen Konsequenzen wirft der „Kiss Cam“-Fall auch erhebliche datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Fragen bezüglich öffentlicher Bildaufnahmen bei Großveranstaltungen auf.

5.1. Datenverarbeitung nach der DSGVO

Die Analyse der „Kiss Cam“ setzt bei der scheinbar trivialen Frage an, ob „Kiss Cam“-Aufnahmen überhaupt in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen, was bereits deshalb zu bejahen ist, weil Video-, Bild- und Tonaufnahmen von Gesichtern, Verhaltensweisen oder Stimmprofilen eine objektive Identifizierbarkeit ermöglichen.[12] Im vorliegenden Fall wurden die Protagonisten binnen weniger Stunden in den sozialen Medien erkannt. Ist der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet, muss jede Datenverarbeitung im Einklang mit Art 8 GRC stehen, die Grundsätze des Art 5 Abs 1 DSGVO beachten und sich zwingend auf einen Rechtmäßigkeitsgrund nach Art 6 Abs 1 DSGVO stützen.[13]

Die Datenverarbeitung aufgrund einer Einwilligung nach Art 6 Abs 1 lit a DSGVO ist bei Massenveranstaltungen unpraktikabel. Einerseits kann eine Einwilligung gemäß Art 7 Abs 3 DSGVO jederzeit widerrufen werden, andererseits setzt eine solche nach Art 4 Z 11 DSGVO eine freiwillige Willensbekundung voraus. Zudem ist das „Kopplungsverbot“ zu beachten, wonach es dem Veranstalter versagt ist, einen Vertragsschluss von einer Zustimmung zu einer dafür nicht erforderlichen Datenverarbeitung abhängig zu machen.[14] In Österreich dürfte der Verkauf von Tickets nicht von der Einwilligung in die Datenverarbeitung abhängig gemacht werden.

Eine Rechtfertigung nach Art 6 Abs 1 lit b DSGVO scheidet aus, da die Verarbeitung der personenbezogenen Daten für die Erfüllung eines Veranstaltungsvertrags nicht als objektiv unerlässlich angesehen werden kann.[15]

Denkbar ist die Berufung auf den Rechtfertigungsgrund des berechtigten Interesses nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO. Die Zulässigkeit der Verarbeitung setzt voraus, dass 1) die Verarbeitung der Wahrnehmung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten dient, 2) sie zur Erreichung dieser Interessen erforderlich ist und 3) die gegenläufigen Interessen sowie die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen.[16] Die Unterhaltung des Publikums kann zwar ein nachvollziehbares Geschäftsinteresse darstellen, eine Datenverarbeitung nach der DSGVO ist jedoch nur erforderlich, wenn dieses Interesse nicht in zumutbarer Weise durch mildere Mittel erreicht werden kann.[17]

Schließlich sind die konkreten Interessen im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Bei der Übertragung derartiger Aufnahmen auf Großleinwänden wird diese InteressenabwäS. 385 gung meist zugunsten der betroffenen Personen ausfallen: Die intime Natur der Aufnahme und die Identifizierbarkeit der Personen sowie die unbeabsichtigte Preisgabe potenziell rufschädigender Informationen lassen einen erheblichen Eingriffscharakter der Datenverarbeitung erkennen. Die Interessenabwägung bei solchen Aufnahmen bleibt jedoch eine Einzelfallentscheidung, bei der die konkrete Ausgestaltung der Datenverarbeitung, die Art der Veranstaltung und die vernünftigen Erwartungen der Betroffenen in die Abwägung einzubeziehen sind.

Im Übrigen können Aufnahmen einer „Kiss Cam“ auch Rückschlüsse auf besonders geschützte Merkmale (zB ethnische Herkunft) einer Person zulassen; auch Schlüsse zur sexuellen Orientierung oder zum Sexualleben einer Person könnten gezogen werden. Der bereits diskutierte Rechtfertigungsgrund des berechtigten Interesses nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO scheidet aus, da dieser für sensible Daten nicht verfügbar ist.[18] Die Ausführungen zur Einholung einer wirksamen Einwilligung verschärfen sich bei sensiblen Daten noch weiter, da Art 9 Abs 2 lit a DSGVO eine ausdrückliche Einwilligung fordert.

5.2. Das Recht am eigenen Bild

Wie soeben gezeigt berühren solche Aufnahmen Persönlichkeitsrechte. Besondere Bedeutung kommt dem Recht am eigenen Bild gemäß § 78 UrhG zu. Dieses Persönlichkeitsrecht verbietet, dass Bildnisse von Personen öffentlich ausgestellt werden; auch dürfen sie nicht auf andere Art der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Abgebildete Personen sollen davor geschützt werden, dass sie durch die Verbreitung ihres Bildnisses bloßgestellt, ihr Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder ihr Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend/herabsetzend wirkt.[19]

Im Fall der „Kiss Cam“ steht das Vorliegen eines Personenbildnisses, das der Öffentlichkeit[20] zur Schau gestellt wird, außer Frage. Auch die Interessen der Abgebildeten sind bei objektiver Prüfung aufgrund der erheblichen beruflichen und persönlichen Konsequenzen als schutzwürdig anzusehen. Dies gilt umso mehr bei Personen des öffentlichen Lebens.[21] Sofern die Abgebildeten der Verbreitung daher nicht ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt haben, verstößt die Verwendung dieser Kameras in Österreich gegen das Recht am eigenen Bild gemäß § 78 UrhG. Dieses Recht besteht auch bei Veranstaltungen, wenn eine kleine Personengruppe oder einzelne Personen dargestellt werden und nicht das Gesamtgeschehen im Vordergrund steht.

Betroffene können auf Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung klagen. Weiters kommt bei Verschulden sowohl ideeller als auch materieller Schadenersatz nach § 87 UrhG in Frage. Das „Paar“ im „Kiss Cam“-Fall könnte nach österreichischem Recht daher klagen. Wer passivlegitimiert ist (der Veranstalter oder die Musiker) wäre im Einzelfall genauer zu prüfen.

Auf den Punkt gebracht

Der „Kiss Cam“-Fall verdeutlicht grundlegende Unterschiede zwischen US-amerikanischen und österreichischen bzw europäischen Rechtsansätzen im Umgang mit dem Privatleben am Arbeitsplatz. Während in den USA arbeitsrechtliche Konsequenzen bei privaten Beziehungen rasch gezogen werden und Bildaufnahmen in öffentlichen RäuS. 386 men weitgehend zulässig sind, gewähren europäische Rechtsordnungen einen deutlich stärkeren Schutz sowohl der informationellen Selbstbestimmung als auch des Privatlebens von Beschäftigten.

Österreichische Arbeitgeber können Beziehungen am Arbeitsplatz nicht pauschal verbieten. Ein allgemeines Verbot wäre sittenwidrig und nicht durchsetzbar. Grundsätzlich stellen Beziehungen unter Kollegen kein arbeitsrechtliches Problem dar, solange sie das Arbeitsverhältnis oder den Betriebsablauf nicht beeinträchtigen. Kommt es durch private Beziehungen zu Störungen des Betriebs, zur Ausnutzung eines Machtgefälles oder zu Diskriminierung und Loyalitätskonflikten, sind Arbeitgeber verpflichtet, einzuschreiten.

Die datenschutzrechtliche Dimension zeigt zudem: Was in öffentlichen Räumen geschieht, ist nach der DSGVO und nationalen Normen nicht automatisch der Öffentlichkeit preisgegeben. Aufnahmen wie die in diesem Beitrag thematisierten „Kiss Cam“-Aufnahmen verletzen in der Regel sowohl datenschutzrechtliche Vorgaben der DSGVO und des DSG als auch das Recht am eigenen Bild nach § 78 UrhG. Betroffene Personen hätten in Österreich Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche gegen den Veranstalter oder die Musiker. Dies kann insbesondere vor dem Hintergrund, dass einmal veröffentlichte Inhalte kaum mehr einzufangen sind und sich binnen kürzester Zeit in Form zahlreicher Memes verbreiten können, als durchaus sinnvoll erachtet werden.

Dominik Simic / Elisabeth Plese

Dominik SimicElisabeth Plese

Mag. Dominik Simic, MA (FH) ist Rechtsanwaltsanwärter im Bereich des Datenschutzes- und Arbeitsrechts bei der KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien. Mag. Elisabeth Plese ist ebendort Rechtsanwaltsanwärterin mit Schwerpunkt im Arbeitsrecht.

Fundstelle(n):
ASoK 2025, 380
SAAAG-03489

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