Überstunden als Sonderzahlungen ausgezahlt

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  • #64614
    magraf
    Teilnehmer

    Hallo,

    ich habe eine Frage:

    ist es möglich, Überstunden (bei einer Gleitzeitvereinbarung), die über eine Überstundenpauschale hinausgehen, nach Ende des Gleitzeitrahmens als Sonderzahlungen auszuzahlen?

    Der Hintergrund:
    Wir haben eine Gleitzeitregelung mit einem Durchrechnungszeitraum von einem halben Jahr. Die Überstunden, die sich in der Gleitzeitperiode angesammelt haben (und über einer Überstundenpauschale sind), können mit dem Juli- bzw. dem Jännergehalt ausbezahlt werden.
    Diese Überstunden wurden bisher nach Tarif versteuert. Mit der Jännerabrechnung 2010 gab es eine Rückrechnung bis einschließlich Jänner 2009. Die Überstunden, die mit dem Juligehalt ausbezahlt wurden (und über der Überstundenpauschale sind), wurden in Sonderzahlungslohnarten umgebucht und mit lt. § 67 1-2 versteuert. Dadurch ändert sich das Jahressechstel (da diese Bezüge nicht mehr Grundlage für die Berechnung des J/6 sind) und auch die Besteuerung aller nach dem Juli ausgezahlten Sonderzahlungen. Einige Mitarbeiter (jene, die viele Überstunden leisten) mussten mit dem Jännergehalt eine kräftige Nachverrechnung der Steuer in Kauf nehmen.

    Welche gesetzliche Grundlage rechtfertigt diese Umbuchung?

    #71219
    Roland
    Teilnehmer

    Hallo magraf!

    Diese Überstunden als Sonderzahlungen auszuzahlen, ist meiner Meinung nach nicht richtig.
    Kenne auf alle Fälle keine wie immer geartete Grundlage in diese Richtung.

    LG

    #71222
    magraf
    Teilnehmer

    Hallo,

    vielen Dank für die Antwort. Genau das sehe ich auch so. Eine externe Beratungsfirma hat dem Unternehmen diese Vorgangsweise empfohlen und das Unternehmen beruft sich darauf.

    Es wurden die Überstunden, die monatlich über die Pauschale angefallen sind, ursprünglich dem Entstehungsmonat zugeordnet und davon wurden auch SV-Beiträge abgezogen. Nun wurden die Überstunden (für die Monate 01-06) gerollt, in den Entstehungsmonaten negativ gestellt und in das Monat 07 (1. Monat nach Ende der Gleitzeitperiode) umgebucht. Jene Mitarbeiter, die im Monat 07 durch die Auszahlung der Überstunden über die HBG kommen, profitieren natürlich davon, da sie sich SV-Beiträge sparen. Verstösst das nicht gegen das Entstehungsprinzip im SV-Recht? Kann das bei Gleitzeitvereinbarungen anders ausgelegt werden?

    #71225
    Roland
    Teilnehmer

    Hallo magraf!

    Dieses Problem ist ebenfalls existent.
    Normalerweise müssen, wie du richtig sagst, Überstunden in die Anspruchsperiode gerollt werden.
    Es gibt allerdings eine Ausnahme, die Mag. Monika Kunesch für die PV-Info August 2007 wie folgt dargestellt hat (und bitte schaue dir genau das VwGH-Judikat an, das im Text zitiert ist: Da findest du nämlich den Hinweis, dass die „Sonderzahlungsmeinung“ die absolut falsche ist – ich habs mir durchgelesen – Wahnsinns-Lektüre!).

    Nachzahlung von Überstunden in der Lohnverrechnung
    Mag. Monika Kunesch
    Wenn zu viele Überstunden anfallen und Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Überzeugung kommen, dass eine Konsumation des Zeitguthabens nicht möglich ist, wird oftmals eine nachträgliche Auszahlung von Überstunden vereinbart. Für die abgabenrechtliche Behandlung gelten die nachfolgend dargestellten Grundsätze.

    Problemstellung
    Besteht in einem Unternehmen die Vereinbarung, Überstunden grundsätzlich in Form von Zeitausgleich zu konsumieren, so kommt es zu keiner laufenden Auszahlung von Überstunden. Oft stellt sich jedoch heraus, dass der beabsichtigte Zeitausgleich beispielsweise aufgrund betrieblicher Erfordernisse nicht konsumiert werden kann, weshalb die (einmalige) Auszahlung von Überstunden vereinbart wird. Auch im Rahmen von Gleitzeitvereinbarungen kann es erforderlich werden, Zeitguthaben einmalig abzugelten , wenn eine Übertragung in die nächste Gleitzeitperiode nicht möglich oder nicht gewünscht ist.

    Sozialversicherung
    Bezüge aus der Nachzahlung von Überstunden stellen jedenfalls sozialversicherungspflichtiges Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG dar: Das sind alle Geld- und Sachbezüge, auf die der Dienstnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses Anspruch hat und die er darüber hinaus vom Dienstgeber oder von Dritten erhält. Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge ist das im Beitragszeitraum (Kalendermonat) gebührende Entgelt exklusive Sonderzahlungen . Sonderzahlungen sind Bezüge, die wiederkehrend in größeren Zeiträumen als dem Beitragszeitraum (Kalendermonat) gewährt werden.

    Da grundsätzlich die Abgeltung der Überstunden durch Zeitausgleich vereinbart war, bestand während der Gleitzeitperiode bzw während der Ansammlungsphase der Überstunden seitens des Dienstnehmers kein Anspruch auf Auszahlung der Überstunden. Ein Aufrollen von nachträglich abgerechneten Überstunden auf die einzelnen Beitragszeiträume während des Entstehens des Zeitguthabens kann daher nicht argumentiert werden. Vielmehr entsteht der Anspruch auf Abrechnung des Zeitguthabens im Fall einer Gleitzeitvereinbarung mit Ende der Gleitzeitperiode, ansonsten im Zeitpunkt der Vereinbarung, dass Zeitguthaben aufgrund nicht konsumierter Überstunden nachträglich abgerechnet werden. Da in beiden Fällen nicht mit einer Wiederkehr des Auszahlungsanspruchs gerechnet werden kann, ist die Nachzahlung von Überstunden als laufender Bezug zu behandeln, für welchen im Abrechnungszeitraum allgemeine Beiträge bis zur Höchstbeitragsgrundlage abzuführen sind (vgl auch VwGH 21.4.2004,2001/08/0048).

    Die sozialversicherungsrechtliche Verwaltungspraxis wendet hinsichtlich der Frage, ob eine Zuordnung von Zeitguthaben auf einen bestimmten Beitragszeitraum vorgenommen werden kann, einen strengen Maßstab an: Sind Überstunden einem bestimmten Beitragszeitraum zuzuordnen, so ist nach § 44 Abs 7 ASVG eine Aufrollung durchzuführen (E-MVB 049-01-00-008).Nur wenn das Gleitzeitguthaben die Differenz von Aufbau und Konsumation von Zeitguthaben ist und daher als solches nicht einem bestimmten Beitragszeitraum zugeordnet werden kann, besteht Sozialversicherungspflicht im Monat der Auszahlung . Eine sorgfältige Dokumentation des Sachverhalts ist daher anzuraten.

    Lohnsteuer
    Nach § 67 Abs 8 lit c EStG werden Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die nicht aufgrund einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunkts entstehen, zum Tarif des laufenden Monats (§ 67 Abs 10 EStG) versteuert. Dabei kann nach Abzug des Dienstnehmeranteils zur Sozialversicherung ein Fünftel steuerfrei belassen werden. Nachzahlungen, die aufgrund von arbeitszeitgesetzlichen Regelungen erfolgen, gelten regelmäßig als nicht willkürlich verschobene Nachzahlungen (vgl LStR 2002, Rz 1106).

    Handelt es sich um Nachzahlungen von Überstunden für das laufende Kalenderjahr, so ist eine Aufrollung der entsprechenden Abrechnungszeiträume vorzunehmen, wobei keine Bedenken bestehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen im Nachhinein jeweils die Steuerbegünstigung des § 68 Abs 2 EStG für die ersten fünf (Bemerkung: jetzt sinds halt 10) Überstundenzuschläge von maximal 50 %, begrenzt mit € 43,– (Bemerkung: jetzt 86,–) pro Monat , in Anspruch zu nehmen.

    Lohnnebenkosten
    Die Bemessung für die Beiträge zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge folgt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung, weshalb Beitragspflicht von 1,53 % des ganzen Nachzahlungsbetrags besteht. Da die Nachzahlung von Überstunden zu den steuerbaren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit iSd § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG zählt, besteht Beitragspflicht hinsichtlich Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Kommunalsteuer. Es sind für Nachzahlungen keine besonderen Befreiungsbestimmungen vorgesehen.

    So weit der Text.
    Es gibt dann auch noch ein Beispiel im Heft.

    LG

    #71269
    magraf
    Teilnehmer

    Zur lohnsteuerrechtlichen Beurteilung habe ich folgendes im Ortner „Personalverrechnung in der Praxis gefunden“:

    für die Zuordnung eines Bezugsbestandteils zur Gruppe der sonstigen Bezüge müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

    1. Die Anspruchsbegründung des Bezugsbestandteils muss aus verschiedenen Lohnzahlungszeiträumen resultieren.

    2. Durch den Auszahlungsmodus des Bezugsbestandteils muss eine Unterscheidung zum laufenden Bezug gegeben sein.

    „, Siehe PV in der Praxis, Ortner, 20. Aufl., Kapitel 23.3.2.5.1.

    Bei der Abgeltung der Zeitguthaben (2 Mal im Jahr) aus der Gleitzeit sind beide Bedingungen erfüllt.

    #71273
    Roland
    Teilnehmer

    Hallo magraf!

    Auch wenn’s so ist, würde ich davon Abstand nehmen (nämlich von der steuerlichen Berücksichtigung als Sonstiger Bezug), weil das dann dein J/6 „verbraucht“, somit gibt’s dann bei der Auszahlung der WR möglicherweise böse Überraschungen – eine Aufrollung wäre besser, da diese sechstelerhöhend wirken.

    LG

    #72072
    Martin
    Teilnehmer

    Hallo zusammen!

    Der Salzburger Steuerdialog (Lohnsteuerprotokoll 2010) hat wieder eine neue Erkenntnis gebracht:
    Gleitzeitstunden sind als laufende Bezüge in der Lohnsteuer abzurechnen.

    https://findok.bmf.gv.at/findok/link?gz=%22BMF-010222%2F0161-VI%2F7%2F2010%22&gueltig=20101011&segid=%2249504.1.1+01.10.2010+11%3A52%3A31%3A89%22

    Behandlung von Gleitzeitsalden (§ 67 EStG 1988)
    Die Arbeitnehmer erhalten jedes Jahr den Gleitzeitsaldo am 30.6. ausbezahlt.
    In den meisten Monaten ergibt sich ein Plussaldo, in manchen ein Zeitminus.
    Da der Endsaldo per 30.6. nicht eindeutig einem Monat zugerechnet werden kann, ist dieser im Auszahlungsmonat zu versteuern.
    Wie ist dieser Bezug zu versteuern? In den Fachzeitschriften sind verschiedene Meinungen vertreten (§ 67 Abs. 8 EStG 1988 Nachzahlung, § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 sonst. Bezug, oder § 67 Abs. 10 EStG 1988).
    Der Überstundenbegriff ist in § 68 Abs. 4 EStG 1988 definiert. Als Überstunde gilt jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde. Die Normalarbeitszeit wird auf Grund der arbeitsrechtlichen Vorschriften (zB Arbeitszeitgesetz, Kollektivvertrag etc.) ermittelt.
    § 3 Arbeitszeitgesetz (AZG) definiert die Normalarbeitszeit, die im Regelfall täglich acht Stunden und wöchentlich 40 Stunden nicht überschreiten darf, außer das AZG bestimmt etwas anderes. § 4b AZG regelt die gleitende Arbeitszeit, nach der der Arbeitnehmer innerhalb eines vereinbarten zeitlichen Rahmens Beginn und Ende seiner täglichen Normalarbeitszeit selbst bestimmen kann. Die gleitende Arbeitszeit muss durch eine schriftliche Vereinbarung (Gleitzeitvereinbarung) geregelt werden.
    Bis zur Abrechnung der Gleitzeitperiode ist immer von Normalarbeitszeit auszugehen. Dies kann auch daraus geschlossen werden, dass gemäß § 6 Abs. 1a AZG nicht als Überstunden jedenfalls die am Ende einer Gleitzeitperiode bestehenden Zeitguthaben gelten, die nach der Gleitzeitvereinbarung in die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden können. Die Lehre geht im Umkehrschluss davon aus, dass die nicht übertragbaren Guthaben daher Überstunden darstellen. Dies trifft auch für die steuerrechtliche Auslegung der Überstunde zu.
    Die Abgeltung für ein im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung entstandenes Zeitguthaben ist im Auszahlungsmonat als laufender Bezug zu versteuern. Die Befreiung im Rahmen des § 68 Abs. 2 EStG 1988 kann für die abgegoltenen Überstunden nur für den Auszahlungsmonat angewendet werden, da erst im Zeitpunkt der Abrechnung das Vorliegen von Überstunden beurteilt werden kann. Diese Ansicht vertritt auch der VwGH im Bereich der Sozialversicherung. Mit Erkenntnis vom 21.04.2004, 2001/08/0048, führte er aus, dass bei einem Gleitzeitguthaben am Ende einer Gleitzeitperiode eine Aufrollung der einzelnen Beitragszeiträume nicht in Betracht kommt, weil das Guthaben gleichsam als Ergebnis eines „Arbeitszeitkontokorrents“ das rechnerische Ergebnis von Gutstunden und Fehlstunden ist und als solches daher keinem bestimmten Beitragszeitraum zugeordnet werden kann. Es kann daher beitragsrechtlich nur jenem Beitragszeitraum zugeordnet werden, in welchem die Abgeltung ausbezahlt wurde.
    Die Vergütung des Gleitzeitsaldos stellt keine Nachzahlung gemäß § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 dar, da bis zum Zeitpunkt der Abrechnung der Gleitzeitperiode der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Bezahlung des Gleitzeitguthabens hat. Weiters stellt die Vergütung des Gleitzeitsaldos keinen sonstigen Bezug gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 dar.
    Die LStR 2002 Rz 1106 wird geändert.

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