Trunkenheit / Entlassung / Nachweis?

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  • Dieses Thema hat 5 Antworten und 2 Teilnehmer, und wurde zuletzt aktualisiert vor 14 Jahren von Roland.
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  • #64726
    elch77
    Teilnehmer

    Liebes Forum,

    wie kann ich definitiv vorgehen, um einem bereits mündlich und schriftlich verwarnten Mitarbeiter den Zustand der Betrunkenheit nachzuweisen. Gilt hier auch eine Promillegrenze?
    Fakt ist, dass der Kollege ziemlich oft „illuminiert“ ist.
    Fakt ist (leider) auch, dass in unserem Betrieb zwar ein Alkoholverbot während der Arbeitszeit gilt, nicht jedoch in der Pause. Das heißt, den Verzehr von zb einem Liter Bier in der Mittagspause kann ich nicht verbieten. Allerdings werden im angesprochenen Fall auch noch andere Getränke zu anderen Zeiten konsumiert.

    Danke im Voraus für eine hilfreiche Antwort!

    Harry.

    #71504
    Roland
    Teilnehmer

    Hallo Harry!

    Leider ist das Entlassungsrecht extrem komplex und man kann hier nur mit „Tipps“ dienen.
    Ich habe dir aus dem Buch „Arbeitsrecht für Arbeitgeber“ reinkopiert (siehe unten), da kannst du ein bisschen „stöbern“.

    34.2 Entlassung wegen Trunkenheit
    Wie schon erwähnt, ist im Fall des Alkoholkonsums am Arbeitsplatz eine Entlassung (siehe 42.) zu erwägen.

    Für Arbeiter sieht das Gesetz (§ 82 lit. c GewO 1859) ausdrücklich vor, dass die Entlassung zulässig ist, wenn der AN der Trunksucht verfällt und wiederholt fruchtlos verwarnt wurde.

    Demnach setzt die Entlassung voraus, dass der Arbeiter wiederholt alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen wurde, einen Hang zum Alkoholismus erkennen lässt und die Verwarnungen unbeachtet bleiben. Der AN sollte dabei mindestens zweimal verwarnt werden, wobei zwischen den einzelnen Verwarnungen kein zu großer Abstand liegen darf. Falls etwa die erste Verwarnung ein Jahr zurückliegt, sollte erst nach einer dritten Verwarnung entlassen werden, sofern die dritte Verwarnung in einem engeren zeitlichen Zusammenhang zur zweiten Verwarnung steht. Sollte ein Hang zum Alkoholismus nicht erkennbar, aber der AN wiederholt vergeblich verwarnt worden sein, so kommt eine Entlassung wegen beharrlicher Pflichtenvernachlässigung in Frage. Unter den vorerwähnten wiederholten Alkoholisierungen am Arbeitsplatz sind deutlich erkennbare Beeinflussungen durch Alkohol zu verstehen, ohne dass aber jeweils ein Vollrausch vorliegen muss (Arb 9.112). Ein Entlassungsgrund ist auch dann gegeben, wenn die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt war.

    Erfahrungsgemäß erklären die wegen Alkoholkonsum entlassenen AN, sie hätten lediglich „ein oder zwei Bier“ bzw. „einen oder zwei G’spritzte“ in der Mittagspause getrunken. Von entscheidender Bedeutung ist daher der vom AG zu führende Beweis der Verwarnung(en) und der erheblichen Alkoholisierung des AN, die zur Entlassung geführt hat (siehe 34.3).

    Der AG ist überdies berechtigt, jeglichen Alkoholkonsum zu untersagen. Mehrfache Verstöße gegen eine derartige Weisung trotz Verwarnung würden ebenfalls eine Entlassung rechtfertigen. Dies insbesondere dann, wenn die Art der Tätigkeit des AN für das vom AG verhängte Alkoholverbot spricht (Tätigkeiten auf Gerüsten, etc. – OGH 8 Ob A 17/01 k = ARD 5232/2/2001).

    Falls der AN bereits der krankhaften Alkoholsucht verfallen sein sollte, so kann die Entlassung wegen Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt sein (OGH 9 Ob A 186/93, 14 Ob A 75/87 = RdW 1988, 53). Da in einem solchen Fall jedoch von einer unverschuldeten Entlassung auszugehen ist, ist zwar die Kündigungsfrist nicht einzuhalten, aber der Abfertigungsanspruch bleibt bestehen (sofern der AN wenigstens 3 Jahre beschäftigt war).

    Der AG müsste nach einer Entlassung wegen Alkoholkonsum im Dienst hingegen die Alkoholisierungen und die vergeblichen Verwarnungen beweisen. Gelingt daraufhin dem AN der Nachweis des krankhaften Alkoholkonsums, so ist von einer unverschuldeten Entlassung auszugehen.

    Besonders schwerwiegende Verstöße gegen arbeitsrechtliche Pflichten berechtigen den AG auch dann zur Entlassung wegen beharrlicher Pflichtvernachlässigung, wenn keine Verwarnungen vorliegen, weil sich die Beharrlichkeit aus dem Gewicht des Verstoßes ergibt. Dies ist etwa im Fall des Fahrens mit einem Autobus in alkoholisiertem Zustand (OGH 9 Ob A 34/95 = ARD 4693/17/95) oder mit einem Spezial-LKW im Wert von E 360.000,– mit 1,1 Promille gegeben (OLG Wien 7 Ra 8/04d = ARD 5552/14/2004).

    Falls ein strafbares Verhalten des AN vorliegt (z.B. wenn er im Zuge einer dienstlichen Fahrt den PKW alkoholisiert lenkt), so besteht die Möglichkeit, den AN wegen eines strafbaren Verhaltens (ohne vorausgehende Verwarnungen) zu entlassen (für Arbeiter im § 82 lit. d GewO 1859 geregelt).

    Bei der Entlassung eines Angestellten wegen Alkoholmissbrauch gelten im Wesentlichen ähnliche Bestimmungen, wobei bezüglich des Verhaltens insbesondere leitender Angestellter strengere Kriterien (als bei Arbeitern oder etwa unterdurchschnittlich verdienenden Angestellten) angewendet werden können (OGH 8 Ob A 380/97 k, 9 Ob A 236/98 s etc., siehe 42.1.3).

    Eine Verletzung des strikten Alkoholverbots während einer Rufbereitschaft als Maschinist eines Seilbahnunternehmens kann eine Entlassung rechtfertigen (OGH 8 Ob A 7/06 x = ARD 5712/9/2006).

    LG

    #71506
    elch77
    Teilnehmer

    Vielen Dank für die umfassende Antwort. Da sind ja „unsere“ Chancen noch schlechter. Und wie man den Beweis antreten kann (oder muss), ist überhaupt nicht geregelt. Ob man da mit Zeugenaussagen weit kommt?

    Harry.

    #71511
    Roland
    Teilnehmer

    Servus Harry!

    Naja, vielleicht hilft dir Folgendes weiter
    (auch dieser Text stammt aus dem übrigens sehr lehrreichen Buch: Arbeitsrecht für Arbeitgeber von T. Rauch):

    34.3 Vorgangsweise in der Praxis
    Sollte der AG den AN alkoholisiert bei der Arbeit antreffen, wird es zunächst zur Sicherung der Beweisbarkeit ratsam sein, die Anzeichen von mehreren Personen beobachten zu lassen (schwankender Gang, lallende Sprechweise, glasiger Blick etc.) und ein kurzes schriftliches Gedächtnisprotokoll zu errichten (Ort, Datum, Uhrzeit, Namen der Zeugen, festgestellte Anzeichen der Trunkenheit, verrichtete Tätigkeit im alkoholisierten Zustand etc.). Soweit dies sofort möglich ist, könnte schließlich eine schriftliche Verwarnung verfasst und eine Ausfertigung dem AN überreicht werden. Dieser sollte nun auf dem im Betrieb verbleibenden Exemplar die Übernahme bestätigen.

    Falls dies verweigert wird, könnte die Verwarnung mündlich vor Zeugen ausgesprochen und das Schriftstück eingeschrieben an den AN gesendet werden. Diese Vorgangsweise wird auch dann sinnvoll sein, wenn aus organisatorischen Gründen die schriftliche Verwarnung nicht rasch dem AN vorgelegt werden kann. Um den ernsten Charakter der Verwarnung entsprechend zu verdeutlichen, sollte auch die Entlassung im Wiederholungsfall angedroht werden. Die Aufforderung „nicht so viel zu trinken“ ist keine Verwarnung (OLG Wien 9 Ra 311/98 s = ARD 5070/11/99).

    Muster für eine Verwarnung
    Wir haben heute feststellen müssen, dass Sie Ihre Arbeit auf der Baustelle Wien ……………… in erheblich alkoholisiertem Zustand verrichtet haben. Wir teilen Ihnen daher nochmals mit, dass der Alkoholkonsum während der Dienstzeit sowie der Antritt der Arbeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gesetzlich (§ 15 Abs. 4 ASchG) strikt untersagt ist. Falls Sie wiederum bei der Arbeit alkoholisiert angetroffen werden, wären wir gezwungen, unverzüglich eine Entlassung auszusprechen. Wir halten weiters fest, dass wir Sie aus Sicherheitsgründen am heutigen Tag um …………….. Uhr nach Hause geschickt und Sie ausdrücklich aufgefordert haben, morgen zu Dienstbeginn die Arbeit in nüchternem Zustand anzutreten.

    Datum, Unterfertigung des AG, Übernahmebestätigung des AN

    Weiters wird empfohlen, den AN insbesondere dann, wenn er auf einer Baustelle arbeitet oder die Fortsetzung der Tätigkeit eine Gefährdung für ihn oder (und) andere darstellt (etwa Tätigkeiten auf Baustellen, an Kreissägen etc.) umgehend nach Hause zu schicken.

    Dabei sollte jedoch der AN ausdrücklich vor Zeugen aufgefordert werden, am nächsten Arbeitstag zu Dienstbeginn bei der Arbeit zu erscheinen und dies in der Verwarnung festgehalten werden. Dies soll verhindern, dass behauptet wird, die Aufforderung, nach Hause zu gehen sei bereits eine Entlassung, Kündigung oder Dienstfreistellung gewesen.

    Falls ein Krankenstand vom AN grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wird, so besteht kein Krankenentgeltanspruch gegenüber dem AG. Stürzt etwa der betrunkene AN am Arbeitsplatz oder während seiner Freizeit und zieht sich Verletzungen zu, die ihn arbeitsunfähig machen, so ist von einem grob fahrlässig bewirkten Krankenstand auszugehen. Sollte ein solcher Umstand erst nach Zahlung des Krankenentgelts bekannt werden, so besteht die Möglichkeit, die bereits gewährte Entgeltfortzahlung zurückzuverlangen. Um den so genannten „ gutgläubigen Verbrauch“ zu verhindern, wird es ratsam sein, auf einer Anschlagtafel (oder etwa im Dienstvertrag) darauf hinzuweisen, dass bei grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführtem Krankenstand kein Krankenentgelt gebührt (siehe 20.9).

    LG

    #71513
    elch77
    Teilnehmer

    Nochmal vielen Dank!
    Die eigentliche kritische Frage der Beweislast wurde von dir ja erklärt. Die Aussagen der Zeugen gelten sicher auch beim wiederholten Mal (um das es ja geht) und dann hoffentlich auch als Beweis für eine gerechtfertigte Entlassung. Wie gesagt: Hoffentlich!

    Harry.

    #71514
    Roland
    Teilnehmer

    Stimmt Harry, hoffentlich!

    LG

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