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Neue VfGH-Entscheidungen zu COVID-19-Regelungen

(Bild: ©VfGH/Achim Bieniek) (Bild: ©VfGH/Achim Bieniek)

Quelle: Pressemitteilung des VfGH vom 30. 3. 2021.

Zuständigkeit der Bezirksgerichte bei Absonderungs­maßnahmen: Regelung verstößt gegen Legalitätsprinzip 

Nach dem EpiG können Personen, die an einer anzeigepflichtigen Krankheit erkrankt sind oder bei denen der Verdacht einer solchen Erkrankung besteht, angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden. Die angehaltene Person kann beim zuständigen Bezirksgericht beantragen, dass die Zulässigkeit der Anhaltung „nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes“ überprüft und eine solche Maßnahme aufgehoben wird (§ 7 Abs 1a). 

Der Oberste Gerichtshof, das Landesgericht Korneuburg sowie das Bezirksgericht Zell am Ziller beantragten beim VfGH, einen Teil dieser Bestimmung aufzuheben: Die Möglichkeit, gegen Anordnungen der Gesundheitsbehörde das Bezirksgericht anzurufen, verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Auch sei nicht hinreichend genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen das Bezirksgericht angerufen werden kann und in welchem Umfang das Bezirksgericht die Anhaltung zu überprüfen hat. Dies widerspreche dem Legalitätsprinzip. 

Der VfGH hat den Anträgen stattgegeben: Die angefochtene Regelung lässt nicht erkennen, worin der Prüfungsgegenstand des Bezirksgerichtes – und damit dessen Zuständigkeit – genau liegt. Insbesondere bleibt unklar, ob das Bezirksgericht auch den Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft oder bloß die weitere Anhaltung zu prüfen hat und gegebenenfalls in welchem Verhältnis die Zuständigkeiten des Bezirksgerichtes und des Verwaltungsgerichtes zueinander stehen. Die Regelung verstößt damit gegen das Legalitätsprinzip. 

Der VfGH hat daher § 7 Abs 1a Satz 2 EpiG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.  

(G 380/2020, G 367/2020, G 7/2021) 

Betretungsverbot für Teile Innsbrucks war gesetzeskonform 

Mit Verordnung vom 21. 3. 2020 hatte der Bürgermeister von Innsbruck für näher bezeichnete Teile der Stadt ein Betretungsverbot erlassen, so ua für die nördliche Innpromenade und die westliche Sillpromenade. 

Aus Anlass von Verwaltungsstrafverfahren – wegen Übertretung dieser Verordnung – beantragte das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) beim VfGH die Feststellung, dass diese Verordnung gesetzwidrig war. Das LVwG hatte das Bedenken, dass sich in den Akten zu dieser Verordnung keine Begründung dafür finde, warum alle Promenaden mit einem Betretungsverbot belegt worden seien; dies widerspreche der Verordnungsermächtigung des § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz. 

Der VfGH teilt dieses Bedenken nicht. Die angefochtene Verordnung verstieß nicht gegen das COVID-19-Maßnahmengesetz. 

Aus den vorgelegten Akten geht nämlich hinreichend hervor, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die Behörde das Betretungsverbot erlassen hat. Der Behörde ist auch einzuräumen, dass bloß punktuelle (kleinräumigere) Betretungsverbote nur zu einer Verlagerung von Menschenansammlungen an andere Orte geführt hätten. Die Behörde war daher nicht gehalten, solche Ansammlungen für jeden einzelnen vom Betretungsverbot betroffenen Ort zu dokumentieren. 

(V 583/2020) 

Entschädigung für Verdienstentgang wegen Heimquarantäne nach Reiserückkehr: Behandlung der Beschwerde abgelehnt 

Ein Unternehmen wandte sich in seiner Beschwerde an den VfGH gegen die am 18. 3. 2020 erlassene Verordnung des Bundesministers für Gesundheit für die Einreise auf dem Luftweg nach Österreich (BGBl II 2020/105) sowie gegen § 32 EpiG. Nach dieser Bestimmung gebührt Personen unter anderem dann eine Vergütung für den Verdienstentgang, wenn sie „gemäß §§ 7 oder 17“ abgesondert worden sind.  

Das Unternehmen hatte einer Dienstnehmerin, die nach ihrer Rückkehr aus Asien im März 2020 aufgrund der Verordnung eine 14-tägige Heimquarantäne anzutreten hatte, das ihr zustehende Entgelt weiterbezahlt und danach die Vergütung dieses Entgelts beantragt. 

Sowohl die Bezirksverwaltungsbehörde als auch das im Instanzenzug angerufene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wiesen diesen Antrag jedoch als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, dass die Verpflichtung, sich bei der Rückkehr nach Österreich in Heimquarantäne zu begeben, keine (Absonderungs‑)Maßnahme im Sinne der §§ 7 oder 17 EpiG darstelle, die zu einem Vergütungs­anspruch führen könne. 

Der VfGH hat die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. 

Der Gerichtshof hat gegen die – auf individuelle Absonderungs­maßnahmen abstellende – Regelung des § 32 Abs 1 Z 1 EpiG keine verfassungsrechtlichen Bedenken.  

Die in der Beschwerde kritisierte Einreiseverordnung vom März 2020 war im zugrunde liegenden (Entschädigungs‑)Verfahren nicht anzuwenden. Damit war es dem VfGH verwehrt, auf die gegen diese Verordnung erhobenen Bedenken einzugehen. 

(E 4202/2020) 

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