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GRUPPENBESTEUERUNG | Zulässigkeit der Bildung einer Schwestergruppe

(Bild: © iStock/Nuthawut Somsuk)

Haimberger Theresa  |  Mitterlehner Andreas

Können zwei inländische Schwesterngesellschaften mit einer ausländischen Mutter eine Unternehmensgruppe bilden? Diese Frage hat in letzter Zeit den BFG sowie nun auch den VwGH beschäftigt. Der VwGH bestätigte kürzlich eine Gruppenbildung mit einem EU/EWR-Gruppenträger ohne Zweigniederlassung in Österreich und erklärt damit eine Unternehmensgruppe zwischen österreichischen Schwesterngesellschaften, für zulässig. Das außergewöhnliche an der strittigen Konstellation war, dass die gemeinsame Muttergesellschaft der österreichischen Schwestergesellschaften im Ausland ansässig war und in Österreich über keine Zweigniederlassung verfügte. Was heißt dieses höchstgerichtliche Urteil nun für die Praxis?

Der Gruppenträger steht an der Spitze einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG. Bei diesem werden die vereinigten steuerlichen Ergebnisse versteuert. Gruppenträger einer Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG ist in der Praxis am häufigsten eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft. Nach § 9 Abs 3 KStG, kann aber auch eine beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft Gruppenträger sein. Nach § 9 Abs 3 TS 4 KStG müssen beschränkt steuerpflichtige, vereinfacht gesagt, 

  • einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sein (dh isnb Anlage 2 EStG für EU), 
  • mit einer Zweigniederlassung im (österreichischen) Firmenbuch eingetragen sein und
  • die Beteiligung an den Gruppenmitgliedern muss der Zweigniederlassung zuzurechnen sein.

Hintergrund der Entscheidung

Strittig war im gegenständlichen Fall, ob die gesetzliche Voraussetzung einer Anknüpfung an eine inländische Zweigniederlassung für EU/EWR-Gruppenträger unionsrechtkonform ist. Mit dieser Rechtsfrage hatte sich bereits der BFG in seiner Entscheidung aus 2022 befasst (BFG 31.3.2022, RV/7104573/2020), welche wir in unserem Newsletter „GRUPPENBESTEUERUNG | Ergebnisausgleich von Schwestergesellschaften?“ vom 22.06.2022) bereits ausführlich besprochen haben. 

Zu diesem Fall ist im ersten Halbjahr diesen Jahres die Entscheidung des VwGH veröffentlicht worden (VwGH vom 27.3.2024, Ro 2023/13/0018). Welche Auswirkungen dies für die Praxis haben kann, zeigen wir Ihnen im Folgen kurz auf.

VwGH vom 27.3.2024, Ro 2023/13/0018 – Zulässigkeit der Bildung einer Schwestergruppe

Bereits das BFG war in seiner Entscheidung vom 31.3.2022, RV/7104573/2020 zum Ergebnis gelangt, dass die gesetzliche Voraussetzung einer inländischen Niederlassung in Anbetracht bereits vorliegender EuGH-Rechtsprechung (zu Gruppenbesteuerungsregimen in anderen EU-Mitgliedstaaten) als unionsrechtswidrig anzusehen sei. Nach Ansicht des BFG müsse es auch Unternehmensgruppen mit EU/EWR-Gruppenträgern, die über keine Zweigniederlassung in Österreich verfügen, offenstehen, die Ergebnisse ihrer Gruppenmitglieder (auf horizontaler Ebene) zusammenzurechnen. Nur so könne nämlich das Grundrecht der Niederlassungsfreiheit gewahrt werden.

Der VwGH hat nun über die Revision der Finanzverwaltung entschieden und folgende wesentliche Punkte klargestellt:

  1. inländische Zweigniederlassung NICHT Voraussetzung
    Der VwGH lässt eine Unternehmensgruppe zwischen einer nur beschränkt steuerpflichtigen ausländsichen Muttergesellschaft als Gruppenträgerin und ihren inländischen Tochtergesellschaften als Gruppenmitglieder zu (im gegenständlichen Fall deutsche Muttergesellschaft). Eine im österreichischen Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung sieht er, vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung, als nicht erforderlich an. § 9 Abs 3 TS 4 KStG wiederspricht damit den unionsrechltichen Vorgaben.
     
  2. Gruppenträgerfunktion für eine österreichische Tochtergesellschaft
    Das BFG hatte einem der österreichischen Gruppenmitglieder die Funktion eines Gruppenträgers zugewiesen. Der VwGH stellte jedoch klar, dass diese Vorgehensweise nicht zulässig sei. Dies liegt daran, dass die Ermittlung des Ergebnisses bei Gruppenträgern und Gruppenmitgliedern, insbesondere in Bezug auf Vorgruppen- und Außergruppenverluste, unterschiedlich geregelt ist. Eine Vermischung der Funktionen von Gruppenmitgliedern und Gruppenträgern sei zu vermeiden.
     
  3. Vertikale Ergebniszurechnung zur ausländischen Gruppenträgerin
    Um einen unionsrechtskonformen Zustand herzustellen, sah der VwGH eine vertikale Ergebniszurechnung der steuerlichen Ergebnisse der inländischen Gruppenmitglieder zur ausländischen Gruppenträgerin vor. Dabei sollen die Gruppenmitglieder – für Zwecke der Gruppenbesteuerung – wie “Betriebsstättender ausländischen Gruppenträgerin behandelt werden. Dies stellt sicher, dass Österreich das Besteuerungsrecht am inländischen Gruppenergebnis nicht verliert.

Der VwGH zieht mit seiner Entscheidung einen Schlussstrich unter die bisherige Diskussion zu diesem Thema. Durch die vertikale Ergebniszurechnung können nun auch ausländische Gruppenträger ohne eingetragene inländische Zweigniederlassung die steuerlichen Vorteile der Gruppenbesteuerung in Anspruch nehmen. Dies führt zu einer größeren Flexibilität für internationale Unternehmensgruppen und könnte die Notwendigkeit von Landesholdings oder Zweigniederlassungen in Österreich reduzieren.

Auswirkungen für die Praxis

Die derzeit gesetzlich normierte Voraussetzung des § 9 Abs 3 TS 4 KStG, wonach eine EU/EWR-Gesellschaft über eine inländische Zweigniederlassung verfügen muss, um Gruppenträger einer österreichischen Unternehmensgruppe sein zu können, widerspricht der Niederlassungsfreiheit. Eine Umsetzung der VwGH Entscheidung bzw Sanierung der Unionswidrigkeit ist im Zuge des AbgÄG 2024 jedoch noch nicht erfolgt (Stand Regierungsvorlage vom 12. Juni 2024). Es bleibt daher abzuwarten wie der Gesetzgeber die Entscheidung des VwGH umsetzt. 

Folgende Fragen stellen sich aber schon jetzt für die Praxis:

  • Da nach VwGH die ausländische Muttergesellschaft als “EU/EWR-Gruppenträger” zu betrachen ist und bei diesem das Gruppenergebnis zu ermitteln bzw zu versteuern ist, wird es wohl einer steuerlichen Registrierung des Gruppenträgers im Inland bedürfen. Auch die technische und verfahrensrechtliche Umsetzung bleibt noch abzuwarten.
  • Der VwGh hat ausgesprochen, dass die inländischen Gruppenmitglieder „ähnlich wie Betriebsstätten zu behandeln sind. Wie sich dies auf die Verrechnung von etwaigen Vor- oder Außergruppenverlusten der inländischen Gruppenmitglieder auswirkt bleibt abzuwarten. 
  • Im gegenständlichen Fall lag ein vergleichsweise einfacher Sachverhalt (deutsche Muttergesellschaft mit zwei österreichischen Tochtergesellschaften) zugrunde. Wie die Rechtsprechung des VwGH auf komplexere Strukturen anzuwenden ist, bleibt derzeit noch unklar.

FAZIT

Der VwGH folt der Rechtsprechung des BFG und betrachtet die Anknüpfung an eine inländische Zweigniederlassung nach § 9 Abs 3 TS 4 KStG als unionsrechtswidrig. Relevant ist diese Entscheidung des VwGH zum Beispiel für Strukturen, welche in Österreich über mehrere Tochtergesellschaften verfügen, welche gesellschaftsrechtlich nur über die ausländische Mutter verbunden sind. Hier könnte mittels der Gruppenbesteuerung ein (steuerliches) Ergebnispooling und damit ein Liquiditätsvorteil erzielt werden. 

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten, da sich in der Praxis noch einige technische und verfahrensrechtliche Fragen stellen. Eine gesetzliche Anpassung wurde zumindest bisher in der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetzes 2024 noch nicht vorgenommen.

Für Fragen rund um die Gruppenbesteuerung stehen Ihnen die Verfasser dieses Beitrags sowie die ExpertInnen unserer Service Line „Corporate Tax“ gerne zur Verfügung.

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