Platzer Günther | Stöger Sarah
Um eine in der Unternehmenskette in Rechnung gestellte Vorsteuer wieder in Abzug zu bringen, müssen sämtliche rechtliche sowie auch formale Voraussetzungen erfüllt werden. Trotz ausgeführter Lieferung beziehungsweise erbrachter sonstiger Leistung und entsprechender Rechnungslegung können verschiedene Faktoren bewirken, dass für den Leistungsempfänger dennoch kein Recht auf einen (vollständigen) Vorsteuerabzug besteht. Zu unrecht beantragte Vorsteuerbeträge werden in vielen Ländern nicht als Kavaliersdelikt angesehen, sondern gehen in der Praxis zum Teil mit hohen Strafen einher. Welche Faktoren es bei der Beantragung von Vorsteuerbeträgen unbedingt zu beachten gilt und welche Folgen die unbedachte Geltendmachung sämtlicher Vorsteuerbeträge nach dem Motto „Probieren geht über Studieren“ mit sich bringen kann, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.
Rechtliche Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug
Grundsätzlich sind Unternehmer im Sinne des § 1 öUStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn eine Lieferung oder sonstige Leistung im Inland für das Unternehmen ausgeführt wurde und für diese Lieferung oder sonstige Leistung auch eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des § 11 öUStG vorliegt. Vorausgesetzt wird hierbei natürlich, dass der Unternehmer persönlich als auch vor dem Hintergrund der in diesem Zusammenhang stehenden Leistungserbringung keinem Abzugsverbot unterliegt. Als für das Unternehmen ausgeführt gelten dabei Lieferungen, sonstige Leistungen sowie die Einfuhr von Gegenständen, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgen und wenn sie zu mindestens 10 % unternehmerischen Zwecken dienen. Werden Leistungen gegenüber einem anderen Unternehmen für unternehmerische Zwecke erbracht, so ist das Unternehmen, welches die Leistung erbringt, zur Rechnungsausstellung verpflichtet. Entspricht die Rechnung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so führt dies zum Verlust des Vorsteuerabzugs.
Für Istbesteuerer im Sinne des § 17 öUStG (ausgenommen Versorgungsbetriebe § 17 Abs. 1 zweiter Satz öUStG), deren Umsätze (ausgenommen Umsätze aus Hilfsgeschäfte einschließlich der Geschäftsveräußerung) im vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2 Millionen Euro nicht überstiegen haben, gilt als zusätzliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, dass die Zahlung geleistet worden ist.
Zusätzlich steht der Vorsteuerabzug bei geleisteten Anzahlungen (vor Leistungsbezug) zu, wenn die Zahlung entrichtet wurde und wiederum eine ordnungsgemäße Rechnung dafür ausgestellt wurde.
Die oben genannten Regelungen gelten dem Grunde nach auch für Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder aus dem Drittland.
Formale Voraussetzung – Beantragung der Vorsteuern im richtigen Verfahren
Unter der Bedingung, dass die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist und eine entsprechende ordnungsgemäße Rechnung gelegt wurde, stehen innerhalb der EU grundsätzlich zwei Verfahren zur Verfügung, um die in der Unternehmenskette in Rechnung gestellte Vorsteuer wieder in Abzug zu bringen: Das isolierte Vorsteuererstattungsverfahren und das Veranlagungsverfahren.
Unternehmer, die ihren Geschäftssitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder im Drittland haben, können Vorsteuern im Rahmen des isolierten Vorsteuererstattungsverfahrens geltend machen. Der Unternehmer darf zudem weder Sitz bzw Geschäftsleitung noch eine feste Niederlassung im Mitgliedstaat der Vorsteuererstattung haben und keine steuerpflichtigen Umsätze, die mit einer Registrierungspflicht einhergehen, tätigen.
Tätigt ein Unternehmer beispielsweise solche im Mitgliedstaat der Vorsteuererstattung steuerpflichtigen Umsätze und entsteht somit eine Registrierungspflicht im jeweiligen Land, so können die Vorsteuern im Regelfall im Wege des regulären Veranlagungsverfahren (periodische Abgabe von Umsatzsteuermeldungen) geltend gemacht werden. Innergemeinschaftliche Erwerbe, eingangsseitige Reverse Charge Umsätze oder innergemeinschaftliche Lieferungen können weitere Registrierungstatbestände im entsprechenden Land darstellen. Voraussetzung für die Geltendmachung von Vorsteuern im Rahmen des Veranlagungsverfahren, ist, dass der Registrierungsgrund im entsprechenden Kalenderjahr der Geltendmachung noch besteht.
Weitere Faktoren mit Konfliktpotenzial
Trotz Erfüllung der oben erläuterten rechtlichen sowie auch formalen Voraussetzungen, können dennoch die folgenden Faktoren dazu beitragen, dass bei der Beantragung der Vorsteuerbeträge Konfliktpotenzial besteht:
Abzugsfähigkeit dem Grunde nach
Um Vorsteuern geltend machen zu können, muss der Vorsteuerabzug dem Grunde nach zustehen. Das setzt voraus, dass die bezogene Leistung oder Lieferung für die Ausführung steuerpflichtiger oder echt steuerbefreiter Umsätze (wie zB Ausfuhrlieferungen oder innergemeinschaftliche Lieferungen) verwendet wird. Wird die bezogene Leistung oder Lieferung zur Ausführung unecht steuerbefreiter Umsätze (wie zB Umsätze von Kleinunternehmern oder Versicherungsvertretern, Vermietungsumsätze von Geschäftsräumen ohne Option etc.) verwendet, so steht kein Vorsteuerabzug zu.
Zusätzlich muss es sich bei der bezogenen Leistung oder Lieferung selbst um einen im Erstattungsland steuerbaren und auch steuerpflichtigen Umsatz handeln (korrekte Leistungsortbestimmung).
Qualifikation der Leistung
Zu einem Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug kommt es auch dann, wenn die Umsatzsteuer der Leistung fälschlicherweise auf der Rechnung ausgewiesen wird. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn auf der Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen wird, obwohl es aufgrund der Qualifikation der Leistung zum Übergang der Steuerschuld (Reverse Charge) gekommen wäre.
Die jeweiligen Fälle, in denen die Umsatzsteuer nicht vom Erbringer der Leistung geschuldet wird, sondern die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger über geht, variieren je nach Land, in dem die Leistung steuerbar ist. In EU-Mitgliedstaaten, die von dem Wahlrecht gemäß Art. 194 RL 2006/112/EG Gebrauch machen, kommt es für bestimmte Umsätze ausländischer Unternehmer (ohne Betriebsstätte im entsprechenden Land) zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger. Die genauen Anwendungsbereiche und Bedingungen für die Anwendung dieses allgemeinen Reverse Charge Verfahrens legt das jeweilige Land selbst fest.
Zudem sind in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten teilweise auch nationale Reverse Charge Verfahren normiert. Gängige Beispiele für Fälle, in denen nationale Reverse Charge Verfahren zu Anwendung kommen, sind:
- Bauleistungen
- Lieferungen von bestimmten Waren (zB Schrott und Metallwaren)
Um den Leistungsort der jeweiligen Leistung richtig festlegen und damit prüfen zu können, ob die Leistung grundsätzlich zur Anwendung eines im entsprechenden Land normierten Reverse Charge Verfahren qualifiziert, ist eine sorgfältige umsatzsteuerliche Leistungskategorisierung und damit verbundene Bestimmung des Leistungsortes unentbehrlich.
Zuordnung zum richtigen Verfahren
Die Geltendmachung von Vorsteuern setzt zudem voraus, dass das richtige Verfahren gewählt wurde (siehe oben). Demnach ist die Erstattung der Vorsteuern im Wege des isolierten Vorsteuererstattungsverfahrens nur möglich, wenn das beantragende Unternehmen weder Sitz bzw Geschäftsleitung noch eine feste Niederlassung im Mitgliedstaat hat und kein Registrierungsgrund vorliegt, während die Geltendmachung von Vorsteuern im Rahmen von Rückzahlungsanträgen im Veranlagungsverfahren nur dann möglich ist, wenn ein Registrierungsgrund im Erstattungsland vorliegt und zwar nicht nur einmalig, sondern wiederkehrend.
Restriktionen hinsichtlich der Höhe des Vorsteuerabzuges
Zusätzlich ist zu hinterfragen, ob im Erstattungsland für bestimmte Lieferungen und Leistungen Restriktionen hinsichtlich der Höhe des Vorsteuerabzuges festgelegt wurden. Beispiele für Lieferungen und Leistungen, für die ein Vorsteuerabzug in anderen EU-Mitgliedstaaten teilweise nicht in vollem Ausmaß möglich ist, sind der Kauf und die Anmietung von PKWs und der Erwerb damit verbundener Gegenstände und Dienstleistungen (z. B. Treibstoff, Wartung). Es ist hierbei das jeweilige nationale Recht zu beachten. Für Vorsteuerbeträge, die das jeweilige abzugsfähige Ausmaß überschreiten, steht kein Vorsteuerabzug zu.
Konsequenzen zu Unrecht beantragter Vorsteuern
In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass zu Unrecht beantragte Vorsteuern in anderen EU-Mitgliedstaaten für den Leistungsempfänger nicht nur selbst zum Kostenfaktor werden, sondern darüber hinaus auch mit hohen Strafen einhergehen können. Einer jener EU-Staaten, die bei ungerechtfertigter Beantragung von Vorsteuern schwere Geschütze auffahren, ist Spanien.
Beantragung von Vorsteuern in Folge einer zzgl. USt fakturierten Bauleistung
Wird eine Rechnung zu Unrecht mit Umsatzsteuer ausgestellt, obwohl der Umsatz zur Anwendung eines Reverse Charge-Verfahrens qualifiziert, so steht dem Leistenden kein Vorsteuerabzug zu – auch wenn der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Leistenden und dieser weiter an das Finanzamt entrichtet.
In Spanien hat kürzlich ein Praxisfall solcher zu Unrecht beantragter Vorsteuern aufgrund der Qualifikation der Leistung gezeigt, dass hierfür hohe Strafen anfallen können. Ein in Spanien weder ansässiges noch registriertes Unternehmen hat eine Montagelieferung an ein in Spanien registriertes Unternehmen erbracht. Die Leistung war in Spanien steuerbar. Der Leistende ist davon ausgegangen, dass hierfür kein Reverse Charge Verfahren zur Anwendung kommt, weshalb die erbrachten Arbeiten zzgl. 21 % spanischer Umsatzsteuer fakturiert wurden. Die Umsatzsteuer wurde vom Leistenden abgeführt und der Leistungsempfänger hat die Vorsteuern im Rahmen des Veranlagungsverfahrens in Spanien entsprechend in Abzug gebracht.
In Spanien sind allerdings verschiedene Reverse Charge Verfahren, die je nach Art der Lieferung oder Leistung verschiedene Voraussetzungen mit sich bringen, normiert. Es hat sich im Rahmen einer Steuerprüfung herausgestellt, dass die zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung gestellten Leistungen für die Anwendbarkeit eines Reverse Charge Verfahrens in Spanien qualifizieren.
Es hat sich gezeigt, dass in derartigen Fällen für die vom Leistungsempfänger zu unrecht beantragten Vorsteuerbeträge in Spanien Strafverfahren eingeleitet werden und Sanktionen iHv bis zu 50 % der zu unrecht beantragten Vorsteuerbetrage verhängt werden.
Beantragung von Vorsteuern in vollem Ausmaß (trotz Restriktionen)
Weitere Praxisfälle in Belgien, Spanien und UK haben gezeigt, dass auch ein Außer-Acht-Lassen von Restriktionen hinsichtlich des erlaubten Ausmaßes des Vorsteuerabzuges bestraft wird. In Spanien kann beispielsweise für den Kauf und die Anmietung von Personenkraftwagen und deren Anhängern, Mopeds und Motorrädern sowie damit in Zusammenhang stehende Leistungen 50 % der in Rechnung gestellten Vorsteuer geltend gemacht werden. Die Abzugsfähigkeit für die genannten Leistungen wird in Spanien sehr restriktiv gehandhabt und ist nur dann gegeben, wenn das Unternehmen eindeutig nachweisen kann, dass das jeweilige Fahrzeug ausschließlich betrieblich verwendet wird. Die hierfür geforderten Nachweise sind oft kaum zu erfüllen. Des Ausmaß der Sanktionen hängt in Fällen einer Geltendmachung der Vorsteuern zu 100 % (ohne entsprechenden Nachweisen über die ausschließlich betriebliche Verwendung) von der Höhe der Vorsteuern ab und wurde ebenfalls schon iHv bis zu 50 % der zu unrecht beantragten Vorsteuerbeträge vorgeschrieben. In Belgien und UK existieren ebenfalls pauschale Vorsteuerkürzungen für vergleichbare Leistungen von ca 50% des in Rechnung gestellten Vorsteuerbetrages. In UK kann darüber hinaus die wissentliche Beantragung eines höheren Vorsteuerbetrages auch finanzstrafrechtliche Strafandrohungen mit sich bringen kann.
Darüber hinaus bringt auch die Beantragung von Vorsteuern im falschen Verfahren Konsequenzen mit sich – auf diese sind wir in unserem Newsletter UMSATZSTEUER | Vorsteuern im richtigen Verfahren – leichter mit ViDA? bereits näher eingegangen.
Verzögerungen bei der Auszahlung
Abgesehen von der Problematik eines möglichen Strafzuschlags oder sogar der Einleitung eines Strafverfahrens, gibt es noch einen Aspekt, der sich vor allem auf die Liquidität eines Unternehmers auswirken kann. Mittlerweile ist es gängige Praxis bei fast allen Steuerbehörden in der EU aber auch in den Drittstaaten, dass die Beanstandung einzelner Rechnungen zu einer Auszahlungssperre eines restlichen, nicht beanstandeten Vorsteuerbetrages führen wird. Es kann daher passieren, dass eine fast unbedeutende Tankrechnung die Auszahlung eines, für den Unternehmer wichtigen Vorsteuerbetrages, verhindert und auf längere Zeit blockiert. Eine Abwägung dahingehend, ob größere Vorsteuersummen durch möglicherweise strittige Rechnungen nicht gefährdet werden sollen, wäre im Einzelfall anzuraten. In Frankreich kann es beispielsweise auch passieren, dass nicht nur der aktuelle Antrag auf Auszahlung eines Guthabens im Zuge des Veranlagungsverfahrens gestoppt wird, sondern, bis zur endgültigen Klärung der Sachlage, auch alle darauffolgenden Anträge aus den später eingereichten Umsatzsteuermeldungen.
FAZIT
Vor Beantragung von Vorsteuern sollte ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, ob der Vorsteuerabzug im entsprechenden Land tatsächlich (in vollem Ausmaß) zusteht. Der Erhalt der Lieferung oder Leistung und einer entsprechenden Rechnung, auf der Umsatzsteuer ausgewiesen ist, begründet nicht automatisch das Recht auf einen Vorsteuerabzug. Ob ein Vorsteuerabzug tatsächlich zusteht, ist in jedem einzelnen Fall gesondert in Hinblick auf die oben genannten Faktoren zu betrachten. Werden Vorsteuern beantragt, die nicht (in vollem Ausmaß) zustehen, kann dies im jeweiligen Land einen Straftatbestand darstellen und wird in einigen EU-Ländern nicht als Kavaliersdelikt abgetan. Somit wird nicht nur die zu Unrecht beantragte Vorsteuer selbst zum Kostenfaktor, sondern kann zusätzlich schwere Sanktionen mit sich bringen. Darüber hinaus werden Anträge die derartige Fehler beinhalten meist zur Gänze abgewiesen und somit kann eine einzelne Rechnung dazu führen, dass der restliche Erstattungsbetrag nicht ausbezahlt wird.
Spannend ist in diesem Zusammenhang ein Ausblick auf die zukünftigen Veränderungen in der Meldung von Ein- und Ausgangsrechnungen und des Abgleichs dieser, welches das Mwst-Reformpaket ViDA mit sich bringt. Der genauere Abgleich zwischen den Meldungen von Leistendem und Leistungsempfänger könnte in Zukunft bewirken, dass hinsichtlich der abgeführten Umsatzsteuer durch den Leistenden und der beantragten Vorsteuer des Leistungsempfängers ein noch genaueres Bild gewonnen werden kann und zu Unrecht beantragte Vorsteuern schneller aufgedeckt werden können. Folgt man dann immer noch dem Prinzip “Probieren geht über Studieren”, kann die Beantragung von Vorsteuern womöglich noch teurer werden.
Gerne unterstützen wir Sie, falls Sie weitere Informationen oder Hilfe bei der Geltendmachung von Vorsteuern benötigen. Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Mitarbeiter der Service Line „Indirect Tax & Customs“ gerne zur Verfügung!
Zum Originalartikel
Platzer Günther | Stöger Sarah
Um eine in der Unternehmenskette in Rechnung gestellte Vorsteuer wieder in Abzug zu bringen, müssen sämtliche rechtliche sowie auch formale Voraussetzungen erfüllt werden. Trotz ausgeführter Lieferung beziehungsweise erbrachter sonstiger Leistung und entsprechender Rechnungslegung können verschiedene Faktoren bewirken, dass für den Leistungsempfänger dennoch kein Recht auf einen (vollständigen) Vorsteuerabzug besteht. Zu unrecht beantragte Vorsteuerbeträge werden in vielen Ländern nicht als Kavaliersdelikt angesehen, sondern gehen in der Praxis zum Teil mit hohen Strafen einher. Welche Faktoren es bei der Beantragung von Vorsteuerbeträgen unbedingt zu beachten gilt und welche Folgen die unbedachte Geltendmachung sämtlicher Vorsteuerbeträge nach dem Motto „Probieren geht über Studieren“ mit sich bringen kann, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.
Rechtliche Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug
Grundsätzlich sind Unternehmer im Sinne des § 1 öUStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn eine Lieferung oder sonstige Leistung im Inland für das Unternehmen ausgeführt wurde und für diese Lieferung oder sonstige Leistung auch eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des § 11 öUStG vorliegt. Vorausgesetzt wird hierbei natürlich, dass der Unternehmer persönlich als auch vor dem Hintergrund der in diesem Zusammenhang stehenden Leistungserbringung keinem Abzugsverbot unterliegt. Als für das Unternehmen ausgeführt gelten dabei Lieferungen, sonstige Leistungen sowie die Einfuhr von Gegenständen, wenn sie für Zwecke des Unternehmens erfolgen und wenn sie zu mindestens 10 % unternehmerischen Zwecken dienen. Werden Leistungen gegenüber einem anderen Unternehmen für unternehmerische Zwecke erbracht, so ist das Unternehmen, welches die Leistung erbringt, zur Rechnungsausstellung verpflichtet. Entspricht die Rechnung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so führt dies zum Verlust des Vorsteuerabzugs.
Für Istbesteuerer im Sinne des § 17 öUStG (ausgenommen Versorgungsbetriebe § 17 Abs. 1 zweiter Satz öUStG), deren Umsätze (ausgenommen Umsätze aus Hilfsgeschäfte einschließlich der Geschäftsveräußerung) im vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2 Millionen Euro nicht überstiegen haben, gilt als zusätzliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, dass die Zahlung geleistet worden ist.
Zusätzlich steht der Vorsteuerabzug bei geleisteten Anzahlungen (vor Leistungsbezug) zu, wenn die Zahlung entrichtet wurde und wiederum eine ordnungsgemäße Rechnung dafür ausgestellt wurde.
Die oben genannten Regelungen gelten dem Grunde nach auch für Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder aus dem Drittland.
Formale Voraussetzung – Beantragung der Vorsteuern im richtigen Verfahren
Unter der Bedingung, dass die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist und eine entsprechende ordnungsgemäße Rechnung gelegt wurde, stehen innerhalb der EU grundsätzlich zwei Verfahren zur Verfügung, um die in der Unternehmenskette in Rechnung gestellte Vorsteuer wieder in Abzug zu bringen: Das isolierte Vorsteuererstattungsverfahren und das Veranlagungsverfahren.
Unternehmer, die ihren Geschäftssitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder im Drittland haben, können Vorsteuern im Rahmen des isolierten Vorsteuererstattungsverfahrens geltend machen. Der Unternehmer darf zudem weder Sitz bzw Geschäftsleitung noch eine feste Niederlassung im Mitgliedstaat der Vorsteuererstattung haben und keine steuerpflichtigen Umsätze, die mit einer Registrierungspflicht einhergehen, tätigen.
Tätigt ein Unternehmer beispielsweise solche im Mitgliedstaat der Vorsteuererstattung steuerpflichtigen Umsätze und entsteht somit eine Registrierungspflicht im jeweiligen Land, so können die Vorsteuern im Regelfall im Wege des regulären Veranlagungsverfahren (periodische Abgabe von Umsatzsteuermeldungen) geltend gemacht werden. Innergemeinschaftliche Erwerbe, eingangsseitige Reverse Charge Umsätze oder innergemeinschaftliche Lieferungen können weitere Registrierungstatbestände im entsprechenden Land darstellen. Voraussetzung für die Geltendmachung von Vorsteuern im Rahmen des Veranlagungsverfahren, ist, dass der Registrierungsgrund im entsprechenden Kalenderjahr der Geltendmachung noch besteht.
Weitere Faktoren mit Konfliktpotenzial
Trotz Erfüllung der oben erläuterten rechtlichen sowie auch formalen Voraussetzungen, können dennoch die folgenden Faktoren dazu beitragen, dass bei der Beantragung der Vorsteuerbeträge Konfliktpotenzial besteht:
Abzugsfähigkeit dem Grunde nach
Um Vorsteuern geltend machen zu können, muss der Vorsteuerabzug dem Grunde nach zustehen. Das setzt voraus, dass die bezogene Leistung oder Lieferung für die Ausführung steuerpflichtiger oder echt steuerbefreiter Umsätze (wie zB Ausfuhrlieferungen oder innergemeinschaftliche Lieferungen) verwendet wird. Wird die bezogene Leistung oder Lieferung zur Ausführung unecht steuerbefreiter Umsätze (wie zB Umsätze von Kleinunternehmern oder Versicherungsvertretern, Vermietungsumsätze von Geschäftsräumen ohne Option etc.) verwendet, so steht kein Vorsteuerabzug zu.
Zusätzlich muss es sich bei der bezogenen Leistung oder Lieferung selbst um einen im Erstattungsland steuerbaren und auch steuerpflichtigen Umsatz handeln (korrekte Leistungsortbestimmung).
Qualifikation der Leistung
Zu einem Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug kommt es auch dann, wenn die Umsatzsteuer der Leistung fälschlicherweise auf der Rechnung ausgewiesen wird. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn auf der Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen wird, obwohl es aufgrund der Qualifikation der Leistung zum Übergang der Steuerschuld (Reverse Charge) gekommen wäre.
Die jeweiligen Fälle, in denen die Umsatzsteuer nicht vom Erbringer der Leistung geschuldet wird, sondern die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger über geht, variieren je nach Land, in dem die Leistung steuerbar ist. In EU-Mitgliedstaaten, die von dem Wahlrecht gemäß Art. 194 RL 2006/112/EG Gebrauch machen, kommt es für bestimmte Umsätze ausländischer Unternehmer (ohne Betriebsstätte im entsprechenden Land) zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger. Die genauen Anwendungsbereiche und Bedingungen für die Anwendung dieses allgemeinen Reverse Charge Verfahrens legt das jeweilige Land selbst fest.
Zudem sind in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten teilweise auch nationale Reverse Charge Verfahren normiert. Gängige Beispiele für Fälle, in denen nationale Reverse Charge Verfahren zu Anwendung kommen, sind:
Um den Leistungsort der jeweiligen Leistung richtig festlegen und damit prüfen zu können, ob die Leistung grundsätzlich zur Anwendung eines im entsprechenden Land normierten Reverse Charge Verfahren qualifiziert, ist eine sorgfältige umsatzsteuerliche Leistungskategorisierung und damit verbundene Bestimmung des Leistungsortes unentbehrlich.
Zuordnung zum richtigen Verfahren
Die Geltendmachung von Vorsteuern setzt zudem voraus, dass das richtige Verfahren gewählt wurde (siehe oben). Demnach ist die Erstattung der Vorsteuern im Wege des isolierten Vorsteuererstattungsverfahrens nur möglich, wenn das beantragende Unternehmen weder Sitz bzw Geschäftsleitung noch eine feste Niederlassung im Mitgliedstaat hat und kein Registrierungsgrund vorliegt, während die Geltendmachung von Vorsteuern im Rahmen von Rückzahlungsanträgen im Veranlagungsverfahren nur dann möglich ist, wenn ein Registrierungsgrund im Erstattungsland vorliegt und zwar nicht nur einmalig, sondern wiederkehrend.
Restriktionen hinsichtlich der Höhe des Vorsteuerabzuges
Zusätzlich ist zu hinterfragen, ob im Erstattungsland für bestimmte Lieferungen und Leistungen Restriktionen hinsichtlich der Höhe des Vorsteuerabzuges festgelegt wurden. Beispiele für Lieferungen und Leistungen, für die ein Vorsteuerabzug in anderen EU-Mitgliedstaaten teilweise nicht in vollem Ausmaß möglich ist, sind der Kauf und die Anmietung von PKWs und der Erwerb damit verbundener Gegenstände und Dienstleistungen (z. B. Treibstoff, Wartung). Es ist hierbei das jeweilige nationale Recht zu beachten. Für Vorsteuerbeträge, die das jeweilige abzugsfähige Ausmaß überschreiten, steht kein Vorsteuerabzug zu.
Konsequenzen zu Unrecht beantragter Vorsteuern
In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass zu Unrecht beantragte Vorsteuern in anderen EU-Mitgliedstaaten für den Leistungsempfänger nicht nur selbst zum Kostenfaktor werden, sondern darüber hinaus auch mit hohen Strafen einhergehen können. Einer jener EU-Staaten, die bei ungerechtfertigter Beantragung von Vorsteuern schwere Geschütze auffahren, ist Spanien.
Beantragung von Vorsteuern in Folge einer zzgl. USt fakturierten Bauleistung
Wird eine Rechnung zu Unrecht mit Umsatzsteuer ausgestellt, obwohl der Umsatz zur Anwendung eines Reverse Charge-Verfahrens qualifiziert, so steht dem Leistenden kein Vorsteuerabzug zu – auch wenn der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Leistenden und dieser weiter an das Finanzamt entrichtet.
In Spanien hat kürzlich ein Praxisfall solcher zu Unrecht beantragter Vorsteuern aufgrund der Qualifikation der Leistung gezeigt, dass hierfür hohe Strafen anfallen können. Ein in Spanien weder ansässiges noch registriertes Unternehmen hat eine Montagelieferung an ein in Spanien registriertes Unternehmen erbracht. Die Leistung war in Spanien steuerbar. Der Leistende ist davon ausgegangen, dass hierfür kein Reverse Charge Verfahren zur Anwendung kommt, weshalb die erbrachten Arbeiten zzgl. 21 % spanischer Umsatzsteuer fakturiert wurden. Die Umsatzsteuer wurde vom Leistenden abgeführt und der Leistungsempfänger hat die Vorsteuern im Rahmen des Veranlagungsverfahrens in Spanien entsprechend in Abzug gebracht.
In Spanien sind allerdings verschiedene Reverse Charge Verfahren, die je nach Art der Lieferung oder Leistung verschiedene Voraussetzungen mit sich bringen, normiert. Es hat sich im Rahmen einer Steuerprüfung herausgestellt, dass die zzgl. Umsatzsteuer in Rechnung gestellten Leistungen für die Anwendbarkeit eines Reverse Charge Verfahrens in Spanien qualifizieren.
Es hat sich gezeigt, dass in derartigen Fällen für die vom Leistungsempfänger zu unrecht beantragten Vorsteuerbeträge in Spanien Strafverfahren eingeleitet werden und Sanktionen iHv bis zu 50 % der zu unrecht beantragten Vorsteuerbetrage verhängt werden.
Beantragung von Vorsteuern in vollem Ausmaß (trotz Restriktionen)
Weitere Praxisfälle in Belgien, Spanien und UK haben gezeigt, dass auch ein Außer-Acht-Lassen von Restriktionen hinsichtlich des erlaubten Ausmaßes des Vorsteuerabzuges bestraft wird. In Spanien kann beispielsweise für den Kauf und die Anmietung von Personenkraftwagen und deren Anhängern, Mopeds und Motorrädern sowie damit in Zusammenhang stehende Leistungen 50 % der in Rechnung gestellten Vorsteuer geltend gemacht werden. Die Abzugsfähigkeit für die genannten Leistungen wird in Spanien sehr restriktiv gehandhabt und ist nur dann gegeben, wenn das Unternehmen eindeutig nachweisen kann, dass das jeweilige Fahrzeug ausschließlich betrieblich verwendet wird. Die hierfür geforderten Nachweise sind oft kaum zu erfüllen. Des Ausmaß der Sanktionen hängt in Fällen einer Geltendmachung der Vorsteuern zu 100 % (ohne entsprechenden Nachweisen über die ausschließlich betriebliche Verwendung) von der Höhe der Vorsteuern ab und wurde ebenfalls schon iHv bis zu 50 % der zu unrecht beantragten Vorsteuerbeträge vorgeschrieben. In Belgien und UK existieren ebenfalls pauschale Vorsteuerkürzungen für vergleichbare Leistungen von ca 50% des in Rechnung gestellten Vorsteuerbetrages. In UK kann darüber hinaus die wissentliche Beantragung eines höheren Vorsteuerbetrages auch finanzstrafrechtliche Strafandrohungen mit sich bringen kann.
Darüber hinaus bringt auch die Beantragung von Vorsteuern im falschen Verfahren Konsequenzen mit sich – auf diese sind wir in unserem Newsletter UMSATZSTEUER | Vorsteuern im richtigen Verfahren – leichter mit ViDA? bereits näher eingegangen.
Verzögerungen bei der Auszahlung
Abgesehen von der Problematik eines möglichen Strafzuschlags oder sogar der Einleitung eines Strafverfahrens, gibt es noch einen Aspekt, der sich vor allem auf die Liquidität eines Unternehmers auswirken kann. Mittlerweile ist es gängige Praxis bei fast allen Steuerbehörden in der EU aber auch in den Drittstaaten, dass die Beanstandung einzelner Rechnungen zu einer Auszahlungssperre eines restlichen, nicht beanstandeten Vorsteuerbetrages führen wird. Es kann daher passieren, dass eine fast unbedeutende Tankrechnung die Auszahlung eines, für den Unternehmer wichtigen Vorsteuerbetrages, verhindert und auf längere Zeit blockiert. Eine Abwägung dahingehend, ob größere Vorsteuersummen durch möglicherweise strittige Rechnungen nicht gefährdet werden sollen, wäre im Einzelfall anzuraten. In Frankreich kann es beispielsweise auch passieren, dass nicht nur der aktuelle Antrag auf Auszahlung eines Guthabens im Zuge des Veranlagungsverfahrens gestoppt wird, sondern, bis zur endgültigen Klärung der Sachlage, auch alle darauffolgenden Anträge aus den später eingereichten Umsatzsteuermeldungen.
FAZIT
Vor Beantragung von Vorsteuern sollte ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, ob der Vorsteuerabzug im entsprechenden Land tatsächlich (in vollem Ausmaß) zusteht. Der Erhalt der Lieferung oder Leistung und einer entsprechenden Rechnung, auf der Umsatzsteuer ausgewiesen ist, begründet nicht automatisch das Recht auf einen Vorsteuerabzug. Ob ein Vorsteuerabzug tatsächlich zusteht, ist in jedem einzelnen Fall gesondert in Hinblick auf die oben genannten Faktoren zu betrachten. Werden Vorsteuern beantragt, die nicht (in vollem Ausmaß) zustehen, kann dies im jeweiligen Land einen Straftatbestand darstellen und wird in einigen EU-Ländern nicht als Kavaliersdelikt abgetan. Somit wird nicht nur die zu Unrecht beantragte Vorsteuer selbst zum Kostenfaktor, sondern kann zusätzlich schwere Sanktionen mit sich bringen. Darüber hinaus werden Anträge die derartige Fehler beinhalten meist zur Gänze abgewiesen und somit kann eine einzelne Rechnung dazu führen, dass der restliche Erstattungsbetrag nicht ausbezahlt wird.
Spannend ist in diesem Zusammenhang ein Ausblick auf die zukünftigen Veränderungen in der Meldung von Ein- und Ausgangsrechnungen und des Abgleichs dieser, welches das Mwst-Reformpaket ViDA mit sich bringt. Der genauere Abgleich zwischen den Meldungen von Leistendem und Leistungsempfänger könnte in Zukunft bewirken, dass hinsichtlich der abgeführten Umsatzsteuer durch den Leistenden und der beantragten Vorsteuer des Leistungsempfängers ein noch genaueres Bild gewonnen werden kann und zu Unrecht beantragte Vorsteuern schneller aufgedeckt werden können. Folgt man dann immer noch dem Prinzip “Probieren geht über Studieren”, kann die Beantragung von Vorsteuern womöglich noch teurer werden.
Gerne unterstützen wir Sie, falls Sie weitere Informationen oder Hilfe bei der Geltendmachung von Vorsteuern benötigen. Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Mitarbeiter der Service Line „Indirect Tax & Customs“ gerne zur Verfügung!
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