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UVP-Novelle 2022 in den Startlöchern

(Bild: © iStock/Parradee Kietsirikul)

Eine Novellierung des UVP-G[1] wurde vom BMK[2] bereits seit längerem angekündigt. Nunmehr schickte das BMK den Novellenentwurf bis zum 19.09.2022 in Begutachtung. Medial stand vor allem die „Beschleunigung von Genehmigungsverfahren“ im Vordergrund. Die Novelle umfasst aber weit mehr. Der gegenständliche Beitrag bietet eine erste Orientierung.

Regelungsziele der Novelle

Die Ziele der umfassenden Novellierung des UVP-G sind ua:

  • Steigerung der Verfahrenseffizienz
  • Beschleunigung Verfahren von Vorhaben der Energiewende
  • Herstellung von Unionsrechtskonformität
  • Berücksichtigung zusätzlicher Wirkfaktoren und Schutzgüter
  • Erweiterung der UVP-Pflicht für bestimmte Vorhabenstypen
  • Anpassung an die aktuelle Judikatur

Durch welche Regelungen diese Ziele nun verfolgt werden, wird nachstehend überblickweise dargestellt.

Strukturierung des Verfahrens und Beschleunigung

Wesentliche Hebel für die Beschleunigung des Verfahrens ergeben sich insbesondere durch neue Möglichkeiten der Verfahrensstrukturierung:

  • Einwendungen sollen in allen UVP-Verfahren[3] nur mehr innerhalb der öffentlichen Auflagefrist wirksam erhoben werden können.[4]
  • Der Stand der Technik soll grds mit Beginn der öffentlichen Auflage des Vorhabens „eingefroren“ werden.[5]
  • Nach der öffentlichen Auflage und Kundmachung des Umweltverträglichkeitsgutachtens oder der zusammenfassenden Bewertung kann die Behörde den Verfahrensparteien Fristen für weiteres Vorbringen setzen. Nach Ablauf der Frist erstattete Vorbringen sollen im weiteren Verfahren unzulässig sein.[6]
  • Dem „Nachschießen“ von Vorbringen von Projektgegnern auch noch in der mündlichen Verhandlung wird ein Riegel vorgeschoben.[7]
  • Digitalisierung: Mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen sollen künftig noch weitreichender unter Verwendung von technischen Möglichkeiten zur Wort- und Bildübertragung (online) abgehalten werden können.
  • Die Möglichkeiten zur (zeitlichen) Verfahrensstrukturierung sollen auch für das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanz gelten.[8]

Spezialbestimmungen für Vorhaben der Energiewende

Anders als nach der bisherigen Systematik im UVP-G, werden nunmehr spezielle Bestimmungen für „Vorhaben der Energiewende“ geschaffen. Die Begriffsdefinition[9] ist weit und umfasst alle Projekte, „die der Errichtung, Erweiterung oder Änderung von Anlagen zur Erzeugung, Speicherung oder Leitung erneuerbarer Energien dienen„. Für derartige Vorhaben finden sich über das UVP-G verstreut mehrere Spezialbestimmungen:

  • Die Genehmigung kann nicht ausschließlich auf Grund von Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds abgewiesen werden, wenn im Rahmen der Energieraumplanung eine strategische Umweltprüfung durchgeführt wurde.[10]
  • Im Rahmen der Gesamtabwägung bei der Genehmigungsentscheidung gelten Energiewendevorhaben als im hohen öffentlichen Interesse gelegen.[11]
  • UVP-Behörden können die aufschiebende Wirkung von Beschwerden mit Bescheid ausschließen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und die Beschwerden zu unsubstantiiert ausgeführt wurden. Eine nachprüfende Kontrolle durch das BVwG ist vorgesehen.[12]

Eingeschränkt für die Windkraft sind Zulässigkeitsvoraussetzungen der örtlichen Raumplanung (Erfordernis einer Flächenwidmung für die Windkraft) nicht anzuwenden (kein Genehmigungshindernis). Fehlt darüber hinaus eine überörtliche Planung im Bundesland, ist die Zustimmung der Standortgemeinde(n) dem Antrag beilzulegen.[13]

Änderungen für UVE + UVGA

Im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) enthält die Novelle einerseits eine Klarstellung zur Alternativenprüfung[14] sowie die Verpflichtung der Projektwerber, die Angaben zu den Umweltauswirkungen bzw deren Untersuchungstiefe nach „prioritär“ und „nicht prioritär“ zu gliedern.[15] Diese Abstufung war bisher nur möglich, nicht aber verpflichtend.

Sowohl in der UVE[16] als auch im Umweltverträglichkeitsgutachten (UVGA)[17] sind künftig die Ergebnisse (allfälliger) Strategischer Umweltprüfungen nach der Strategische-Umweltprüfungs-Richtlinie 2001/42/EG noch stärker zu berücksichtigen. Dadurch sollen die strategische (Raum-)Planung gestärkt und Doppelprüfungen vermieden werden.

Schließlich soll dem UVGA künftig der zum Zeitpunkt der öffentlichen Auflage des Vorhabens maßgebliche Stand der Technik zugrunde gelegt werden, soweit dem nicht andere Regelungen entgegenstehen.[18] Nach der aktuellen Fassung des UVP-G ist der Stand der Technik zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich.

Das „Einfrieren“ des Stands der Technik gilt auch für die Zusammenfassende Bewertung der Umweltauswirkungen im vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren.[19] Für diese Verfahrensart ist allerdings vorgesehen, dass auch die Zusammenfassende Bewertung künftig vier Wochen lang zur öffentlichen Einsicht aufzulegen ist.[20]

Sowohl für das vereinfachte als auch für das „reguläre“ UVP-Genehmigungsverfahren soll weiters vorgesehen werden, dass die mündliche Verhandlung erst nach Abschluss der Auflage des UVGA stattfinden darf.[21]

… und im Zusammenhang mit der Genehmigungsentscheidung

Bei der Genehmigungsentscheidung sollen künftig Treibhausgasemissionen sowie der Flächenverbrauch verstärkt berücksichtigt werden.[22] Weiters ist vorgesehen, dass bei der Genehmigungsentscheidung auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf Vorratsflächen (Flächenpools) berücksichtigt werden können, falls solche Vorratsflächen landesgesetzlich vorgesehen sind.[23]

Generell soll es – anders als zuletzt nach der Judikatur – ausreichen, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als Konzept vorliegen. Das Konzept muss die Maßnahme zwar detailliert beschreiben, der konkrete Standort muss allerdings noch nicht festgelegt werden (lediglich die Standortanforderungen). Stellt sich nach der Genehmigung heraus, dass die Umsetzung der Maßnahme unmöglich ist, ist eine Ausgleichszahlung zu leisten.[24]

Weitere Änderungen im Verfahren

Im Hinblick auf Änderungen vor Zuständigkeitsübergang sieht der Novellenvorschlag eine bloße Anzeigepflicht solcher Änderungen vor, die „technische Weiterentwicklungen“ oder „immissionsneutral“ sind. Hat die Behörde Zweifel über die Voraussetzungen der (bloßen) Anzeigepflicht, hat sie von Amts wegen ein Änderungsverfahren nach § 18b UVP-G durchzuführen.[25]

Ein weiterer Änderungsvorschlag betrifft Vorbringen, die erstmals in einer Beschwerde gegen einen UVP-Bescheid vorgebracht werden: Nach der geltenden Rechtslage sind Beschwerden nur dann zulässig, wenn sie sich auf bereits vorgebrachte oder solche Einwendungen und Gründe stützt, die nur aufgrund eines minderen Grades des Versehens nicht zuvor vorgebracht wurden. Nach dem Begutachtungsentwurf sollen erstmalige Einwendungen oder Gründe hingegen zulässig sein, sofern ihr erstmaliges Vorbringen im Rechtsmittelverfahren „missbräuchlich oder unredlich“ ist.

Neue und überwiegend verschärfte UVP-Tatbestände

Der Begutachtungsentwurf sieht eine umfassende Überarbeitung der UVP-Tatbestände vor. Zwar finden sich in dieser Überarbeitung auch einzelne Ausnahmen von der UVP-Pflicht (zB für bestimmte Abfallbehandlungsanlagen). Nach dem Novellenvorschlag soll der Kreis der UVP-pflichtigen Vorhaben jedoch erheblich ausgeweitet werden – so zB im Zusammenhang Skigebieten, Industrie- und Gewerbeparks, Logistikzentren, Städtebauvorhaben, Parkplätzen und anderen Vorhabenstypen. Diese Ausweitung betrifft auch Vorhaben der Energiewende (zB neue Tatbestände für Wasserkraftanlagen, Ausweitung der UVP-Pflicht für Rodungen und Trassenaufhiebe, die insb für Leitungsvorhaben bedeutsam sind).

Erste Würdigung des Entwurfs

Der vorgestellte Novellenentwurf ist ein ambitionierter Versuch, viele Regelungsziele zu vereinen. Insbesondere die neuen Instrumente für UVP-Behörden und das Bundesverwaltungsgericht zur Strukturierung des Verfahrens versprechen auch in zeitlicher Hinsicht eine gewisse Beschleunigung in den Verfahren. Akzeptanz in der Bevölkerung, mangelnde Behördenausstattung und fehlende Verfügbarkeiten von Sachverständigen, können diese Regelungen aber nicht wettmachen. Durch die Verschärfung und Erweiterung der Tatbestände von UVP-pflichtigen Vorhaben in Anhang 1 zum UVP-G ist zudem von einer Steigerung der Anzahl der Verfahren auszugehen. Das Ziel, UVP-Verfahren ohne Qualitätsverlust möglichst effizient und kurz halten, sollte überdies nicht nur für Vorhaben der Energiewende, sondern für alle Vorhabenstypen gelten. In diesem Sinn sollten einzelne Bestimmungen zur Verfahrensbeschleunigung unabhängig von der Art des Vorhabens anzuwenden sein. Aus verfassungsrechtlicher, rechtsdogmatischer und -systematischer Sicht wären die verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) besser aufgehoben als im UVP-G. Innerhalb des UVP-G sind einzelne Bestimmungen der Novelle wiederum unsystematisch angeordnet.[26] Zusammengefasst sind einzelne Regelungen sehr zu begrüßen, während andere noch eines Feinschliffs bedürfen.

Autoren:

Christoph Cudlik | Benjamin Schlatter


[1]     Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000.

[2]     Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

[3]     Dh unabhängig von der Anwendung der Großverfahrensbestimmungen gem §§ 44a ff AVG.

[4]     § 9 Abs 3 Z 6 des Begutachtungsentwurfs (Paragraphenangaben ohne nähere Bezeichnung beziehen sich auf den Begutachtungsentwurf).

[5]     § 12 Abs 7.

[6]     § 14 Abs 1.

[7]     § 12 Abs 2 und § 24c Abs 7.

[8]     § 40 Abs 7.

[9]     § 2 Abs 7.

[10]    § 17 Abs 5.

[11]    § 17 Abs 5.

[12]    § 17a.

[13]    § 4a.

[14]    § 6 Abs 1.

[15]    § 6 Abs 2.

[16]    § 6 Abs 2.

[17]    § 12 Abs 2 und 24c Abs 3.

[18]    § 12 Abs 7, § 24c Abs 7 und 40 Abs 5.

[19]    § 12a und § 24d.

[20]    § 13 Abs 2 und 24e Abs 2.

[21]    § 14 Abs 3.

[22]    § 17 Abs 2 Z 1 und 2, § 24f Abs 1 Z 1 und 2.

[23]    § 17 Abs 4.

[24]    § 17 Abs 5a.

[25]    § 18c und 20 Abs 4.

[26]    Vgl § 4a.

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