Seit ĂĽber 30 Jahren beschäftigt sich DDr. Hans Zöchling intensiv mit KonzernÂsteuerfragen, Umstrukturierungen und M&A-Transaktionen. Er berät als Partner der KPMG Alpen-Treuhand GmbH in Wien Gesellschaften aus den Bereichen Industrie, Handel, Immobilien, Medien und Telekommunikation.
Bei den Steuerberater-Awards wurde er 2019 sowohl in der Kategorie „Börsennotierte Unternehmen“ als auch – bereits zum dritten Mal – in der Kategorie „Umgründungen“ als „Steuerberater des Jahres“ ausgezeichnet.
Vor Kurzem erschien das Handbuch „Co-operative Tax Compliance in Österreich“. Es befasst sich mit der begleitenden Kontrolle und anderen Formen der Kooperation in Steuersachen. Hans Zöchling ist unter den Herausgebern.1
BFGjournal:Herr Doktor Zöchling, könnten Sie unseren Leserinnen und Lesern einen kurzen Überblick zum Handbuch geben?
Hans Zöchling: Wir haben Autoren aus der FinanzÂverwaltung, der OECD, aus Unternehmen, die am Pilotprojekt „Horizontal Monitoring“ teilgenommen oder ein Steuerkontrollsystem eingefĂĽhrt haben, sowie WirtschaftsprĂĽfer, Berater und Wirtschaftspsychologen eingeladen, die vorhandenen Instrumente der Co-operative Tax Compliance und mögliche Weiterentwicklungen zu beschreiben. Schwerpunkte des Buches sind neben der nunmehr gesetzlich normierten begleitenden Kontrolle auch die Einrichtung und PrĂĽfung von Steuerkontrollsystemen und „der Blick in die Zukunft“ der Co-operative Tax Compliance in Ă–sterreich.
BFGjournal:Im Vorwort des Buches steht: „Mit der gesetzlichen Verankerung der begleitenden Kontrolle ist die Förderung der Co-operative Tax Compliance nicht abgeschlossen.“ Sie sind Mitherausgeber. Was ist damit gemeint?
Hans Zöchling: Die Verankerung der begleitenden Kontrolle in der BundesÂabgabenordnung ist tatsächlich ein Meilenstein – sowohl aus praktischer als auch aus juristischer Sicht. Auf einem langen Weg ist ein Etappenziel erreicht. Weitere Schritte sollten folgen.
„Die Verankerung der begleitenden Kontrolle in der BAO ist ein Meilenstein – weitere Schritte sollten folgen!“
DDr. Hans Zöchling
BFGjournal:Man könnte der Systematik der begleitenden Kontrolle vorwerfen, dass sie sich nur an größere Unternehmen und bestimmte Branchen richtet. Sollten nicht auch kleinere und mittlere, somit die viel gepriesenen klassischen „mittelständischen“ Unternehmen, die immerhin den LöwenÂanteil der WirtschaftsÂleistung erbringen, eingebunden werden?
Hans Zöchling: Genau dies ist das Anliegen von uns Herausgebern! Wir sind ĂĽberzeugt, dass eine wesentlich größere Anzahl von SteuerÂpflichtigen – insbesondere kleinere und mittlere, aber auch größere Unternehmen, die nicht die begleitende Kontrolle beantragen wollen – die Möglichkeit haben sollten, andere Formen der Co-operative Tax Compliance zu nutzen.
BFGjournal:Wird bei größeren Unternehmen die begleitende Kontrolle die klassische BetriebsÂprĂĽfung ersetzen?
Hans Zöchling: Nein – die begleitende Kontrolle wird sicher kein Massenphänomen werden. Mit der begleitenden Kontrolle sind nicht unerhebliche ZusatzÂkosten verbunden – „There is no free lunch“ gilt auch fĂĽr diesen Bereich. Die weitaus ĂĽberwiegende Anzahl von Unternehmen wird auch in Zukunft dem klassischen System der AbgabenÂerhebung (Abgabe von Steuererklärungen – Ex-post-Kontrolle in Form von BetriebsÂprĂĽfungen – etwaige RechtsmittelÂverfahren) unterliegen.
BFGjournal:Die Einrichtung eines Steuerkontrollsystems ist notwendige Voraussetzung fĂĽr die Inanspruchnahme der begleitenden Kontrolle.2 Welche Vorteile ergeben sich fĂĽr Unternehmen aber ganz allgemein aus diesem Instrument?
Hans Zöchling: Ich bin ĂĽberzeugt, dass zukĂĽnftig Unternehmen, die ein funktionierendes Steuerkontrollsystem vorzuweisen haben, auch im Rahmen einer konventionellen BetriebsÂprĂĽfung anders behandelt werden, als Unternehmen ohne funktionierendes Steuerkontrollsystem. Weiters sind – auch auf Grund einzelner sehr positiver Aussagen in Judikaten des BFG – mit der Einrichtung eines Steuerkontrollsystems auch finanzstrafÂrechtliche Vorteile verbunden. Viele Unternehmen ĂĽberlegen daher die Einrichtung eines Steuerkontrollsystems – auch dann, wenn kein Wechsel in die begleitende Kontrolle angestrebt wird.
BFGjournal:Und was ist mit solchen Unternehmen, die nicht die begleitende Kontrolle beantragen wollen? Welche Möglichkeiten könnte man diesen Unternehmen als Art „Partnerschaft mit der FinanzÂverwaltung“ anbieten?
Hans Zöchling: Aus meiner Sicht sollten zB in Form eines Erlasses oder auf gesetzlicher Grundlage Anreize dafĂĽr geschaffen werden, dass Unternehmen freiwillig Steuerkontrollsysteme einrichten. Dies wĂĽrde zu einer Win-win-Situation fĂĽr den Fiskus und fĂĽr die SteuerÂpflichtigen fĂĽhren. Andere Instrumente – wie den AuskunftsÂbescheid – existieren schon oder werden – wie das Standard Audit File Tax Projekt – gerade entwickelt.
BFGjournal:Wie stehen Sie zu anderen alternativen Streitvermeidungs- oder Streitbeilegungsmechanismen, wie den AuskunftsÂbescheid nach § 118 BAO, Verständigungs- oder SchiedsÂverfahren, im Vergleich zu „klassischen“ RechtsmittelÂverfahren? Prof. Tina Ehrke-Rabel3 sieht diese Alternativen durchaus kritisch, weil die Gefahr besteht, dass bestimmte Rechtsfragen der Allgemeinheit gar nicht mehr zugänglich sind. AuĂźerdem gelten diese Alternativen nur fĂĽr den Einzelfall. Dies gilt zwar auch grundsätzlich fĂĽr Entscheidungen des VwGH, aber es werden doch Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung behandelt und bei Abweichen von einer ständigen Rechtsprechung muss der VwGH mit verstärktem Senat entscheiden. Sind diese Bedenken berechtigt?
Hans Zöchling: FĂĽr mich als Praktiker sind diese alternativen Streitvermeidungs- oder Streitbeilegungsmechanismen sehr positiv. Bei internationalen Geschäftsbeziehungen kommt es immer mehr zu DoppelÂbesteuerungen, mehrere Staaten greifen auf dasselbe Steuersubstrat zu – ein unhaltbarer Zustand! Verständigungs- und SchiedsÂverfahren sind daher unbedingt erforderlich. Auch AuskunftsÂbescheide sind aus einem modernen SteuerÂrecht nicht wegzudenken. SteuerÂpflichtigen, die sich regelkonform verhalten wollen, muss rasch – und nicht nach Ende eines oft viele Jahre dauernden RechtsmittelÂverfahrens – Rechts- und Planungssicherheit geboten werden.
Die Sorge von Frau Prof Ehrke-Rabel teile ich nicht. Es kommt durch Verständigungs- und SchiedsÂverfahren oder auch durch Tax Rulings sicher nicht zu rechtsstaatlich bedenklichen Defiziten. Die Rolle der (Finanz-)Gerichtsbarkeit wird dadurch nicht eingeschränkt. Auch in Zukunft werden die wirklich strittigen rechtlichen Fragen im RechtsmittelÂverfahren entschieden werden, während sich Sachverhaltsfragen und Fragen im Bereich der konkreten Verrechnungspreisfestlegung (zB Festlegung der fremdĂĽblichen VergĂĽtung im Rahmen einer Bandbreite) eher fĂĽr den Bereich der Verständigungs- oder SchiedsÂverfahren eignen. Gerade dort, wo die Aufteilung des Steuerkuchens auf mehrere Staaten strittig ist, nĂĽtzt die Rechtsauslegung durch ein Gericht nur eines der beteiligten Staaten fĂĽr die Erreichung eines gerechten Besteuerungsergebnisses, nämlich einer EinmalÂbesteuerung, nichts.
BFGjournal:VerständigungsÂverfahren dauern oft einige Jahre lang und werden von klassischen SteuerÂverwaltungen auf hierarchisch organisierter Beamtenebene gefĂĽhrt. Wie ist ihre Erwartungshaltung gegenĂĽber den eben etablierten, weisungsfreien und, was Ă–sterreich betrifft, mit Richtern (aus dem BundesfinanzÂgericht) und Wissenschaftlern besetzten, SchiedsÂgerichten nach dem EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetz?4Erwarten Sie sich raschere, transparente und auf Grund der Unabhängigkeit der entscheidenden Personen „fairere“ Verfahren?
Hans Zöchling: Vorab muss festgehalten werden, dass das SchiedsÂgericht nur eines der im EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetz vorgesehenen Verfahren und dieses auch erst die zweite Stufe des Verfahrens darstellt; zuerst läuft ein VerständigungsÂverfahren nach bekanntem Muster ab. Die von der OECD veröffentlichten Statistiken zeigen, dass – gerade wenn ein Einigungszwang besteht – bereits die beteiligten Behörden häufig zu einem Konsens kommen und daher in vielen Fällen es gar nicht zur Einsetzung eines SchiedsÂgerichtes kommen wird.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wenn in SchiedsÂgerichten Unabhängige und Sachkundige die Entscheidungen treffen, erwarte ich fĂĽr diesen Bereich eine Verbesserung der Qualität dieser Entscheidungen. Gemeinsam mit der gesetzlich vorgesehenen Veröffentlichung der Entscheidungen wird dies auch zur RechtsfortÂbildung in diesem Bereich beitragen.
BFGjournal:Sie kennen die Projekte im BMF. Wie ist der aktuelle Stand beim „Standard Audit File Tax“?
Hans Zöchling: Beim „Standard Audit File Tax“ handelt es sich um ein Horizontal Monitoring fĂĽr KMU. Unternehmen, die Daten aus dem Rechnungswesen der FinanzÂverwaltung zur digitalen PrĂĽfung ĂĽbermitteln, sollen bessergestellt werden, als andere Unternehmen, die nicht in gleicher Weise zur Transparenz bereit sind. Eine solche Ă–ffnung von Horizontal Monitoring in Richtung kleinere Unternehmen wäre sehr begrĂĽĂźensÂwert. Ă„hnlich wie beim Horizontal Monitoring sollte die FinanzÂverwaltung in einem Pilot-Projekt prĂĽfen, ob die Erwartungen auch tatsächlich erfĂĽllt werden und danach ein „Roll-out“ (natĂĽrlich auf Basis von gesetzlichen Grundlagen) vornehmen.
BFGjournal: Was wĂĽnschen Sie sich als Steuerberater und/oder als Vorsitzender der Arbeitsgruppe KörperschaftÂsteuer des Fachsenates fĂĽr SteuerÂrecht von einer neuen Regierung? Sollten die noch nicht verwirklichten Pläne der ehemaligen tĂĽrkis-blauen Regierung allesamt umgesetzt werden?
Hans Zöchling: Ich wĂĽnsche mir, dass auch eine zukĂĽnftige Bundesregierung Vorhaben wie die Neukodifikation des EStG und die Modernisierung des GewinnÂermittlungs rechtes auf ihre Fahnen schreibt. FĂĽr die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Ă–sterreich ist natĂĽrlich auch der KörperschaftÂsteuersatz wichtig. Unternehmen interessiert aber nicht nur der nominelle Steuersatz. „Tax Certainty“, also die Planungs- und Rechtssicherheit in Steuersachen, ist in der Praxis genauso relevant. Eine Weiterentwicklung der Co-operative Tax Compliance und eine Erhöhung der Geschwindigkeit bei der Erteilung von AuskunftsÂbescheiden und Verständigungs- und SchiedsÂverfahren – die natĂĽrlich eine entsprechende personelle Ausstattung der Behörden voraussetzt – sollten ebenfalls Eingang in das Regierungsprogramm finden.
BFGjournal:Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe KörperschaftÂsteuer des Fachsenates fĂĽr SteuerÂrecht ist es Ihre Aufgabe, Stellungnahmen zu Gesetzes- oder RichtlinienentwĂĽrfen abzuÂgeben. Wohnen in dieser Situation gelegentlich zwei Seelen in Ihrer Brust: einerseits als neutraler Steuerexperte und andererseits als Steuerberater, der auch die Interessen seiner Klientel wahren sollte? Wie schafft man diesen Spagat?
Hans Zöchling: Ich sehe keinen Widerspruch. Die Begutachtung von Gesetzes- und RichtlinienentwĂĽrfen hat immer eine rechtspolitische Komponente. Die KSW als gesetzliche Interessensvertretung der Steuerberater und WirtschaftsprĂĽfer muss auch prĂĽfen, ob beabsichtigte neue Regeln zu einer fairen Besteuerung fĂĽhren, ob sie administrierbar sind und ob die Interessen des Wirtschaftsstandortes Ă–sterreich gewahrt werden. Die KSW war nie und wird auch in Zukunft nicht Anwalt von PartikularÂinteressen einzelner Unternehmen sein.
BFGjournal:Da sich das Jahr 2019 allmählich dem Ende zuneigt, kann man schon erste RĂĽckblicke machen. Welche Judikate haben Ihrer Meinung nach das österreichische ErtragÂsteuerrecht heuer am meisten geprägt?
Hans Zöchling: Die jĂĽngste Entscheidung des VwGH vom 4. 9. 2019 zur Liquidation eines Gruppenmitglieds mit ungetilgten Verbindlichkeiten ist von groĂźer Bedeutung. Die Entscheidung zeigt aber auch deutlich, dass die derzeitige Rechtslage unbefriedigend ist und auĂźerÂgerichtliche Sanierungen fiskalisch erschÂwert werden. Wir, in der Kammer der Steuerberater und WirtschaftsprĂĽfer, sehen es als unsere Aufgabe, vernĂĽnftige neue Regeln zu ĂĽberlegen und mit dem BMF zu besprechen. Auch hier geht es nicht um Interessen einzelner Unternehmen, sondern um eine faire Besteuerung, die eine Sanierung von Unternehmen auch ohne InsolvenzÂverfahren ermöglichen soll.
BFGjournal:Und womit werden wir uns in der Zukunft beschäftigen?
Hans Zöchling: Ich beschäftige mich derzeit sehr intensiv mit der Zinsschranke gem Art 4 ATAD. Auf Grund des zunehmenden internationalen Drucks wird eine solche Zinsabzugsbeschränkung auch in Österreich wohl früher als bislang gedacht eingeführt werden müssen. Im Interesse des Wirtschaftsstandortes müssen wir dafür sorgen, dass österreichische Leitunternehmen dabei nicht unter die Räder kommen.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… einen ersten Schritt in Richtung Work/Life-Balance zu setzen.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Dietrich Dörner, Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen, davor Ian Kershaw, Roller-Coaster – Europe 1950-2017.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… ein schöner Walzer mit meiner Frau.
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Barack Obama.
5) Nach der Arbeit …
… entweder hinaus in die Natur (sei es mit Wanderschuhen, Tourenschi oder dem Mountainbike) oder hinein in den Musikverein und die Staatsoper.
1Müller/Woischitzschläger/Zöchling, Co-Operative Tax Compliance in Österreich (2019); vgl zum Werk Renner, Kooperation in Steuersachen zwischen Abgabenbehörden und Unternehmen, SWK 32/2019, 1406.
2Vgl dazu die Verordnung des Bundesministers fĂĽr Finanzen ĂĽber die PrĂĽfung des Steuerkontrollsystems (SKS-PV), BGBl II 2018/340 bzw Macho, Anforderungen an das SKS aus Sicht der FinanzÂverwaltung, in MĂĽller/Woischitzschläger/Zöchling, Co-operative Tax Compliance in Ă–sterreich, 210.
3 Dr. Tina Ehrke-Rabel im Interview, BFGjournal 2019, 366.
4Vgl dazu zB Vock/Spanblöchl, Das EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetz im Ăśberblick, RdW 2019, 192 (192 f); Kubik, Das neue Verfahren zur Beilegung von grenzĂĽberschreitenden Steuerstreitigkeiten innerhalb der EU, SWK 25/2019, 1018, sowie Spanblöchl, Die Verhaltensbeschwerde im Rahmen des EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetzes, SWK 25/2019, 1026.
Seit ĂĽber 30 Jahren beschäftigt sich DDr. Hans Zöchling intensiv mit KonzernÂsteuerfragen, Umstrukturierungen und M&A-Transaktionen. Er berät als Partner der KPMG Alpen-Treuhand GmbH in Wien Gesellschaften aus den Bereichen Industrie, Handel, Immobilien, Medien und Telekommunikation.
Bei den Steuerberater-Awards wurde er 2019 sowohl in der Kategorie „Börsennotierte Unternehmen“ als auch – bereits zum dritten Mal – in der Kategorie „Umgründungen“ als „Steuerberater des Jahres“ ausgezeichnet.
Vor Kurzem erschien das Handbuch „Co-operative Tax Compliance in Österreich“. Es befasst sich mit der begleitenden Kontrolle und anderen Formen der Kooperation in Steuersachen. Hans Zöchling ist unter den Herausgebern. 1
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BFGjournal: Herr Doktor Zöchling, könnten Sie unseren Leserinnen und Lesern einen kurzen Überblick zum Handbuch geben?
Hans Zöchling: Wir haben Autoren aus der FinanzÂverwaltung, der OECD, aus Unternehmen, die am Pilotprojekt „Horizontal Monitoring“ teilgenommen oder ein Steuerkontrollsystem eingefĂĽhrt haben, sowie WirtschaftsprĂĽfer, Berater und Wirtschaftspsychologen eingeladen, die vorhandenen Instrumente der Co-operative Tax Compliance und mögliche Weiterentwicklungen zu beschreiben. Schwerpunkte des Buches sind neben der nunmehr gesetzlich normierten begleitenden Kontrolle auch die Einrichtung und PrĂĽfung von Steuerkontrollsystemen und „der Blick in die Zukunft“ der Co-operative Tax Compliance in Ă–sterreich.
BFGjournal: Im Vorwort des Buches steht: „Mit der gesetzlichen Verankerung der begleitenden Kontrolle ist die Förderung der Co-operative Tax Compliance nicht abgeschlossen.“ Sie sind Mitherausgeber. Was ist damit gemeint?
Hans Zöchling: Die Verankerung der begleitenden Kontrolle in der BundesÂabgabenordnung ist tatsächlich ein Meilenstein – sowohl aus praktischer als auch aus juristischer Sicht. Auf einem langen Weg ist ein Etappenziel erreicht. Weitere Schritte sollten folgen.
BFGjournal: Man könnte der Systematik der begleitenden Kontrolle vorwerfen, dass sie sich nur an größere Unternehmen und bestimmte Branchen richtet. Sollten nicht auch kleinere und mittlere, somit die viel gepriesenen klassischen „mittelständischen“ Unternehmen, die immerhin den LöwenÂanteil der WirtschaftsÂleistung erbringen, eingebunden werden?
Hans Zöchling: Genau dies ist das Anliegen von uns Herausgebern! Wir sind ĂĽberzeugt, dass eine wesentlich größere Anzahl von SteuerÂpflichtigen – insbesondere kleinere und mittlere, aber auch größere Unternehmen, die nicht die begleitende Kontrolle beantragen wollen – die Möglichkeit haben sollten, andere Formen der Co-operative Tax Compliance zu nutzen.
BFGjournal: Wird bei größeren Unternehmen die begleitende Kontrolle die klassische BetriebsÂprĂĽfung ersetzen?
Hans Zöchling: Nein – die begleitende Kontrolle wird sicher kein Massenphänomen werden. Mit der begleitenden Kontrolle sind nicht unerhebliche ZusatzÂkosten verbunden – „There is no free lunch“ gilt auch fĂĽr diesen Bereich. Die weitaus ĂĽberwiegende Anzahl von Unternehmen wird auch in Zukunft dem klassischen System der AbgabenÂerhebung (Abgabe von Steuererklärungen – Ex-post-Kontrolle in Form von BetriebsÂprĂĽfungen – etwaige RechtsmittelÂverfahren) unterliegen.
BFGjournal: Die Einrichtung eines Steuerkontrollsystems ist notwendige Voraussetzung fĂĽr die Inanspruchnahme der begleitenden Kontrolle.2 Welche Vorteile ergeben sich fĂĽr Unternehmen aber ganz allgemein aus diesem Instrument?
Hans Zöchling: Ich bin ĂĽberzeugt, dass zukĂĽnftig Unternehmen, die ein funktionierendes Steuerkontrollsystem vorzuweisen haben, auch im Rahmen einer konventionellen BetriebsÂprĂĽfung anders behandelt werden, als Unternehmen ohne funktionierendes Steuerkontrollsystem. Weiters sind – auch auf Grund einzelner sehr positiver Aussagen in Judikaten des BFG – mit der Einrichtung eines Steuerkontrollsystems auch finanzstrafÂrechtliche Vorteile verbunden. Viele Unternehmen ĂĽberlegen daher die Einrichtung eines Steuerkontrollsystems – auch dann, wenn kein Wechsel in die begleitende Kontrolle angestrebt wird.
BFGjournal: Und was ist mit solchen Unternehmen, die nicht die begleitende Kontrolle beantragen wollen? Welche Möglichkeiten könnte man diesen Unternehmen als Art „Partnerschaft mit der FinanzÂverwaltung“ anbieten?
Hans Zöchling: Aus meiner Sicht sollten zB in Form eines Erlasses oder auf gesetzlicher Grundlage Anreize dafĂĽr geschaffen werden, dass Unternehmen freiwillig Steuerkontrollsysteme einrichten. Dies wĂĽrde zu einer Win-win-Situation fĂĽr den Fiskus und fĂĽr die SteuerÂpflichtigen fĂĽhren. Andere Instrumente – wie den AuskunftsÂbescheid – existieren schon oder werden – wie das Standard Audit File Tax Projekt – gerade entwickelt.
BFGjournal: Wie stehen Sie zu anderen alternativen Streitvermeidungs- oder Streitbeilegungsmechanismen, wie den AuskunftsÂbescheid nach § 118 BAO, Verständigungs- oder SchiedsÂverfahren, im Vergleich zu „klassischen“ RechtsmittelÂverfahren? Prof. Tina Ehrke-Rabel3 sieht diese Alternativen durchaus kritisch, weil die Gefahr besteht, dass bestimmte Rechtsfragen der Allgemeinheit gar nicht mehr zugänglich sind. AuĂźerdem gelten diese Alternativen nur fĂĽr den Einzelfall. Dies gilt zwar auch grundsätzlich fĂĽr Entscheidungen des VwGH, aber es werden doch Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung behandelt und bei Abweichen von einer ständigen Rechtsprechung muss der VwGH mit verstärktem Senat entscheiden. Sind diese Bedenken berechtigt?
Hans Zöchling: FĂĽr mich als Praktiker sind diese alternativen Streitvermeidungs- oder Streitbeilegungsmechanismen sehr positiv. Bei internationalen Geschäftsbeziehungen kommt es immer mehr zu DoppelÂbesteuerungen, mehrere Staaten greifen auf dasselbe Steuersubstrat zu – ein unhaltbarer Zustand! Verständigungs- und SchiedsÂverfahren sind daher unbedingt erforderlich. Auch AuskunftsÂbescheide sind aus einem modernen SteuerÂrecht nicht wegzudenken. SteuerÂpflichtigen, die sich regelkonform verhalten wollen, muss rasch – und nicht nach Ende eines oft viele Jahre dauernden RechtsmittelÂverfahrens – Rechts- und Planungssicherheit geboten werden.
Die Sorge von Frau Prof Ehrke-Rabel teile ich nicht. Es kommt durch Verständigungs- und SchiedsÂverfahren oder auch durch Tax Rulings sicher nicht zu rechtsstaatlich bedenklichen Defiziten. Die Rolle der (Finanz-)Gerichtsbarkeit wird dadurch nicht eingeschränkt. Auch in Zukunft werden die wirklich strittigen rechtlichen Fragen im RechtsmittelÂverfahren entschieden werden, während sich Sachverhaltsfragen und Fragen im Bereich der konkreten Verrechnungspreisfestlegung (zB Festlegung der fremdĂĽblichen VergĂĽtung im Rahmen einer Bandbreite) eher fĂĽr den Bereich der Verständigungs- oder SchiedsÂverfahren eignen. Gerade dort, wo die Aufteilung des Steuerkuchens auf mehrere Staaten strittig ist, nĂĽtzt die Rechtsauslegung durch ein Gericht nur eines der beteiligten Staaten fĂĽr die Erreichung eines gerechten Besteuerungsergebnisses, nämlich einer EinmalÂbesteuerung, nichts.
BFGjournal: VerständigungsÂverfahren dauern oft einige Jahre lang und werden von klassischen SteuerÂverwaltungen auf hierarchisch organisierter Beamtenebene gefĂĽhrt. Wie ist ihre Erwartungshaltung gegenĂĽber den eben etablierten, weisungsfreien und, was Ă–sterreich betrifft, mit Richtern (aus dem BundesfinanzÂgericht) und Wissenschaftlern besetzten, SchiedsÂgerichten nach dem EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetz?4 Erwarten Sie sich raschere, transparente und auf Grund der Unabhängigkeit der entscheidenden Personen „fairere“ Verfahren?
Hans Zöchling: Vorab muss festgehalten werden, dass das SchiedsÂgericht nur eines der im EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetz vorgesehenen Verfahren und dieses auch erst die zweite Stufe des Verfahrens darstellt; zuerst läuft ein VerständigungsÂverfahren nach bekanntem Muster ab. Die von der OECD veröffentlichten Statistiken zeigen, dass – gerade wenn ein Einigungszwang besteht – bereits die beteiligten Behörden häufig zu einem Konsens kommen und daher in vielen Fällen es gar nicht zur Einsetzung eines SchiedsÂgerichtes kommen wird.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wenn in SchiedsÂgerichten Unabhängige und Sachkundige die Entscheidungen treffen, erwarte ich fĂĽr diesen Bereich eine Verbesserung der Qualität dieser Entscheidungen. Gemeinsam mit der gesetzlich vorgesehenen Veröffentlichung der Entscheidungen wird dies auch zur RechtsfortÂbildung in diesem Bereich beitragen.
BFGjournal: Sie kennen die Projekte im BMF. Wie ist der aktuelle Stand beim „Standard Audit File Tax“?
Hans Zöchling: Beim „Standard Audit File Tax“ handelt es sich um ein Horizontal Monitoring fĂĽr KMU. Unternehmen, die Daten aus dem Rechnungswesen der FinanzÂverwaltung zur digitalen PrĂĽfung ĂĽbermitteln, sollen bessergestellt werden, als andere Unternehmen, die nicht in gleicher Weise zur Transparenz bereit sind. Eine solche Ă–ffnung von Horizontal Monitoring in Richtung kleinere Unternehmen wäre sehr begrĂĽĂźensÂwert. Ă„hnlich wie beim Horizontal Monitoring sollte die FinanzÂverwaltung in einem Pilot-Projekt prĂĽfen, ob die Erwartungen auch tatsächlich erfĂĽllt werden und danach ein „Roll-out“ (natĂĽrlich auf Basis von gesetzlichen Grundlagen) vornehmen.
BFGjournal: Was wĂĽnschen Sie sich als Steuerberater und/oder als Vorsitzender der Arbeitsgruppe KörperschaftÂsteuer des Fachsenates fĂĽr SteuerÂrecht von einer neuen Regierung? Sollten die noch nicht verwirklichten Pläne der ehemaligen tĂĽrkis-blauen Regierung allesamt umgesetzt werden?
Hans Zöchling: Ich wĂĽnsche mir, dass auch eine zukĂĽnftige Bundesregierung Vorhaben wie die Neukodifikation des EStG und die Modernisierung des GewinnÂermittlungs rechtes auf ihre Fahnen schreibt. FĂĽr die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Ă–sterreich ist natĂĽrlich auch der KörperschaftÂsteuersatz wichtig. Unternehmen interessiert aber nicht nur der nominelle Steuersatz. „Tax Certainty“, also die Planungs- und Rechtssicherheit in Steuersachen, ist in der Praxis genauso relevant. Eine Weiterentwicklung der Co-operative Tax Compliance und eine Erhöhung der Geschwindigkeit bei der Erteilung von AuskunftsÂbescheiden und Verständigungs- und SchiedsÂverfahren – die natĂĽrlich eine entsprechende personelle Ausstattung der Behörden voraussetzt – sollten ebenfalls Eingang in das Regierungsprogramm finden.
BFGjournal: Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe KörperschaftÂsteuer des Fachsenates fĂĽr SteuerÂrecht ist es Ihre Aufgabe, Stellungnahmen zu Gesetzes- oder RichtlinienentwĂĽrfen abzuÂgeben. Wohnen in dieser Situation gelegentlich zwei Seelen in Ihrer Brust: einerseits als neutraler Steuerexperte und andererseits als Steuerberater, der auch die Interessen seiner Klientel wahren sollte? Wie schafft man diesen Spagat?
Hans Zöchling: Ich sehe keinen Widerspruch. Die Begutachtung von Gesetzes- und RichtlinienentwĂĽrfen hat immer eine rechtspolitische Komponente. Die KSW als gesetzliche Interessensvertretung der Steuerberater und WirtschaftsprĂĽfer muss auch prĂĽfen, ob beabsichtigte neue Regeln zu einer fairen Besteuerung fĂĽhren, ob sie administrierbar sind und ob die Interessen des Wirtschaftsstandortes Ă–sterreich gewahrt werden. Die KSW war nie und wird auch in Zukunft nicht Anwalt von PartikularÂinteressen einzelner Unternehmen sein.
BFGjournal: Da sich das Jahr 2019 allmählich dem Ende zuneigt, kann man schon erste RĂĽckblicke machen. Welche Judikate haben Ihrer Meinung nach das österreichische ErtragÂsteuerrecht heuer am meisten geprägt?
Hans Zöchling: Die jĂĽngste Entscheidung des VwGH vom 4. 9. 2019 zur Liquidation eines Gruppenmitglieds mit ungetilgten Verbindlichkeiten ist von groĂźer Bedeutung. Die Entscheidung zeigt aber auch deutlich, dass die derzeitige Rechtslage unbefriedigend ist und auĂźerÂgerichtliche Sanierungen fiskalisch erschÂwert werden. Wir, in der Kammer der Steuerberater und WirtschaftsprĂĽfer, sehen es als unsere Aufgabe, vernĂĽnftige neue Regeln zu ĂĽberlegen und mit dem BMF zu besprechen. Auch hier geht es nicht um Interessen einzelner Unternehmen, sondern um eine faire Besteuerung, die eine Sanierung von Unternehmen auch ohne InsolvenzÂverfahren ermöglichen soll.
BFGjournal: Und womit werden wir uns in der Zukunft beschäftigen?
Hans Zöchling: Ich beschäftige mich derzeit sehr intensiv mit der Zinsschranke gem Art 4 ATAD. Auf Grund des zunehmenden internationalen Drucks wird eine solche Zinsabzugsbeschränkung auch in Österreich wohl früher als bislang gedacht eingeführt werden müssen. Im Interesse des Wirtschaftsstandortes müssen wir dafür sorgen, dass österreichische Leitunternehmen dabei nicht unter die Räder kommen.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… einen ersten Schritt in Richtung Work/Life-Balance zu setzen.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Dietrich Dörner, Die Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen, davor Ian Kershaw, Roller-Coaster – Europe 1950-2017.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… ein schöner Walzer mit meiner Frau.
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Barack Obama.
5) Nach der Arbeit …
… entweder hinaus in die Natur (sei es mit Wanderschuhen, Tourenschi oder dem Mountainbike) oder hinein in den Musikverein und die Staatsoper.
1 Müller/Woischitzschläger/Zöchling, Co-Operative Tax Compliance in Österreich (2019); vgl zum Werk Renner, Kooperation in Steuersachen zwischen Abgabenbehörden und Unternehmen, SWK 32/2019, 1406.
2 Vgl dazu die Verordnung des Bundesministers fĂĽr Finanzen ĂĽber die PrĂĽfung des Steuerkontrollsystems (SKS-PV), BGBl II 2018/340 bzw Macho, Anforderungen an das SKS aus Sicht der FinanzÂverwaltung, in MĂĽller/Woischitzschläger/Zöchling, Co-operative Tax Compliance in Ă–sterreich, 210.
3 Dr. Tina Ehrke-Rabel im Interview, BFGjournal 2019, 366.
4 Vgl dazu zB Vock/Spanblöchl, Das EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetz im Ăśberblick, RdW 2019, 192 (192 f); Kubik, Das neue Verfahren zur Beilegung von grenzĂĽberschreitenden Steuerstreitigkeiten innerhalb der EU, SWK 25/2019, 1018, sowie Spanblöchl, Die Verhaltensbeschwerde im Rahmen des EU-BesteuerungsstreitbeilegungsÂgesetzes, SWK 25/2019, 1026.