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Haager Zustellungsübereinkommen für Österreich in Kraft getreten

(Bild: © marchmeena29) (Bild: © marchmeena29)

Mit 12.9.2020 ist auch für Österreich als 77. Vertragsstaat und letztem Mitgliedstaat der Europäischen Union das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil‑ oder Handelssachen vom 15. November 1965 (in weiterer Folge: HZÜ) in Kraft getreten, welches Erleichterungen im Bereich der grenzüberschreitenden Zustellung mit sich bringt.

Das HZÜ stammt zwar aus dem Jahr 1965, wurde für Österreich jedoch erst im Jahr 2020 umgesetzt. Hintergrund dieser langen Zeitspanne ist, dass eine Ratifikation durch Österreich bisher nicht in Betracht gezogen wurde, da Österreich bereits Vertragspartei des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1. März 1954 (BGBl. Nr. 51/1957 idgF BGBl. Nr. 40/1958; in weiterer Folge: HZPÜ) ist, das ebenfalls Regelungen im Hinblick auf die grenzüberschreitende Zustellung enthält und das sich in der Praxis bewährt hat.

Aufgrund der Globalisierung des internationalen Rechtsverkehrs, der stetig fortschreitenden Rechtsentwicklung in diesem Bereich sowie der positiven Erfahrungen anderer (EU‑)Staaten mit dem HZÜ hat sich Österreich jedoch dazu entschlossen, dieses Übereinkommen ebenfalls umzusetzen.

Das HZÜ, welches unter anderem auch der Europäischen Zustellverordnung (EuZVO) als Vorbild gedient hat, regelt die einzuhaltenden Übermittelungswege im Falle der Zustellung eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstücks in einem anderen Vertragsstaat des Übereinkommens. Mit dem HZÜ sollten die Unzulänglichkeiten des HZPÜ beseitigt werden. Darüber hinaus sollten die Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises an der völkerrechtlichen Rechtshilfe in Rahmen der Zustellung auch teilnehmen, sodass mit dem HZÜ diesen Staaten entgegengekommen werden sollte.

Eine der wesentlichen Neuerungen, die das Übereinkommen mit sich bringt, betrifft die technische Abwicklung derartiger Übermittlungen. Die Zustellung hat über eine „Zentrale Behörde“ zu erfolgen, deren Organisation und Zusammensetzung den einzelnen Vertragsstaaten überlassen wird (Art 2 HZÜ).

Daneben sieht das HZÜ in der Anlage auch einheitliche Formulare für den Zustellungsantrag und das Zustellungszeugnis vor, das von der Behörde im ersuchten Staat ausgestellt wird. Die grenzüberschreitende Übermittlung und Zustellung von Dokumenten wird dadurch vereinfacht. Schriftstücke werden demnach hauptsächlich über diese „Zentrale Behörde“ weitergeleitet, die die Zustellung bewirkt oder veranlasst.

Die früher üblichen Übermittlungswege (konsularischer oder diplomatischer Weg) sollen nur noch hilfsweise herangezogen werden (Art 9 HZÜ). Die Zustellung auf diplomatischem Weg soll überhaupt nur mehr erfolgen, wenn „außergewöhnliche Umstände dies erfordern“. Aus den Erläuterungen zur Umsetzung des HZÜ in das österreichische Recht ergibt sich jedoch, dass Österreich in Aussicht nimmt, einen Vorbehalt einzubringen, um klarzustellen, dass jegliche Zustellung von Schriftstücken an die Republik Österreich immer auf diplomatischem Weg zu erfolgen hat.

Darüber hinaus sieht das HZÜ in Art 10 auch noch weitere Übermittlungswege vor, die dann herangezogen werden können, wenn der Bestimmungsstaat keinen Widerspruch hierzu erklärt hat (ua unmittelbare Zusendung von Schriftstücken per Post an im Ausland befindliche Personen oder direkte Kontaktaufnahme mit Justizbeamten, anderen Beamten oder sonst zuständigen Personen des Bestimmungsstaats, um die Zustellung durch diese bewirken zu lassen).

Neben dieser Vereinfachung der Abwicklung von Zustellungen sieht das HZÜ aber auch besondere Regelungen im Hinblick auf das vor allem im romanischen Rechtskreis verbreitete System vor, bei dem das Zustellungsstück nicht tatsächlich an den Empfänger im Ausland zugestellt, sondern im Inland der Staatsanwaltschaft übergeben wird, wodurch die Zustellung bereits als bewirkt gilt, und erst nachträglich eine Benachrichtigung des Empfängers hiervon durch einen Gerichtsvollzieher erfolgt (sog. „remise au parquet“).

Für derartige Zustellformen sieht das HZÜ zusammengefasst vor, dass bei Klagen oder Versäumungsurteilen der Richter im Fall der Nichteinlassung des Beklagten in das Verfahren dieses auszusetzen hat, bis festgestellt werden kann, dass das Schriftstück dem Beklagten tatsächlich so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich hätte verteidigen können. Hierdurch sollen die Interessen von Beklagten, rechtzeitig von einem gegen sie eingeleiteten Verfahren Kenntnis zu erlangen, geschützt werden.

Für den Fall, dass eine Entscheidung gegen den nicht erschienenen Beklagten ergangen ist und dieser von der Ladung oder dem verfahrenseinleitenden Schriftstück ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, dass er die erforderlichen Schritte hätte setzen können, steht ihm nach Art 16 HZÜ ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung.

Nach Art 17 HZÜ können weiters auch außergerichtliche Schriftstücke, die von Behörden und Justizbeamten eines Vertragsstaats stammen, zum Zweck der Zustellung in einem anderen Vertragsstaat nach den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren und Bedingungen übermittelt werden.

Zwar gehen dem HZÜ sowohl Rechtsakte der Europäischen Union (ua. EuZVO) sowie bilaterale Abkommen vor. Durch die Ratifikation dieses Übereinkommen werden jedoch vor allem im Verhältnis zu Nicht‑EU‑Staaten grenzüberschreitende Zustellungen – auch im Verhältnis zu jenen Staaten, für die bisher schon die Regelungen des HZPÜ über die Zustellung galten – erleichtert.

Weitere Vertragsstaaten des HZÜ sind neben allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – jedoch teilweise mit Vorbehalten – insbesondere die Russische Föderation, China, die USA, Kanada, die Schweiz, Serbien, Bosnien-Herzegowina oder die Türkei sowie Großbritannien nach dem Brexit. Durch das HZÜ werden grenzüberschreitende Zustellungen in diese Staaten schneller und effektiver, wodurch neben einer Beschleunigung von Gerichtsverfahren vor allem auch eine Kostenreduktion zu erwarten ist.

Insgesamt bringt die Ratifikation des HZÜ durch Österreich auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach dessen Inkrafttreten somit einige Erleichterungen und Vereinfachungen im Bereich des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs für die Praxis in Österreich mit sich und ist im Ergebnis zu begrüßen.

Zum Autor:

Dr. Clemens Jenny ist Rechtsanwaltsanwärter bei Preslmayr Rechtsanwälte.