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Auskunftsanspruch auch gegenüber Anbietern von Webmail-Diensten

(Bild: © OstapenkoOlena) (Bild: © OstapenkoOlena)

Nach Ansicht des OGH unterliegen auch Webmail-Anbieter, unabhängig von ihrer Qualifikation als Access- oder als Hosting-Provider, der Auskunftspflicht des § 18 Abs 4 ECG.

Das E-Commerce-Gesetz (ECG) sieht in § 18 Abs 4 vor, dass Hosting-Provider iSd § 16 ECG Name und Adresse eines Nutzers ihres Dienstes, mit dem sie Vereinbarungen über die Speicherung von Informationen abgeschlossen haben, auf Verlangen dritten Personen zu übermitteln haben, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet.

Viele Anbieter von Webmail-Diensten ermöglichen allerdings bloß den Zugang zu einem Kommunikationsnetzwerk und bieten keine über eine Zwischenspeicherung hinausgehende Speichermöglichkeit. Da es im ECG keine eigene Regelung für Anbieter von Webmail-Diensten gibt, war es daher lange strittig, ob diese trotzdem als Hosting-Provider zu qualifizieren sind bzw. ob gegenüber solchen Anbietern ein Auskunftsanspruch Dritter besteht.

Der OGH hatte über diese Fragen nun erstmals zu entscheiden (6 Ob 226/19g). Ausgangsfall war, dass in einer Tageszeitung eine Kolumne der klagenden Partei veröffentlicht wurde. Als Reaktion darauf wurde von einer E-Mail-Adresse, die von der beklagten Partei bereitgestellt wurde, eine E-Mail an mehrere in- und ausländische Medien gesendet, welche nach Ansicht der klagenden Partei ehrenrührige und kreditschädigende Äußerungen enthält.

Die klagende Partei forderte die beklagte Partei zur Herausgabe der Daten des Nutzers dieser E‑Mail-Adresse auf. Die beklagte Partei lehnte dieses Auskunftsbegehren jedoch ab und begründete dies damit, dass sie keinen Dienst der Informationsgesellschaft iSd § 3 Z 1 ECG erbringe und jedenfalls nicht Hosting-Provider iSd § 16 ECG, sondern Access-Provider iSd § 13 ECG sei (wobei diese Argumentation insofern inkonsequent ist, als ein Access-Provider per definitionem einen Dienst der Informationsgesellschaft erbringt). Der Webmail-Service der beklagten Partei sei lediglich dazu konzipiert, E-Mails zu senden und zu empfangen, nicht aber dazu, sie zu speichern.

Das Erstgericht traf dazu folgende Feststellungen: „Der technische Ablauf bei Verwendung des Webmail-Dienstes der Beklagten ist derart, dass nach Schreiben einer E-Mail und Drücken des Buttons ‚Senden‘ eine verschlüsselte Verbindung zum Mail-Server aufgebaut wird und nach Authentifizierung des Users die E-Mail in eine Warteschlange eingereiht und in Intervallen 30 Sekunden zum End-Mail-Server zugestellt wird. Wird an eine von der Beklagten zur Verfügung gestellte E-Mail-Adresse eine Mail gesendet, wird diese E-Mail auf dem E-Mail-Server der Beklagten gespeichert, bis es vom Kunden der Beklagten abgerufen wird.

Das Erstgericht bewertete die Beklagte als Hosting-Provider und bejahte daher einen Auskunftsanspruch nach § 18 Abs 4 ECG, das Berufungsgericht beurteilte die Beklagte hingegen als Access-Provider und verneinte daher einen Auskunftsanspruch.

Der OGH hielt hingegen die Frage, ob die beklagte Partei den (Haftungs-)Voraussetzungen des § 13 ECG für Access-Provider oder den des § 16 ECG für Hosting-Provider unterworfen ist, für unbeachtlich. Nach Ansicht des OGH wäre, nämlich unter der Annahme, dass die beklagte Partei dem Haftungsregime des § 13 ECG unterliegt, eine analoge Anwendung des § 18 Abs 4 ECG geboten. Er stellt dabei insbesondere darauf ab, dass die Bereitstellung eines Webmail-Dienstes, wie auch die Bereitstellung des Hosting-Dienstes, darauf abzielt, Dritten (den Empfängern) die vom Nutzer eingegebenen Inhalte zugänglich zu machen, wodurch es zu Rechtsverletzungen kommen kann. Ohne analoge Anwendung würde in einem solchen Fall, da der Anbieter von Webmail-Diensten aufgrund des Kommunikationsgeheimnisses keine Kenntnis der versendeten Informationen hat und für deren Inhalt daher nicht haftet, ein Rechtschutzdefizit des Verletzten bestehen. Der OGH verweist diesbezüglich auch auf seine Entscheidung zu 4 Ob 7/04i, in der er die analoge Anwendung des § 18 Abs 4 ECG auf Betreiber von Telekommunikationsdiensten bejaht hat.

Im Ergebnis besteht daher jedenfalls ein Auskunftsanspruch Dritter gegenüber Webmail-Anbietern hinsichtlich der Namen und Adressen ihrer Nutzer, entweder direkt nach § 18 Abs 4 ECG oder in analoger Anwendung des § 18 Abs 4 ECG. Da der OGH mit dieser Entscheidung den (analogen) Anwendungsbereich des, rein auf nationalem Recht basierenden, § 18 Abs 4 ECG erneut erweitert und sich dabei von den unionsrechtlich vorgegebenen Definitionen der verschiedenen Providerarten der §§ 13 und 16 ECG löst ist unklar, was diese Entscheidung für andere Anbieter von elektronischen Diensten, die eine ähnliche Funktionsweise wie das Hosting haben, bedeutet.

Da der OGH die Frage offen gelassen hat, ob Anbieter von Webmail-Diensten als Access-Provider oder Hosting-Provider anzusehen sind, ist auch die Frage, ob auf diese das Haftungsregime des § 13 ECG oder das des § 16 ECG anzuwenden ist, bzw. welche Kriterien für diese Bewertung heranzuziehen sind, weiterhin ungelöst.

Zum Autor:

Mag. Nils Gröschel ist Rechtsanwaltsanwärter bei Preslmayr Rechtsanwälte.