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Akteneinsicht beim Primärschuldner durch den Haftungspflichtigen

BVwG: Kein gesondertes Auskunftsrecht bei Akteneinsicht. (Bild: © iStock/utah778) BVwG: Kein gesondertes Auskunftsrecht bei Akteneinsicht. (Bild: © iStock/utah778)

Entscheidung: BFG 15. 1. 2020, RV/5101754/2019, Revision nicht zugelassen.
Normen: § 48a BAO; §§ 77 f BAO; § 90 BAO; § 244 BAO.

Die Beschwerdeführerin ist Haftungspflichtige für KESt des Primärschuldners. Sie ist damit jedenfalls als Partei iSd § 90 Abs 1 BAO anzusehen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Partei auch dann Gelegenheit zur Verteidigung ihrer Rechte zu geben und erforderlichenfalls Einsichtnahme in die Akten zu gewähren ist, wenn sich die Abgabenbehörde bei ihrer Entscheidung auf Akten eines Abgabenverfahrens stützt. Der Einsichtnahme des Haftungspflichtigen in die Akten des Abgabenverfahrens steht somit die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht iSd § 48a BAO keinesfalls entgegen.

Das Recht auf Akteneinsicht stellt ein wesentliches prozessuales Recht der Partei des Verwaltungsverfahrens dar. Wird die Akteneinsicht verweigert, so ist (spätestens) in der Begründung des das Verfahren abschließenden Bescheides nachvollziehbar darzulegen, welche Aktenteile davon betroffen sind und welche Umstände dies im konkreten Fall rechtfertigen. Eine unbegründete Verweigerung der Akteneinsicht wird im Allgemeinen – schon als Begründungsmangel – einen Verfahrensmangel betreffend die Sachentscheidung bewirken. Der Verfahrensmangel der nicht gewährten Akteneinsicht könnte aber dadurch heilen, dass im weiteren Verfahren – auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht – Akteneinsicht gewährt wird.

Gegen nur das Verfahren betreffende Verfügungen ist nach § 244 BAO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Sie können erst in der Bescheidbeschwerde gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden. § 90 Abs 3 BAO sieht – in Übereinstimmung mit dieser Regelung – ebenfalls vor, dass gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist.

§ 244 BAO sieht eine Bekämpfung der verfahrensleitenden Verfügung in der Bescheidbeschwerde gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid (hier: Haftungsbescheid betreffend KESt) vor. Erweist sich die verfahrensleitende Verfügung als rechtswidrig, so ist der die Angelegenheit abschließende Bescheid mit einem Verfahrensmangel behaftet. Ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzamts über die Akteneinsicht ein Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache anhängig, so ist das Begehren auf Akteneinsicht im Rahmen dieses Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache zu behandeln.

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