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Medienprivileg neu: Datenschutz im Journalismus

(Bild: © wellphoto) (Bild: © wellphoto)

Bereits das DSG 2000 normierte Erleichterungen für Medienbetriebe im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Verpflichtungen. Dieses „alte“ Medienprivileg wurde insbesondere kritisiert, weil es nicht für alle galt, die sich journalistisch betätigten. Ob bzw inwieweit das am 25.5.2018 in Kraft getretene „neue“ Medienprivileg hier Anderes normiert, ist Gegenstand dieses Beitrags.

DSG 2000: Privileg für Medienunternehmen, Mediendienste und ihre Mitarbeiter

Vor Inkrafttreten des DSG „neu“ regelte § 48 DSG 2000 das Medienprivileg unter der Bezeichnung „Publizistische Tätigkeit“. Kritik (zuletzt etwa Rami, Österreichische Medienprivilegien unter den Messern des EuGH und des EGMR, ÖJZ 2015, 533) erntete § 48 DSG 2000 insbesondere aufgrund seines Anwendungsbereichs: Erfasst vom Medienprivileg waren nämlich lediglich Medienunternehmen, Mediendienste oder ihre Mitarbeiter, soweit sie personenbezogene Daten unmittelbar für ihre publizistische Tätigkeit im Sinne des Mediengesetzes (MedienG) verwenden. Diese Ausgestaltung des österreichischen Medienprivilegs war angesichts der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in seinem Urteil vom 16.12.2008 zu C-73/07, wonach der § 48 DSG 2000 zugrunde liegende Art 9 der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr nicht nur für Medienunternehmen zu gelten hat, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist, zu eng (Rami, ÖJZ 2015, 533).

Jene, für die das Medienprivileg des § 48 DSG 2000 galt, mussten von den einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG 2000 lediglich die Grundsätze der Datenverwendung, die Bestimmungen zur Einschaltung von Dienstleistern sowie die Normen in Bezug auf Datensicherheit und das Datengeheimnis beachten. Das Grundrecht auf Datenschutz gem § 1 DSG 2000 blieb aber jedenfalls anwendbar, was auch den OGH dazu veranlasste, das Medienprivileg teleologisch zu reduzieren: Auch wenn § 32 Abs 4 DSG 2000, der einen Wahlgerichtsstand des Klägers wegen Ansprüchen auf Geheimhaltung, Richtigstellung oder Löschung normiert, von § 48 DSG 2000 nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt werde, sei diese Bestimmung aufgrund des Grundrechtsschutzes von § 1 DSG 2000 auch bei Gelten des Medienprivilegs dennoch zu beachten (OGH vom 17.1.2018, 6 Ob 144/17w).

DSGVO: Besondere Verarbeitungssituation in Bezug auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit

Die DSGVO bestimmt nunmehr in ihrem Art 85, dass die Mitgliedsstaaten durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen haben. Wenn es in diesem Lichte erforderlich ist, haben die Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Verarbeitung, die (ua) zu journalistischen Zwecken erfolgt, Abweichungen bzw Ausnahmen der wesentlichen Kapitel der DSGVO vorzusehen.

In diesem Zusammenhang erwähnt die DSGVO in ErwG 153, dass Begriffe wie „Journalismus“ weit auszulegen sind, um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen. Davon, dass nur bestimmte Akteure des Journalismus privilegiert sein sollen, wie in § 48 DSG 2000 bestimmt, findet sich in der DSGVO hingegen kein Hinweis.

Datenschutz-Anpassung: ein Medienprivileg für alle

Der Kritik in der Lehre zu § 48 DSG 2000 bzw der Sichtweise des EuGH Folge tragend wurde in Entsprechung von Art 85 DSGVO zunächst mit dem Datenschutz‑Anpassungsgesetz 2018 (BGBl I, Nr 120/2017) für den neuen § 9 DSG vorgesehen, dass auf eine Verarbeitung, die (ua) zu journalistischen Zwecken erfolgt, die wesentlichen Kapitel der DSGVO keine Anwendung finden sollen, soweit dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.

Diese Erforderlichkeitsprüfung sollte nach dem Wortlaut von § 9 DSG idF des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018 zwar „insbesondere“ im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Medienunternehmen, Mediendienste oder ihre Mitarbeiter unmittelbar für ihre publizistische Tätigkeit im Sinne des MedienG erfolgen; auf eine Einschränkung des Medienprivilegs auf diese Gruppen verzichtete der Gesetzgeber jedoch.

Datenschutz-Deregulierung: kein Medienprivileg für alle

Kurz vor Inkrafttreten des DSG idF des Datenschutz‑Anpassungs‑Gesetzes 2018 brachte der Gesetzgeber noch das Datenschutz‑Deregulierungs-Gesetz 2018 (BGBl  I, Nr 24/2018) auf Schiene, mit dem ua das Medienprivileg in § 9 Abs 1 DSG neu gefasst wurde: Alle wesentlichen Kapitel der DSGVO (außer jenem bzgl der Sanktionen) und das DSG zur Gänze sollen nunmehr keine Anwendung finden „auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes (…), zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes.“

Einerseits fällt hier auf, dass entgegen der Fassung gem Datenschutz‑Anpassungs‑Gesetz 2018 überhaupt keine Erforderlichkeitsprüfung mehr erfolgen muss (Lehofer, Anpassung der Datenschutz-Anpassung – Last Minute-Begleitgesetzgebung zur DSGVO, ÖJZ 2018, 433; Zöchbauer, Das „Medienprivileg“ des § 9 Abs 1 DSG idF Datenschutz-Deregulierungsgesetz 2018, MR 2018, 102), andererseits, dass der begünstigte Personenkreis wieder eingeschränkt wurde. Entgegen § 48 DSG 2000 erfasst dieser zunächst nicht mehr nur Medienunternehmen oder Mediendienste oder ihre Mitarbeiter, sondern insbesondere den Medieninhaber, der – folgt man der Definition von § 1 Abs 1 Z 8 MedienG – begrifflich eine wesentlich größere Personengruppe einschließt: neben Medienunternehmen oder Mediendiensten insbesondere nämlich auch ganz allgemein jene Personen, denen die inhaltliche und redaktionelle Letztverantwortung für die verbreiteten Inhalte zukommt (RV 784, BlgNR XXII. GP, 6); das Vorhandensein unternehmerischer Strukturen setzt der Begriff des Medieninhabers hingegen nicht voraus.

Mit der Einschränkung „zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes“ wird jedoch dieser – verglichen mit § 48 DSG 2000 – zunächst erweiterte Kreis der das Medienprivileg genießenden Akteure de facto wieder auf den unternehmerischen Bereich beschränkt (Ehrnberger, Das Medienprivileg: Medienunternehmen zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit, jusIT 2018, 148; Kunnert in Bresich/Dopplinger/Dörnhöfer/Kunnert/Riedl, DSG, § 9, Rz 9; Zöchbauer, MR 2018, 102). Die – dem Wortlaut in § 9 Abs 1 MedienG nach allenfalls denkbare – Bezugnahme der genannten Einschränkung bloß auf die Gruppe der Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes hätte hingegen konsequenterweise zur Folge, dass für die (verbleibende) Gruppe der Medieninhaber und Herausgeber (mangels Erforderlichkeitsprüfung) jegliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten privilegiert würde, somit nicht nur eine solche zu journalistischen Zwecken: Eine solche Auslegung kann keinesfalls im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein und ist daher abzulehnen.

Zu beachten bleibt für den Kreis der Privilegierten dennoch, dass auch mit Inkrafttreten des DSG „neu“ das Grundrecht auf Datenschutz gem § 1 DSG anwendbar bleibt (Ehrnberger, jusIT 2018, 148; Kunnert, § 9, Rz 11); die Sichtweise, dass § 9 Abs 1 DSG hingegen auch das Grundrecht des § 1 leg cit wirksam ausschließen könnte (Vgl Zöchbauer, MR 2018, 102) trifft mE nicht zu.

Journalistische Betätigung außerhalb des Medienprivilegs

Schlussendlich sind somit einerseits journalistische Tätigkeiten außerhalb von Medienunternehmen oder Mediendiensten überhaupt nicht vom Medienprivileg umfasst (Zöchbauer, MR 2018, 102), während andererseits im Bereich von Medienunternehmen oder Mediendiensten § 9 Abs 1 DSG nicht nur keine Erforderlichkeitsprüfung vorsieht, sondern de facto eine Totalausnahme der DSGVO und des DSG normiert (Vgl Kunnert, § 9, Rz 7ff).

In der Literatur wird dbzgl rechtfertigend die Sonderstellung von Medienunternehmen hervorgehoben, die einen institutionellen Rahmen bieten, in dem die vom Datenschutzrecht gewollte Interessenabwägung fester Bestandteil des Arbeits‑ und Organisationsprozesses ist, und von denen eine größere journalistische Qualität erwartet wird, während in Bezug auf Vereine, Blogger, Influencer, Selbstverleger, Pressestellen oder Facebook‑Nutzer das Medienprivileg österreichischer Prägung ausscheidet (Ehrnberger, jusIT 2018, 148).

Anhaltspunkte, inwieweit solchen nicht nach § 9 Abs 1 DSG privilegierten Personen im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit zumindest partielle Erleichterungen in datenschutzrechtlicher Hinsicht zukommen, finden sich nur wenige: Art 17 Abs 3 lit a) DSGVO sieht etwa vor, dass das Betroffenenrecht auf Löschung personenbezogener Daten nicht gilt, soweit die Verarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist. Art 2 Abs 2 lit c) DSGVO, wonach die DSGVO keine Anwendung findet bei einer Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiäre Tätigkeiten, wird hingegen selbst für den bloßen Facebook-Nutzer, der sich publizistisch betätigt, meist nicht einschlägig sein: Auch wenn ErwG 18 DSGVO die Nutzung sozialer Netze und Online-Tätigkeiten im Rahmen solcher ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erwähnt, darf kein Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden.

Die Veröffentlichung von Informationen an einen unbestimmten Personenkreis soll die Anwendbarkeit von Art 2 Abs 2 lit c) DSGVO überhaupt ausschließen (Ennöckl in Sydow [Hrsg], Europäische Datenschutzgrundverordnung, Art 2, Rz 13; Kühling/Raab in Kühling/Buchner, DS-GVO², Art 2, Rz 25; Zerdick in Ehmann/Selmayr, Datenschutzgrundverordnung, Art 2, Rz 11).

Allerdings ist auch fraglich, ob das neue Medienprivileg überhaupt europarechtskonform ist, zumal sich an den Bedenken zu § 48 DSG 2000 auch in Bezug auf die neue Rechtslage nichts geändert hat (Ehrnberger, jusIT 2018, 148; Jahnel, Gesetzgebungsmonitor Datenschutz: Datenschutz-Deregulierungs-Gesetz 2018 und Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetze, JusIT 2018, 160; Zöchbauer, MR 2018, 102) und § 9 Abs 1 DSG entgegen Art 85 DSGVO eine annähernde Totalausnahme von der DSGVO normiert (Kunnert, § 9, Rz 7f).

Conclusio

In Bezug auf das Medienprivileg hat sich der österreichische Gesetzgeber dazu entschieden, die bisherige Rechtslage im Grunde fortzuschreiben und weiträumige Ausnahmen von datenschutzrechtlichen Verpflichtungen nur Medienunternehmen bzw. Mediendiensten zu gewähren.

Gerade für Blogger, Influencer oder sonst journalistisch tätige User etwa im Rahmen von Social Media sind DSGVO und DSG hingegen grundsätzlich ausnahmslos zu beachten. Welche Auswirkungen die (Nicht-) Anwendbarkeit von § 9 Abs 1 DSG in der Praxis einerseits auf Medienunternehmen und Mediendienste, andererseits auf sonst journalistisch Tätige haben wird, bleibt aber ebenso abzuwarten wie die Antwort auf die Frage nach der Europarechtskonformität des österreichischen Medienprivilegs.