Re:Re: Begünstigter Behinderter

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#71137
Roland
Teilnehmer

Hallo Markus!

Kündigung ist rechtsunwirksam.

Auch für dich ein Text aus: „Arbeitsrecht für Arbeitgeber“ von T. Rauch, Linde-Verlag 2009:

41.7.1 Kündigungsschutz eines Behinderten
Zum Motivkündigungsschutz eines Behinderten i.S.d. § 3 BEinstG siehe 41.8.3 und 4.

Den Status eines begünstigen Behinderten definiert das BEinstG wie folgt:

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind Flüchtlinge mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH, denen Asyl gewährt worden ist, gleichgestellt, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. Österreichischen Staatsbürgern sind weiters Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt.

Dem EWR gehören (neben Österreich) folgende Staaten an:

BRD, Liechtenstein, Dänemark, Norwegen, Schweden, Island, Finnland, Frankreich, Italien, Griechenland, Großbritannien und Nordirland, Irland, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Portugal und Spanien (zur EU-Erweiterung ab 1.5.2004 und ab 1.1.2007 siehe auch 18.18).

Bezieht der Behinderte eine Geldleistung wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit, so verliert er den Status des begünstigten Behinderten (§ 2 Abs. 2 lit c BEinstG – VwGH 2003/11/0242 = ARD 5510/2/2004).

Der für einen Behinderten geltende Kündigungsschutz tritt mit dem Tag des Einlangens des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Personen beim örtlich zuständigen BSA ein, wenn mit diesem Tag der Behindertenstatus zugesprochen (§ 14 Abs. 2 BEinstG) wird. Dies soll auch dann gelten, wenn der Antrag an dem Tag gestellt wird, an dem dem AN die Kündigung zugeht (OGH 9 Ob A 61/06w = ARD 5810/4/2007).

Der Schutz wird hingegen bereits mit dem Ersten des Monats, in dem der Antrag eingelangt ist, wirksam, wenn der Antrag unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung gestellt wurde (etwa sofort nach einem Unfall – § 14 Abs. 2 BEinstG) und dem Antrag in der Folge stattgegeben wird.

Der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag oder der Meldung an den AG ist unerheblich.

Wird der Bescheid, der die Behinderteneigenschaft feststellt, erst nach dem Ablauf der Kündigungsfrist zugestellt, so kann er dennoch die Unwirksamkeit der AG-Kündigung bewirken, soferne die Kündigung nach der Wirksamkeit des Bescheids zugegangen ist (OGH 9 Ob A 82/03 d, 8 Ob A 77/06 s = ARD 5738/9/2007).

Beispiel:
Der AN erfährt im Juni 2001, dass er in absehbarer Zeit gekündigt werden soll. Daraufhin beantragt er am 15.6.2001 die Feststellung des Behindertenstatus beim örtlich zuständigen BSA. Am 20.6.2001 wird die Kündigung zum 29.6.2001 ausgesprochen. Am 10.7.2001 wird dem AN der Bescheid des BSA, der eine Behinderung von 50 % ab 15.6.2001 feststellt, zugestellt.

Der AN leitet den Bescheid unverzüglich an den AG weiter und erklärt sich arbeitsbereit.

In dieser Situation muss dem AG empfohlen werden, den AN zum sofortigen Arbeitsantritt aufzufordern.

Ab Zustellung des Feststellungsbescheids ist der AN verpflichtet, den Behindertenstatus dem AG zu melden (OGH 9 Ob A 240/02 p, 9 Ob A 48/06 a, 9 Ob A 46/07 s). Hätte der AG bei rechtzeitiger Meldung der Erwerbsminderung keine Lohnsummensteuer für das Entgelt des AN entrichten müssen, kann sich daraus eine Ersatzpflicht des behinderten AN ergeben (OGH 9 Ob A 64, 65/87 = ARD 3938/11/87). In der Entscheidung 9 Ob A 46/07 s hat der OGH die Auffassung vertreten, dass die Mitteilungspflicht des behinderten AN eine bloße „Obliegenheit“ sei, die keine Schadenersatzpflichten auslösen könne.

Jedenfalls kann die Unterlassung der Meldung der Behinderteneigenschaft an den AG nicht den Entfall des Kündigungsschutzes bewirken. Wird dem AG jedoch erst nach Ausspruch einer Kündigung mitgeteilt, dass bereits seit längerer Zeit die Stel lung als Behinderter gegeben ist, so kann dieser die nachträgliche Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Kündigung beantragen (siehe 41.7.2.3). Ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nach § 1155 ABGB (siehe 31.8) nach der rechtsunwirksamen AG-Kündigung ist erst dann gegeben, wenn die Meldung der Behinderteneigenschaft und der Arbeitsbereitschaft erfolgt (OGH 8 Ob A 41/97 f, 8 Ob A 154/02 k – siehe 41.7.1.4, siehe auch Rauch, Verschweigen der Behinderteneigenschaft und zustimmungsfreie Kündigung eines Behinderten, ASoK 3/2007, 94 ff.).

Das Verschweigen der Behinderteneigenschaft ist kein Entlassungsgrund (OGH 9 Ob A 240/02 p = ARD 5429/6/2003).

Einschlägige Judikatur
• Ein AN hat vor der – wenngleich möglicherweise rückwirkenden – Feststellung seiner Behinderteneigenschaft gegenüber dem AG keinen Anspruch auf die Anerkennung seines aufrechten Dienstverhältnisses und damit im Ergebnis auf die Unwirksamkeit seiner Kündigung. Dies ist erst dann der Fall, wenn der Bescheid des BSA die Behinderteneigenschaft festgestellt hat (OLG Wien 9 Ra 143/99 m = ARD 5080/28/99).

• Der Kündigungsschutz nach dem BEinstG entsteht auch dann rückwirkend (frühestens) ab dem 1. eines Monats, in dem der Antrag gestellt wurde, wenn der rechtsfeststellende Bescheid erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zugestellt wurde. Jede nach dem Zeitpunkt dieses – wenn auch erst im Nachhinein eingetretenen – Wirksamwerdens ausgesprochene Kündigung bedarf daher der Zustimmung des Behindertenausschusses (VwGH 94/08/0032 = ARD 5174/11/2000; so auch OGH 4 Ob 21/84, 14 Ob 196/86 = ARD 3854/21/87).

• Ist einem AN die Kündigung vor Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten zugegangen, kommt ihm der besondere Kündigungsschutz nach § 8 Abs. 2 BEinstG nicht zugute und er kann ohne Zustimmung des BSA rechtswirksam gekündigt werden. Ob der AN rein medizinisch gesehen schon zu einem früheren Zeitpunkt einen entsprechenden Grad der Behinderung aufgewiesen hat (erforderlich sind – wie im vorliegenden Fall auch gegeben – mindestens 50 % für die Eigenschaft als „begünstigter Behinderter“), ist unerheblich, weil es auf den formellen Feststellungszeitpunkt ankommt. Auch die soziale Betroffenheit des AN durch die Kündigung ist bei der vorliegenden Feststellungsklage (Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses) unerheblich (ASG Wien 18 Cga 81/99 h = ARD 5112/5/2000).

LG