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Zur Bestellung und zu den Befugnissen des Prokuristen bei Personen- und Kapitalgesellschaften

(Bild: © Nuthawut Somsuk) (Bild: © Nuthawut Somsuk)

Prokuristen sind aus dem unternehmerischen Alltag kaum wegzudenken, da sie wichtige Geschäfte und Rechtshandlungen für jenen Unternehmer erledigen, der sie zum Prokuristen bestellt hat. Der folgende Beitrag soll sich zum einen der Frage widmen, wer zum Prokuristen bestellt werden kann, wer den Prokuristen bestellen kann und wie die Bestellung erfolgt. Zum anderen sollen die Befugnisse des Prokuristen und deren Grenzen aufgezeigt werden.

Stand: Q3/2015

1. Der Begriff der Prokura

Unter dem Begriff Prokura versteht man eine ins Firmenbuch einzutragende, jederzeit widerrufliche, ihrem Umfang nach gesetzlich festgelegte, unübertragbare und unbeschränkbare (Formal-)Vollmacht, die nur von einem ins Firmenbuch eingetragenen Unternehmer erteilt werden kann (vgl Krejci, Unternehmensrecht5 [2013] 282).

Es handelt sich den §§ 48 ff UGB folgend um eine rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungsmacht mit gesetzlich vorgegebenem Umfang. Die Prokura ist also ein Können im Außenverhältnis und kein Amtstitel oder eine Berufsstellung (vgl Kalss/Schauer/Winner, Allgemeines Unternehmensrecht² [2014] Rz 4/16).

2. Die Person des Prokuristen

Der Prokurist kann nur eine natürliche Person und keine juristische Person oder OG/KG sein. Nach herrschender Ansicht muss der Prokurist zumindest beschränkt geschäftsfähig, dh mindestens 7 Jahre alt sein. Teilweise wird auch vertreten, dass der Prokurist zumindest mündig sein muss, dh er muss zumindest 14 Jahre alt sein. Wirklich sinnvoll ist die Prokuraerteilung jedoch nur an eine voll geschäftsfähige Person, also an eine Person, die zumindest 18 Jahre alt ist. Erst mit Erreichen der vollen Geschäftsfähigkeit ist ein professionelles unternehmerisches Wirken möglich (vgl Krejci, Unternehmensrecht5 284).

Zudem kann nur jene natürliche Person zum Prokuristen bestellt werden, die vom Unternehmer und den vertretungsbefugten organschaftlichen Vertretern (Vorstandsmitglied, Geschäftsführer) und Aufsichtsratsmitgliedern oder den vertretungsbefugten Gesellschaftern verschieden ist (vgl zum Ganzen Schopper/Trenker in U. Torggler [Hrsg], UGB [2013] § 18 Rn 9 ff).

3. Wer kann Prokura erteilen?

Die Prokura kann nur von einem ins Firmenbuch eingetragenen (Einzel-)Unternehmer (§§ 1, 2, 3 UGB Unternehmer) oder seinen gesetzlichen (= organschaftlichen) Vertretern erteilt werden, nicht jedoch von rechtsgeschäftlichen Vertretern wie Handlungsbevollmächtigten oder Prokuristen.

Nicht ins Firmenbuch eingetragene Unternehmer (etwa nicht eingetragene Land- und Forstwirte; Freiberufler wie Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte oder Notare; GesbR; stille Gesellschaften) können daher keine Prokura erteilen (vgl zum Ganzen Kalss/Schauer/Winner, Allgemeines Unternehmensrecht² 4/19 ff).

Konkret sind zur Erteilung berechtigt:

  • Bei der OG und KG erfolgt die Erteilung im Außenverhältnis durch jeden einzelnen vertretungsbefugten Gesellschafter nach Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter im Innenverhältnis. Vertretungsbefugt ist bei OG und KG grundsätzlich jeder Gesellschafter sofern ihm die Vertretungsbefugnis nicht im Gesellschaftsvertrag entzogen wurde. Bei der KG jedoch nicht vertretungsbefugt ist der Kommanditist, dh der nur bis zur Höhe seiner Haftsumme beschränkt haftende Gesellschafter.
  • Bei der GmbH erfolgt die Erteilung im Außenverhältnis durch sämtliche Geschäftsführer nach Beschlussfassung der Gesellschafter im Innenverhältnis (§ 35 Abs 1 Z 4 GmbHG).
  • Bei der AG erfolgt die Erteilung im Außenverhältnis durch den Vorstand nach Erteilung der Zustimmung des Aufsichtsrates im Innenverhältnis (§ 95 Abs 5 Z 11 AktG).

Wird die Zustimmung im Innenverhältnis von den gesetzlichen Vertretern nicht eingeholt, so bleibt die Bestellung zum Prokuristen dennoch wirksam. Rechtliche Folgen können sich aber für die gesetzlichen Vertreter ergeben, die die Zustimmung nicht eingeholt haben (etwa Entzug der Vertretungsbefugnis, Abberufung, Schadenersatz) (vgl Krejci, Unternehmensrecht5 282 f).

4. Die Erteilung der Prokura

Die Prokura muss nach § 48 UGB ausdrücklich erklärt werden (im Idealfall mit der Aussage: „Sie sind Prokurist“), dh schlüssiges Verhalten reicht ebenso wenig aus wie die Einräumung prokuragleicher Aufgaben.

Formvorschriften sind bei der Erteilung der Prokura aber nicht zu beachten, dh die Prokura kann sowohl schriftlich als auch mündlich erteilt werden (vgl zum Ganzen Kalss/Schauer/Winner, Allgemeines Unternehmensrecht² 4/17).

Die Prokura ist zwar ins Firmenbuch einzutragen, Prokurist ist man aber bereits mit ausdrücklicher Erteilung der Prokura.

Der Prokurist hat als Prokurist aufzutreten und dem Dritten die Prokura offenzulegen (etwa Vorlage des Firmenbuchauszuges). Im Geschäftsverkehr hat er gemäß § 51 UGB als Prokurist zu zeichnen, indem er der Firma seinen Namen und einen die Prokura andeutenden Zusatz beifügt (etwa „per procura“, „als Prokurist“).

Zu unterscheiden sind im Wesentlichen zwei Arten der Prokura. Zum einen die Einzelprokura, bei der jeder Prokurist dazu berechtigt ist, den Unternehmer alleine wirksam zu vertreten. Zum anderen die Gesamtprokura, bei der nur mehrere Prokuristen den Unternehmer (je nach interner Ausgestaltung) gemeinsam wirksam vertreten können. Welche Art der Prokura gewählt wird, obliegt den erteilungsberechtigten Personen (vgl zum Ganzen Krejci, Unternehmensrecht5 286; vgl zum Ganzen Kalss/Schauer/Winner, Allgemeines Unternehmensrecht² 4/25 ff).

5. Der Umfang der Prokura

5.1. Allgemeines

Die Prokura ermächtigt gemäß § 49 UGB zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb irgendeines Unternehmens mit sich bringt.

§ 50 UGB regelt weiters, dass die Beschränkung des sich aus § 49 UGB ergebenden Umfangs Dritten gegenüber unwirksam ist. Im Innenverhältnis (zwischen Prokuristen und Unternehmer) kann der Prokurist zwar sehr wohl an Gebote und Verbote, die über die gesetzlichen Schranken des § 49 UGB hinausgehen, gebunden werden. Diese Beschränkungen wirken aber grundsätzlich nur zwischen Unternehmer und Prokuristen, sind aber gegenüber dem Dritten grundsätzlich unwirksam, da dieser davon ausgehen kann, dass der Prokurist Vertretungsmacht im Rahmen des § 49 UGB hat. Den Dritten trifft insbesondere auch keine Nachforschungspflicht, ob interne Schranken bestehen bzw missachtet wurden (vgl Schinko in Straube, UGB (I4) § 49 Rn 1).

Verstößt der Prokurist gegen eine interne Beschränkung, so bleibt das Geschäft mit dem Dritten wirksam, es sei denn der Dritte weiß vom Vollmachtsmissbrauch und arbeitet mit dem Prokuristen zum Schaden des Vollmachtgebers (Unternehmers) arglistig zusammen (Kollusion). In letztgenanntem Fall ist der Vertrag unwirksam. Das bloße Wissen des Dritten von übertretenen internen Beschränkungen schadet jedoch nicht und lässt den Vertrag wirksam bleiben.

Entsteht durch den Vollmachtsmissbrauch des Prokuristen dem Unternehmer ein Schaden, so haftet der Prokurist dafür (vgl zum Ganzen Krejci, Unternehmensrecht5 288 f).

5.2. Gesetzlicher Umfang der Prokura

Die Prokura ermächtigt gemäß § 49 UGB zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb irgendeines Unternehmens mit sich bringt. Erfasst sind grundsätzlich alle gewöhnlichen und außergewöhnlichen Geschäfte unabhängig davon, ob sie Gegenstand des konkreten Betriebes oder betriebsfremd sind.

Darunter fallen beispielhaft etwa auch (vgl zum Ganzen Kalss/Schauer/Winner, Allgemeines Unternehmensrecht² 4/21):

  • Einstellung und Kündigung von BedienstetenAbschluss von Kaufverträgen
  • Abschluss von Liefer- und Abnahmeverträgen
  • Abschluss von Schiedsverträgen
  • Eingehen von Verbindlichkeiten
  • Gründung von Niederlassungen
  • Erwerb von Beteiligungen
  • Erwerb von Grundstücken
  • Verpachtung von Grundstücken
  • Gewährung von Krediten oder Zahlunsgzielen
  • Übernahme von Bürgschaften
  • Erhebung der Mängelrüge oder Verjährungseinrede

5.3. Grenzen der Prokura

Vom Umfang der Prokura grundsätzlich nicht erfasst, ist (vgl zum Ganzen Kalss/Schauer/Winner, Allgemeines Unternehmensrecht² 4/23; Krejci, Unternehmensrecht5 287):

  • die Veräußerung und Belastung von Grundstücken (§ 49 Abs 2 UGB)
    Solche Geschäfte darf der Prokurist nur vornehmen, wenn er dazu besonders bevollmächtigt wurde. Diese Bevollmächtigung kann auf zwei Arten erteilt werden:

1. Die sogenannte „Immobiliarklausel“ ist eine Ergänzung der Prokura und muss wie diese auch ausdrücklich erklärt werden. Die so eingeräumte Befugnis kann aber auch beschränkt werden, indem sie nur hinsichtlich der Veräußerung oder der Belastung erteilt wird. Sie ist als Ergänzung der Prokura wie diese selbst auch ins Firmenbuch einzutragen.

2. Es ist aber auch ausreichend, dass der Unternehmer den Prokuristen nach allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen zur Vornahme von Grundstücksveräußerungen und -belastungen ermächtigt. Eine solche Vollmacht wird nicht in das Firmenbuch eingetragen und kann auch konkludent iSd § 863 ABGB erteilt werden.

Dieses Verbot gilt jedoch nur für Grundstücke, die sich bereits im Eigentum des Unternehmers befinden, nicht jedoch für ein neu erworbenes Grundstück, das im Zuge des Erwerbsvorganges belastet wird (Restkaufpreishypothek).

  • die Erteilung der Prokura (§ 48 Abs 1 UGB)
  • die Übertragung der eigenen Prokura auf einen anderen (§ 52 abs 2 UGB)
  • Anmeldungen zum Firmenbuch (§ 12 UGB)
  • Unterzeichnung des Jahresabschlusses (§ 194 UGB)
  • Änderungen des Gesellschaftsvertrages des Unternehmensträgers
  • Privatgeschäfte des Unternehmers

6. Beendigung und Entzug der Prokura

Die Prokura endet durch (vgl Krejci, Unternehmensrecht5 292):

  • Widerruf des Vertretenen (Unternehmer)

Widerrufsberechtigt sind diejenigen, die die Prokura erteilen können. Bei einer OG/KG hat das Recht aber jeder vertretungsbefugte Gesellschafter, bei einer GmbH jeder Geschäftsführer. Der Widerruf kann jederzeit formlos erfolgen.

  • Kündigung durch den Prokuristen
  • Tod des Prokuristen
  • Verlust der Geschäftsfähigkeit des Prokuristen
  • Konkurs des Prokuristen
  • Konkurs des Unternehmers
  • Übertragende Umwandlungen und Verschmelzungen
  • Einbringungen und Spaltungen
  • Verlust der Unternehmereigenschaft
  • Übernahme der Position des Unternehmers oder eines gesetzlichen Vertreters

7. Fazit

Die Prokura ist ein wichtiges Instrument zur Vertretung des Unternehmers.

Der vorliegende Beitrag hat jedoch gezeigt, dass es viele kleine jedoch grundlegende Frage- und Problemstellungen zu beachten gilt und vor allem die Erteilung der Prokura von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden erfolgt.

Zum Autor:

Dr. Patrick Stummer ist stellvertretender Verlagsleiter und leitet als Leiter Content Management strategisch und operativ das Programm des Linde Verlags.